Der WSL-Gründer Günther Schwab versuchte in dem heftigen Streit in der deutschen Sektion zu intervenieren und erklärte, dass „allen Funktionären des WSL bedingungslos untersagt werden muss, in der Öffentlichkeit mündlich oder schriftlich Erklärungen oder Bekenntnisse abzugeben, die als tendenziös, rassistisch, nationalistisch (chauvinistisch) oder parteipolitisch verstanden oder missverstanden werden können“.
Auch die Beschwörung von Schwab, „dass der WSL sich ein für allemal von den im Namen des Nationalsozialismus begangenen Unmenschlichkeiten und Verbrechen ausdrücklich und nachdrücklich distanziert“, konnte die neonazistische Entwicklung des deutschen WSL nicht mehr abbremsen und führte 1985 zum Ausschluss des deutschen WSL aus dem internationalen Dachverbands wegen rechtsextremer Tendenzen. Der deutsche WSL verlor in der Folge die meisten seiner Mitglieder und den Status der Gemeinnützigkeit und löste sich 2001 auf. Das mit dem WSL‑D über Werner Georg Haverbeck (+1999) und dessen Frau Ursula Haverbeck verbundene Collegium Humanum, eine neonazistische Lehrstätte für Holocaustleugner, wurde 2008 nach einer Verbotsforderung der Grünen, der Linksfraktion und des Zentralrates der Juden von den deutschen Behörden verboten und aufgelöst.
Der Versuch Schwabs, über seine Autorität das braune Treiben im WSL-Deutschland zu stoppen, war gescheitert und zweifellos eine seiner größten Niederlagen. Weder der zum Zeitpunkt des Ausschlusses schon 80-jährige Schwab noch der WSL-Österreich haben die Geschichte des WSL und seiner ideologischen Versatzstücke aufgearbeitet. Der österreichische WSL beschränkte sich in den Folgejahren weitgehend auf die Arbeit im Anti-Atom-Bereich. Schwab stand einer glaubhaften Distanzierung immer wieder selbst im Weg. Als er mit 90 Jahren das rassistische Interview im Eckartboten gab, war er seit 20 Jahren nicht mehr Präsident des WSL- Österreich Das Schwab- Projekt eines “Welt”bundes zum Schutz des Lebens ist über den Auseinandersetzungen zerfallen.
Was hat nun die Entwicklung des deutschen WSL mit dem WSL‑Ö und dem massiven Vorwurf an Landesrat Rudi Anschober und den Grünen zu tun? Der WSL‑Ö hat vor über 25 Jahren einen klaren Trennstrich zum WSL‑D gezogen, hat es aber verabsäumt, seine eigene Geschichte aufzuarbeiten. Auch hat das Dokumentationsarchiv (DÖW) in seiner Analyse des WSL‑Ö klar in seiner Zusammenfassung herausgearbeitet:
Die oben angeführte Kritik am WSL‑Ö als eine Organisation, die dem Vorfeld des Rechtsextremismus zuzuzählen ist, hatte zwischen 1960 und 1986 (Hervorhebung SDR) ihre Berechtigung. Ab Mitte der 1980er Jahre lassen sich keine Anhaltspunkte für eine derartige Verortung mehr finden. Auch die Analyse des dem DÖW im Frühjahr 2010 übermittelten Materials (aus dem Landesarchiv OÖ) ergab keine neuen Anhaltspunkte für eine Charakterisierung des WSL‑Ö als rechtsextrem oder als dem Vorfeld des Rechtsextremismus zugehörig. Seit den frühen 1990er Jahren hat der WSL‑Ö zudem keine wahrnehmbaren Aktivitäten (auch publizistischer Natur) mehr gesetzt, vielmehr handelt es sich nach den Worten Schwabs seit damals um einen „wenig bedeutenden Verein“1 . Diese Bedeutungslosigkeit erschwert eine politische Verortung. (DÖW, Der WSL‑Ö und sein Verhältnis zum Rechtsextremismus)
Wegen der oben angeführten Fakten (Aus-und Übertritte von deutschen WSL-Mitgliedern, der Distanzierungserklärung von Schwab bzw. Ausschluss des WSL-Deutschland wegen Rechtsextremismus) ist die Verknüpfung, die der Verein „Antiatom-Szene“ vornimmt, unredlich: Vom deutschen WSL führt keine direkte Verbindung zum WSL‑Ö, erst recht nicht zu Rudi Anschober.
Die Versuche, den Grünen Landesrat anzupatzen, kennen offensichtlich keine Grenzen, nicht einmal die des Strafrechts. In einem Mail an die Grünen begründet die Gruppe „Resistance for Peace“ die Forderung nach sofortigem Parteiausschluss von Anschober so: „Zum wiederholten male werdet ihr informiert, dass Rudi Anschober mit Holocaustleugnern dienstlich Kontakte hält und zusammenarbeitet. Die Fakten betreffend Witzany /WSL, Atomstopp OÖ sind klar belegbar und nicht schönzureden.“
Damit wird nicht nur Rudi Anschober ein „dienstlicher Kontakt“ zu Holocaustleugnern unterstellt, sondern über die assoziative Kette Collegium Humanum – WSL Deutschland – WSL Österreich auch dessen Obmann Friedrich Witzany zum Holocaustleugner erklärt!
Witzany, der seit 1972/73 Mitglied des WSL‑Ö ist, ist derzeit Präsident des kaum öffentlichen Vereins in Österreich. Er hat in den späten 1970er- und frühen 80er-Jahren tatsächlich Texte in der rechtsextremen Zeitung Fanale der Zeit publiziert. Das DÖW stellt dazu fest, dass „zumindest die im DÖW aufliegenden Exemplare dieser Zeitschrift (…) jedoch keine Texte Witzanys (enthalten), die als rechtsextrem zu qualifizieren wären“.
Einen Auftritt 1986 beim „Dichterstein“ des 1998 wegen neonazistischer Umtriebe behördlich aufgelösten Vereins Dichterstein Offenhausen bezeichnete Witzany später als Fehler und Dummheit. Witzany trug damals das Referat eines anderen WSL-Funktionärs vor, das „keinen rechtsextremen Charakter aufwies“ (DÖW). Klar geht aus der Stellungnahme des DÖW hervor, dass sich seit Mitte der 80iger Jahre, also seit dem Referat beim Dichterstein Offenhausen, keine Anhaltspunkte für eine Charakterisierung des WSL Österreich als rechtsextrem oder als dem Vorfeld des Rechtsextremismus zugehörig ergeben haben. Seit den frühen 1990iger-Jahren hat der WSL- Österreich zudem keine wahrnehmbaren Aktivitäten (auch publizistischer Art) mehr gesetzt.
Wie einige andere auch war Witzany politisch in der Umgebung der VGÖ (Vereinte Grüne Österreichs) gelandet. Die österreichische Anti-Atomszene der 1970er-Jahre war in ihrer politischen Zusammensetzung äußerst heterogen und umfasste von den maoistischen bis hin zu konservativen und rechten lebensschützerischen Gruppierungen ein breites Spektrum. Nach dem Erfolg der Volksabstimmung über das AKW Zwentendorf begannen die ersten Parteibildungsprozesse, die sich aus der heterogenen Umweltschutzszene, der Friedensbewegung und weiteren alternative Szenen speiste. Die VGÖ war die rechte Alternative zur Alternativen Liste Österreichs.
In einigen Bundesländern gab es in den Anfängen der Grünen gemeinsame Kandidaturen von ALÖ und VGÖ, die aufgrund politischer Differenzen zumeist rasch wieder zerfielen. Die politische Gruppierung VGÖ konnte noch einen Mandatar auf der Nationalratsliste der Grünen im Jahr 1986 unterbringen, der aber nach einigen Konflikten aus dem Grünen Klub ausgeschlossen wurde (Josef Buchner war aber sicher kein Rechtsextremer). Das war im Wesentlichen auch das Ende der VGÖ, die später noch als Bürgerliche Grüne Österreichs (BGÖ) zu reüssieren versuchten. Einige Aktivisten wie etwa Witzany, die die VGÖ mitgetragen hatten, landeten bei den Grünen.
Der Vorwurf, der Witzany und dem Rest des WSL‑Ö heute gemacht werden muss, sind nicht die früheren Kontakte oder ein Referat vor 25 Jahren (an dem auch das DÖW nichts Rechtsextremes gefunden hat), sondern die fehlende Bereitschaft (oder ist es Erschöpfung?) des WSL‑Ö, sich mit seiner Geschichte auseinanderzusetzen. Vermutlich würde aber nicht einmal das an den diffamierenden Vorwürfen gegen Witzany und Rudi Anschober etwas ändern.
➡️ Teil 1: Der Weltbund zum Schutz des Lebens (WSL) und seine Geschichte