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Der Breivik aus Traun (Teil 1)

In Traun (OÖ) hat am 22. Juli 2011, also an dem Tag, an dem Brei­vik in Oslo und Utøya mor­de­te, der 48-jäh­ri­­ge Johann Neu­mül­ler in Traun (OÖ) mit einem Klein­ka­li­ber­ge­wehr einen Rumä­nen (65) kalt­blü­tig erschos­sen und des­sen Ehe­frau und Sohn lebens­ge­fähr­lich ver­letzt. Als sich der mut­maß­li­che Täter in der Vor­wo­che in sei­ner Zel­le in der Untersuchungshaft […]

4. Nov 2011

Johann Neu­mül­ler ist der vier­te Mord­ver­däch­ti­ge inner­halb von zwei Jah­ren, der in einer ober­ös­ter­rei­chi­schen Straf­an­stalt Selbst­mord began­gen hat. Aber das ist eine ande­re Geschich­te. Neu­mül­ler hat am 22.Juli kurz vor 22 Uhr ohne Vor­war­nung auf eine rumä­ni­sche Fami­lie geschos­sen. Die Fami­lie besuch­te Ver­wand­te in dem Mehr­par­tei­en­haus, in dem auch Neu­mül­ler leb­te. Als sich die Fami­lie auf den Heim­weg mach­te, feu­er­te Neu­mül­ler mit sei­nem Klein­ka­li­ber­ge­wehr los. Der 65-jäh­ri­ge Alec­san­dr H. starb noch am Tat­ort, sei­ne Frau Olga (63) und der Sohn Adri­an (37) wur­den durch die Schüs­se schwer ver­letzt. Adri­an konn­te zwar dem Täter die Waf­fe ent­rei­ßen und zu sei­nem Auto flüch­ten, der Täter ver­folg­te ihn aber und ramm­te ihm noch ein Mes­ser in den Bauch. Danach ließ er sich wider­stands­los fest­neh­men, berich­te­ten die Medi­en damals.

Zu sei­nem Ver­mie­ter sag­te Neu­mül­ler nach sei­ner Fest­nah­me noch: Ent­schul­di­gen Sie, das habe ich machen müs­sen.“ (Kurier, 24.7.2011) Die öffent­li­che Suche nach Moti­ven für die Blut­tat war im Juli sehr kurz. Obwohl er bei der Tat nicht alko­ho­li­siert war, wur­den Alko­hol, Bezie­hungs­pro­ble­me und Depres­sio­nen als Aus­lö­ser der Tat ver­mu­tet. Auch ein fünf Jah­re zurück­lie­gen­der Streit wur­de als Motiv vermutet.

Jetzt, nach dem Sui­zid von Neu­mül­ler, gibt es ande­re Fak­ten: „Es war ein aus­schließ­lich extrem frem­den­feind­li­ches Motiv. Es ging nicht um irgend­ei­nen Streit um ein Moped“, erzähl­ten Mit­ar­bei­ter der Kri­mi­nal­po­li­zei den OÖN (28.10.2011). Neu­mül­ler woll­te Öster­reich „von Aus­län­dern befrei­en“ und hat­te sich dafür mit dem Klein­ka­li­ber­ge­wehr, acht Reser­ve­ma­ga­zi­nen und einem Mes­ser gerüs­tet. Der Plan schei­ter­te, so die Kri­po, an der inef­fi­zi­en­ten Bewaff­nung: „Unse­re Recher­chen haben erge­ben, dass der Mann weit mehr Men­schen töten woll­te, als er dann tat­säch­lich geschafft hat.“

Neu­mül­ler hat­te für sei­ne Mord­op­fer auch schon selbst beschrie­be­ne Schil­der mit der Auf­schrift, Ich kann nicht mehr Autos steh­len oder ein­bre­chen!“, vor­be­rei­tet. In der Unter­su­chungs­haft hoff­te er, „dass ihn auf­rech­te Öster­rei­cher aus dem Gefäng­nis in Linz mit Waf­fen­ge­walt befrei­en wer­den, weil er qua­si der Ret­ter des Lan­des vor den Aus­län­dern ist“, zitie­ren die OÖN die Kriminalisten.

Neu­mül­ler, der vor Jah­ren als Berufs­sol­dat im Rah­men der KFOR tätig war, war offen­sicht­lich in den letz­ten Jah­ren nur mehr als Gele­gen­heits­ar­bei­ter tätig. Sei­ne Zurech­nungs­fä­hig­keit soll­te durch ein Gut­ach­ten geklärt wer­den, doch Neu­mül­ler erhäng­te sich noch vor Abschluss der Unter­su­chung mit einem Gür­tel. Ent­ge­gen ers­ten Mel­dun­gen, wonach der mut­maß­li­che Mör­der einen Abschieds­brief hin­ter­las­sen haben soll, gibt es „nur“ Dut­zen­de Schrei­ben mit aus­län­der­feind­li­chen „und ande­ren wir­ren Inhal­ten“ (OÖN, 29.10.2011). Neu­mül­ler hat­te auch gehofft, dass sich durch sei­ne Tat „vie­le gleich­ge­sinn­te Öster­rei­cher gegen die Aus­län­der im Land erhe­ben wer­den“ (OÖN, 29.10.2011).

Nach Aus­sa­gen der Kri­po wuss­te Neu­mül­ler bei sei­nen ers­ten Ein­ver­nah­men nicht, dass weni­ge Stun­den vor ihm Anders Beh­ring Brei­vik in Oslo 77 Men­schen ermor­det hat­te: Es war bloß ein zeit­li­cher Zufall“ (OÖN, 28.10.2011). Die Par­al­le­len sind erschre­ckend. Der glei­che Tag, das glei­che Motiv, die glei­che Hoff­nung auf Nach­ah­mer. Die Unter­schie­de? Neu­mül­ler hat­te eine für sei­ne Mord­plä­ne „inef­fi­zi­en­te Bewaff­nung“ – ein Klein­ka­li­ber­ge­wehr. Und: Der Atten­tä­ter hat­te im Wind­schat­ten von Brei­vik geschos­sen. Die Auf­merk­sam­keit der Öffent­lich­keit rich­te­te sich auf Brei­vik, das Atten­tat von Traun wur­de unter der Rubrik Nach­bar­schaft­streit mit töd­li­chem Aus­gang abgelegt.

Die Neo­na­zis haben das Trau­ner Atten­tat und den Täter jeden­falls mit Sym­pa­thie regis­triert und stam­meln in einem ein­schlä­gi­gen Forum:

„Der Täter ist ein Öster­rei­cher, aber durch­aus nach­voll­zieh­bar, weil wenn einer von euch schon ein­mal in Traun gewe­sen ist, ver­steht er, dass kein Öster­rei­cher dort ger­ne woh­nen möch­te, weil sich Aus­län­der, aus­län­di­sche Geschäf­te und Kri­mi­na­li­tät dort ein­ge­nis­tet haben. Als Öster­rei­cher bist du dort in der Minderheit.
Immer mehr Öster­rei­cher wachen aus ihrem Tief­schalf (!)auf und weh­ren sich (!) der Unterwanderung!“

Der Brei­vik aus Traun (Teil 2)

Quel­len: OÖN, 28.10.2011. OÖN, 29.10.2011, OÖN: Amok­schüt­ze aus Frem­den­hass hin­ter­ließ kei­nen Abschiedsbrief