Im Dezember 2006 wurde eine anonyme Anzeige gegen Spitzenmanager des Forschungszentrums Seibersdorf (ARC), darunter auch den früheren Prokuristen bzw. Geschäftsführer von ARC Business Services, Martin Graf, wegen des Verdachts der Untreue eingebracht. Graf war zu diesem Zeitpunkt bereits wieder FPÖ-Abgeordneter zum Nationalrat. Im Frühjahr 2009 stellte die Staatsanwaltschaft Wien einen Antrag, die Immunität von Martin Graf auzuheben, um gegen ihn ermitteln zu können. Im März 2009 wurde Grafs Immunität in dieser Causa aufgehoben und seither gegen ihn ermittelt. Es sind also nicht siebeneinhalb Jahre, wie Grafs Leibpostille „unzensuriert.at“ behauptet, sondern mehr als fünf Jahre, in denen gegen Martin Graf wegen des Verdachts der Untreue ermittelt wurde. Zweifellos eine unzumutbare Dauer für Ermittlungen. Aber ist Graf deswegen ein Opfer der Justiz, das Ermittlungsverfahren eine „Justizposse“, wie „unzensuriert“ behauptet?
2009 erklärte der Rechtsanwalt von Martin Graf, der FPÖ-Abgeordnete Walter Rosenkranz, auf eine Frage der „Salzburger Nachrichten”, dass er das Verfahren nicht für eine Intrige halte: „Ich gehe davon aus, dass es keine Intrige war von Beginn an, zumindest nicht von der Justiz. Dass natürlich eine anonyme Anzeige den Beigeschmack der Intrige haben kann, ist wohl klar.” (SN, 14.2.2009)
Natürlich jammerte die FPÖ über die „Hexenjagd“ gegen Graf und forderte Präsidentin Prammer in einem Brief auf, sich „schützend“ vor alle Abgeordneten zu stellen. Ein Schutz, den der Dritte Präsident Graf einem Abgeordneten der Grünen, Harald Walser, nicht geben wollte. Die von ihm angekündigte Klage wegen übler Nachrede und Kreditschädigung gegen Walser wurde allerdings erwartungsgemäß vom Immunitätsausschuss abgestoppt.
In der Causa Seibersdorf gab es damals schon eine vernichtende Kritik des Rechnungshofes am Management und eine öffentliche Debatte über die blauen Umfärbungen. Dass wir jetzt nicht mehr über die Gründe der Einstellung des Verfahrens erfahren als die Standardformel („weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung besteht“), ist bedauerlich und gibt den Schwurblern von „unzensuriert“ den nötigen Humus für weitere Gschichterln: „Unzensuriert.at wird daher in mehreren Artikeln aufzeigen, wie die Politik, die Medien und die Justiz mit dem Menschen Martin Graf ins Gericht zogen.“
Wir haben Grund zur Annahme, dass dabei nicht zur Sprache kommen wird, wie der „Mensch“ Martin Graf, der nicht nur Dritter Präsident des Nationalrats, also ein Spitzenfunktionär der Republik, war, sondern auch Präsident des FC Hellas Kagran, im öffentlichen, aber auch im halbprivaten Bereich mit Klagen hantierte.
Ein ziemlich starkes Stück war jedenfalls auch Grafs Versuch im Mai 2012, die Ausstrahlung eines ORF-Report-Beitrags zur Causa Meschar per Gerichtsbeschluss zu verhindern. Er blitzte mit dieser Klage damals ebenso ab wie mit seinem Sicherungsantrag, dass der ORF die „Verbreitung der unwahren, ehrenbeleidigenden und kreditschädigenden Behauptung“ zur Causa Meschar unterlassen möge.
Die Klagen und gerichtlichen Auseinandersetzungen im halbprivaten Bereich des FC Hellas Kagran waren allerdings mindestens so heftig. Dort zeigte nämlich der „Mensch“ und Präsident Martin Graf beispielsweise, dass er, weil die Staatsanwaltschaft ein von Graf angestrengtes Strafverfahren gegen einen früheren Funktionär des FC Hellas Kagran einstellte, damit gar nicht zufrieden war, sondern die „Fortführung des Verfahrens“ verlangte, die allerdings ebenfalls abgelehnt wurde. Für den Beklagten, der vom Doppelpräsidenten des schweren Betrugs beschuldigt wurde, eine ziemlich belastende Angelegenheit. Ob „unzensuriert“ auch über diese und andere Hexenjagden des Ex-Präsidenten berichten wird?