Ebensee (OÖ): Spuren zu FPÖ und Neonazis

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Am Mitt­woch, 1.12., wird in Wels der Wie­der­be­tä­ti­gungs­pro­zess wegen der Vor­fäl­le rund um die Befrei­ungs­fei­ern 2009 im KZ Eben­see fort­ge­führt und ver­mut­lich abge­schlos­sen. Zwei der Jugend­li­chen bekann­ten sich zum Pro­zess­auf­takt schul­dig, zwei nicht. Zumin­dest einer der ange­klag­ten Jugend­li­chen hat bes­te Bezie­hun­gen zur Neonazi-Szene.

Eben­see Anfang Mai 2009: Vier Jugend­li­che atta­ckie­ren fran­zö­si­sche und ita­lie­ni­sche Anti­fa­schis­tIn­nen, unter ihnen auch ehe­ma­li­ge Häft­lin­ge des KZ Eben­see wäh­rend der Befrei­ungs­fei­ern im KZ Eben­see, schie­ßen mit dem Soft­gun-Nach­bau eines Sturm­ge­weh­res auf die Anti­fa­schis­tIn­nen und schrei­en Nazi-Parolen.

Die ers­ten Reaktionen

Der Vor­fall wird inter­na­tio­nal beach­tet, die poli­ti­schen Reak­tio­nen sind – abge­se­hen von Bun­des­mi­nis­te­rin Fek­ter und der FPÖ – ein­deu­tig: Betrof­fen­heit, Ableh­nung, Empö­rung. Fek­ter hat­te zunächst vom gegen­sei­ti­gen Auf­schau­keln von Rechts- und Links­extre­men gespro­chen, sich aber danach für den miss­ver­ständ­li­chen Ver­gleich, den sie nicht auf die Eben­seer Vor­fäl­le gedeu­tet haben woll­te, ent­schul­digt. Sie kün­dig­te an, die rechts­extre­me Sze­ne vom Ver­fas­sungs­schutz prü­fen zu lassen.

Heinz-Chris­ti­an Stra­che sprach von einem „Laus­bu­ben­streich“, für den die Jugend­li­chen an den Ohren gezo­gen gehö­ren, „viel­leicht ein­mal eine gesun­de Tach­tel gege­ben (…), aber doch bit­te nicht wochen­lang in U‑Haft genom­men“.

Mar­tin Graf war der Mei­nung, dass es sich ent­we­der um Laus­bu­ben oder um Agents Pro­vo­ca­teurs han­deln müs­se, lehnt aber eine Aus­wei­tung Poli­ti­scher Bil­dung an den Schu­len kate­go­risch ab. Als die Jugend­li­chen aus­ge­forscht wer­den und dabei bekannt wird, dass einer der Ver­däch­ti­gen bei den Roten Fal­ken aktiv war, spricht die FPÖ von „lin­ken Nazis“ als den Tätern. Auch die Alpen-Donau-Nazis spre­chen von lin­ken Pro­vo­ka­teu­ren – dabei wuss­ten sie es zu die­sem Zeit­punkt schon bes­ser. Die Eben­seer reagie­ren mit einer gro­ßen Kund­ge­bung am 24.5. 2009 auf die neo­na­zis­ti­schen Provokationen.

Einer der ver­haf­te­ten Jugend­li­chen ent­schul­digt sich über einen Brief an das Maut­hau­sen-Komi­tee bei den Teil­neh­me­rIn­nen der Befrei­ungs­fei­ern: „Ich kann gut ver­ste­hen, dass sie (die offen­sicht­lich von Gescho­ßen getrof­fe­nen Per­so­nen, Anm.) sich sehr auf­re­gen und geär­gert haben, wenn ich mir über­le­ge, dass sie selbst von den Ereig­nis­sen in Eben­see betrof­fen waren oder Vater oder Opa ver­lo­ren haben.”

Die brau­ne Spur

Die Unter­su­chun­gen der Exe­ku­ti­ve füh­ren zur Ver­haf­tung eines wei­te­ren Jugend­li­chen (Nr. 5), der sich voll gestän­dig zeigt. In den Stol­len-Anla­gen des KZ Eben­see waren nicht nur die vier ursprüng­lich ver­haf­te­ten Jugend­li­chen anwe­send, son­dern noch wei­te­re sechs Jugend­li­che, die wie­der ver­schwan­den, „als sie merk­ten, was da abging” (APA, 24.9.2010). Das Maut­hau­sen-Komi­tee for­dert eine genaue­re Ana­ly­se des Umfelds der Jugend­li­chen ein – eine For­de­rung, die lei­der unge­hört verhallt.

Die Poli­zei ermit­telt und fin­det bei den Tat­ver­däch­ti­gen – wie ers­te Pro­zess­tag am 24. Sep­tem­ber klar­macht – auch Indi­zi­en: Eine „Heil Hit­ler“-SMS und NS-Musik am Han­dy, ein­schlä­gi­ge Bil­der am Lap­top. Wir haben auch etwas gefun­den: Zumin­dest einer der Beschul­dig­ten, P.W., ist bes­tens ver­netzt mit der Neo­na­zi-Sze­ne. Die Kame­ra­den und eine Kame­ra­din des Neo­na­zi-Treffs Objekt 21 in Des­sel­brunn gehö­ren zu sei­nem Freun­des­kreis, auch ande­re Nazis aus der nähe­ren Umge­bung von Eben­see. Jür­gen Wind­ho­fer, der bis zu sei­ner Haft­stra­fe im Objekt 21 umtrie­bi­ge Neo­na­zi, war eben­falls vor­her in Eben­see umtrie­big und hat­te von dort sei­nen „Kampf­ver­band Ober­do­nau“ organisiert.

Nor­man Bord­in, ein Schwer­ge­wicht der bay­ri­schen Neo­na­zi-Sze­ne mit einem hef­ti­gen Vor­stra­fen­re­gis­ter, der vor allem mit der ober­ös­ter­rei­chi­schen Neo­na­zi-Sze­ne gut ver­bun­den ist, taucht unter den Kon­tak­ten von P.W. auf, auch die FPÖ Trais­kir­chen, „27 % für Blau! Wir las­sen uns von der Regie­rung nicht aus­gren­zen!“ und „Aus­län­der für Stra­che“. In sei­nem Face­book-Pro­fil gibt P.W. als poli­ti­sche Ein­stel­lung FPÖ an. Unter reli­giö­se Ansich­ten ver­merkt er: „Ich zah­le nicht für Kin­der­schän­der!!” Über den Pro­zess­tag am 1.12. schreibt er: „will das dea Mor­gi­ge Tag sea schnell vageht… =( .” Nach dem ers­ten Pro­zess­tag ver­merk­te er: „Oiida de scheiss wix­xa vo da pres­se de hund schreibn so an scheiss ind zei­tung eine des is ah wahnsinn!!
soin oaf­och moi de goschn hoidn und de woa­heit eine schreibn und nd so an bledsinn!!”

Bei den ande­ren Ange­klag­ten las­sen sich zwar deut­lich rech­te, aber kei­ne aus­ge­prägt neo­na­zis­ti­schen Kon­tak­te und Vor­lie­ben aus­ma­chen: Sie voten auf Face­book für HC Stra­che, „Ja zu Öster­reich ohne Mina­ret­te” und ähnlichem.

Den­noch: Der als Anfüh­rer der Akti­on iden­ti­fi­zier­te Ange­klag­te (es ist nicht P.W.) ist der auf dem ein­zi­gen Foto von der Pro­vo­ka­ti­on abge­bil­de­te Jugend­li­che, der mit einer Sturm­hau­be und im Stech­schritt durch den Stol­len para­dier­te, mit einer Soft­gun bewaff­net. Er hat die Hand zum Hit­ler­gruß geho­ben und Paro­len wie „Heil Hit­ler“, „Sieg Heil, ihr Schwei­ne” und „Blood and Honour“ geru­fen. Die übri­gen Ange­klag­ten haben offen­sicht­lich auch Nazi­pa­ro­len geru­fen und eben­falls mit Soft­guns bzw. einer CO2-Waf­fe auf Besu­cher geschos­sen. Es braucht offen­sicht­lich nicht viel, damit sich Jugend­li­che, deren Grund­stim­mung dumpf rechts ist, zu der­ar­ti­gen Pro­vo­ka­tio­nen und Straf­ta­ten hin­rei­ßen lassen.

Kon­se­quen­zen?

Das Gericht in Wels hat eine schwie­ri­ge Auf­ga­be. Einer­seits, weil das Ereig­nis (die Straf­tat), ein tät­li­cher Angriff auf ehe­ma­li­ge KZ-Insas­sen durch Jugend­li­che, schon für sich genom­men alle Dimen­sio­nen sprengt. Ande­rer­seits, weil die Atta­cke von Eben­see ein­ge­bet­tet ist in die Her­aus­bil­dung einer neo­na­zis­ti­schen Sze­ne in Ober­ös­ter­reich, die im Früh­jahr 2009 durch eine Rei­he von Vor­fäl­len deut­lich gewor­den ist: ein Nazi-Skin-Kon­zert in Grün­au, der Pro­zess gegen den Kampf­ver­band Ober­do­nau (Jür­gen Wind­ho­fer), die Eta­blie­rung von Objekt 21 in Des­sel­brunn, die Schmier­ak­ti­on in Vöck­la­markt usw.

Da ist mehr not­wen­dig als ein Rich­ter­spruch. Die Poli­tik, die in der ers­ten Empö­rung und Betrof­fen­heit Schrit­te ange­kün­digt hat, muss sich end­lich jen­seits straf­recht­li­cher Ver­fol­gung mit dem The­ma ernst­haft auseinandersetzen!

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