Politik gegen die Menschen IV: FPÖ für Lohn- und Sozialdumping

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Vom „Sai­son­niers­mo­dell“ zur Ableh­nung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes.

„Die­ses gesteu­er­te und poli­tisch erwünsch­te Lohn­dum­ping wol­len wir nicht, und dage­gen ver­wah­ren wir uns!“, schmet­ter­te Bar­ba­ra Rosen­kranz im April 2007 ins Ple­num des Natio­nal­rats. Und als im April 2011 im öster­rei­chi­schen Natio­nal­rat Bestim­mun­gen gegen Lohn- und Sozi­al­dum­ping beschlos­sen wur­den, mein­te FPÖ-Klub­ob­mann Stra­che auch noch: „Ich den­ke, wir brau­chen Schutz­maß­nah­men gegen gewis­se Bedro­hun­gen unse­res hei­mi­schen Arbeits­mark­tes durch bil­li­ge Arbeits­kräf­te, und die­se Schutz­maß­nah­men sind ein­fach nicht da.“

Umso über­ra­schen­der kam dann in der Fol­ge, dass die angeb­li­che „sozia­le Hei­mat­par­tei“ FPÖ den Maß­nah­men gegen Lohn- und Sozi­al­dum­ping die Zustim­mung ver­wei­ger­te. Einem Gesetz, das zwar sei­ne Schwä­chen hat, aber immer­hin einen ent­schei­den­den Fort­schritt gegen­über der Ver­gan­gen­heit dar­stellt: Erst­mals gibt es eine Behör­de, die über­prüft, ob die tat­säch­lich bezahl­ten Löh­ne auch den gesetz­li­chen Bestim­mun­gen entsprechen.

Aber wahr­schein­lich ist das gar nicht so über­ra­schend. Abseits der Pla­kat­wer­bung vor Wah­len betreibt die FPÖ näm­lich bereits seit Jah­ren eine Poli­tik der För­de­rung von Lohn- und Sozi­al­dum­ping: Kei­ne ande­re öster­rei­chi­sche Par­tei hat die For­de­rung nach Schaf­fung und den Aus­bau des Son­der­sta­tus „Sai­son­nier“ der­art inten­siv betrie­ben wie die FPÖ. Eines Modells, bei dem Arbeits­kräf­te weni­ger Mög­lich­kei­ten und Rech­te haben als sonst im Arbeits- und Sozi­al­recht vorgesehen.

Schon im Jahr 1996 ver­lang­te der dama­li­ge Wirt­schafts­spre­cher der FPÖ, Prinz­horn, die Schaf­fung eines „Sai­son­niers­mo­dells“. Ein gro­ßer Vor­teil, so Prinz­horn damals: „Sai­son­niers sind nur kran­ken- und unfall­ver­si­chert; es müs­sen daher kei­ne Bei­trä­ge zur Arbeits­lo­sen- und Pen­si­ons­ver­si­che­rung sowie zum Fami­li­en­las­ten­aus­gleichs­fonds bezahlt werden.“

In den Fol­ge­jah­ren for­der­te die FPÖ wie­der­holt die Schaf­fung eines Sai­son­niers­mo­dells und ver­knüpf­te die­se For­de­rung mit Ver­schär­fun­gen des Frem­den­rechts, etwa einem „sofortige(n) Bewil­li­gungs­stopp für die Zulas­sung neu­er tür­ki­scher Arbeit­neh­mer auf den inlän­di­schen Arbeits­markt“ und „keine(n) wei­te­ren Bewil­li­gun­gen nach dem Auf­ent­halts­ge­setz“.

Die FPÖ for­der­te also, dass nur jene Aus­län­de­rIn­nen in Öster­reich arbei­ten soll­ten, für die deut­lich weni­ger Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge und kei­ne Bei­trä­ge zum Fami­li­en­las­ten­aus­gleichs­fonds (aus dem etwa Kin­der­be­treu­ungs­geld und Fami­li­en­bei­hil­fe bezahlt wer­den) zu ent­rich­ten seien.

Der FPÖ ging es somit gar nicht um den Schutz öster­rei­chi­scher Arbeit­neh­me­rIn­nen oder um die Ver­hin­de­rung von Lohn­dum­ping, son­dern dar­um, aus­län­di­sche Arbeits­kräf­te mit weni­ger Schutz und Rech­ten aus­zu­stat­ten und für Unter­neh­men bil­li­ger zu machen; also um gesetz­lich gere­gel­tes und legi­ti­mier­tes Lohn­dum­ping. Und sie war erfolg­reich: Im Jahr 2002 führ­te die damals blau-schwar­ze Regie­rungs­ko­ali­ti­on tat­säch­lich eine Sai­son­niers­re­ge­lung ein, die betrof­fe­ne Arbeit­neh­me­rIn­nen weit­ge­hend ent­rech­te­te und zumin­dest zum Teil für Arbeit­ge­be­rIn­nen „ver­bil­lig­te“ (§ 5 Aus­län­der­be­schäf­ti­gungs­ge­setz). In der Fol­ge wur­de Jahr für Jahr zwi­schen 65.000 und 70.000 Mal die Bewil­li­gung erteilt, Men­schen unter wesent­lich schlech­te­ren Bedin­gun­gen zu beschäf­ti­gen als „nor­ma­le“ Beschäftigte.

Als Sai­son­niers beschäf­tig­te Per­so­nen sind gleich mehr­fach gegen­über ande­ren benach­tei­ligt: Sie sind auto­ma­tisch nur befris­tet beschäf­tigt und haben daher kaum die Mög­lich­keit, sich gegen schlech­te Arbeits­be­din­gun­gen oder zu nied­ri­ge Löh­ne zur Wehr zu set­zen. Und sie müs­sen Steu­ern und Bei­trä­ge für Leis­tun­gen abfüh­ren, die sie nicht in Anspruch neh­men kön­nen. Sai­son­niers im Tou­ris­mus etwa müs­sen zwar Arbeits­lo­sen­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge ent­rich­ten, kön­nen aber kein Arbeits­lo­sen­geld in Anspruch neh­men, da sie nach spä­tes­tens neun Mona­ten auto­ma­tisch das Recht, in Öster­reich zu arbei­ten, ver­lie­ren und somit die Grund­be­din­gun­gen für das Arbeits­lo­sen­geld, näm­lich dem Arbeits­markt zur Ver­fü­gung zu ste­hen, nicht erfül­len dür­fen. Ein Miss­stand, der sich in allen Berei­chen des Sozi­al­rechts fortsetzt.

Für die gro­ße Zahl der Ern­te­hel­fe­rIn­nen wer­den gleich gar kei­ne Pen­si­ons­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge oder Bei­trä­ge zum Fami­li­en­las­ten­aus­gleichs­fonds in Rech­nung gestellt. Sie kom­men Betrie­ben also auch noch deut­lich bil­li­ger als ande­re Men­schen. Es gibt somit für Unter­neh­men gute Grün­de, eher auf Sai­son­niers zu set­zen, als „nor­ma­le“ Arbeits­plät­ze zu schaf­fen: Sai­son­niers müs­sen alle Arbeits­be­din­gun­gen akzep­tie­ren, wer­den nicht ver­tre­ten und sind so schnell wie­der außer Lan­des, dass sie etwa­ige Ver­fah­ren um ihre Ansprü­che gar nicht füh­ren können.

Kein Wun­der also, dass Ern­te­hel­fe­rIn­nen in Öster­reich laut Kol­lek­tiv­ver­trag gera­de ein­mal den skan­da­lö­sen Hun­ger­lohn von € 6,18 in der Stun­de bekom­men, sofern sie ihn über­haupt bekom­men. Denn die Mehr­heit der Arbeits­ver­hält­nis­se stel­len in der Pra­xis auf eine Art Akkord­lohn ab, bei dem etwa Löh­ne pro abge­ern­te­ten Qua­drat­me­tern oder pro geern­te­ten Kilo­gramm bezahlt wer­den. Damit ist auch die Ein­hal­tung des Kol­lek­tiv­ver­trags, der Arbeits­zei­ten und der Ruhe­pau­sen etc. unüberprüfbar.

Bei den Sai­son­niers kommt alles zusam­men, was die Durch­set­zung von Arbeits­rech­ten, höhe­ren Löh­nen und bes­se­ren Arbeits­be­din­gun­gen sowie der Beach­tung gesetz­li­cher Bestim­mun­gen erschwert: kur­ze Beschäf­ti­gungs­dau­er, kei­ne Job­si­cher­heit, kei­ne Kennt­nis der Rechts­la­ge, wenig Orts­kennt­nis und kaum sozia­le Kon­tak­te, kei­ne Ver­tre­tung im Land, schlech­te recht­li­che Posi­ti­on ver­bun­den oft auch mit schlech­ten Sprach­kennt­nis­sen. Mit der Sai­son­niers­re­ge­lung in Öster­reich wur­den extrem unge­si­cher­te Arbeits­ver­hält­nis­se geschaf­fen, die Unter­neh­men dazu ver­lei­ten, sich Bil­ligst­ar­beits­skla­vIn­nen zu besor­gen, statt hier leben­den Men­schen gute und gerech­te Löh­ne für gute Arbeit zu bezahlen.

Zurück zur FPÖ: Die Pro­ble­me mit Sai­son­niers­mo­del­len waren selbst­ver­ständ­lich schon lan­ge vor deren Ein­füh­rung in Öster­reich unter Blau-Schwarz bekannt. Auch wenn grund­sätz­lich denk­bar ist, dass es FPÖ-Poli­ti­ker schlicht intel­lek­tu­ell über­for­dert, die­se zu erken­nen, muss d ennoch davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass die FPÖ mit ihrer For­de­rung genau das errei­chen woll­te: Dass „Aus­län­de­rIn­nen“ in Öster­reich ent­rech­tet und nach Mög­lich­keit für Unter­neh­men bil­li­ger wer­den. Nun… Ziel erreicht. Die FPÖ darf sich auf die Fah­ne hef­ten, die­se Form des Lohn- und Sozi­al­dum­pings in Öster­reich durch­ge­setzt zu haben.

Damit ist aber auch irgend­wie klar, war­um die FPÖ gegen die Bekämp­fung von Lohn- und Sozi­al­dum­ping ist: Für die Lohn- und Sozi­al­dum­ping-För­de­rungs-Par­tei FPÖ muss es wohl schreck­lich sein, wenn alle Arbei­ten­den unab­hän­gig ihrer Staats­bür­ger­schaft oder Her­kunft geschützt sind.

➡️ Serie (11 Tei­le): FPÖ: Poli­tik gegen Menschen