Burschenschafter ohne Lebensbund
Bis 2015 war die kleine rechtsextreme Welt in Österreich noch weitgehend heil. Jedenfalls bei der rechtsextremen Burschenschaft Olympia. Martin Sellner, Alexander Markovics und Richard S., der nun im Jänner in der Ukraine gefallen ist, waren noch gemeinsam rechtsextreme Olympen. Sellner und Markovics waren auch die leading figures der Identitären Bewegung Österreichs (IBÖ). 2015 wurde Markovics bei der IBÖ degradiert und zum Leiter einer Theorie-Arbeitsgruppe herabgestuft. Sellner und Richard S. verließen die Olympia und traten bei der (ebenfalls deutschnationalen) Sängerschaft Barden Wien ein, Markovics blieb Olympe, verließ die Identitären und verdingte sich später dann als Sekretär des prorussischen Suworow-Instituts und als Dugin-Interpret.

Jetzt, nach dem Tod seines früheren Bundesbruders Richard, veröffentlichte Markovics ein Foto S. mit dem Kommentar: „Wohin CIA-Nationalismus, eine instabile Persönlichkeit und Hass auf Russland führen“ Dazu erhielt er unter anderem folgende Antworten:
„Er hat mehr geleistet als du in mehreren Leben leisten könntest“
„Widerwärtiger Kommentar“
„anstand ist ein rares gut dieser tage“
Markovics trat seinem toten Kameraden aus vergangenen Tagen noch einmal nach: „Der Typ war psychisch labil und hat sich von seinen Faschistenfreunden zum Kanonenfutter von Blackrock, Soros und Zelensky machen lassen. Des is ka Leistung, auch wenns tragisch ist.“

Martin Sellner nahm etwas vornehmer, dennoch distanziert von seinem langjährigen Kameraden Abschied:
Vor einigen Tagen ist einer meiner ältesten Freunde und Mitstreiter viel zu früh, mit 30 Jahren, von uns gegangen. Er hat seine eigenen Entschlüsse gefasst, einen anderen Pfad gewählt, wodurch sich unsere Wege trennten. Diesen Entschlüssen ist er bis in den Tod treu geblieben und davor habe ich tiefen Respekt.
Was Sellner nicht dazusagt: Der „andere Pfad“, den Richard S. gewählt hat, führte ihn nicht nur in die Ukraine, sondern in die neonazistische Richtung. Während nämlich die Identitären so wie ihre Verbündeten AfD und FPÖ mehr oder minder deutlich Putins Eroberungskrieg unterstützen bzw. rechtfertigen, haben sich die Neonazis auf die Seite der Ukraine geschlagen – und das nicht erst seit dem Überfall 2022.
Schon zuvor hatte vor allem die deutsche Neonazi-Kleinstpartei „Der III. Weg“ enge Verbindungen zu ukrainischen Rechtsextremen und Neonazis, vor allem zum Asow-Regiment und dessen politischen Arm, der Partei „Nationales Korps“, gepflegt.
Söldner „Ben Laden“ aus dem Klein-Walsertal
Der erste Österreicher, der bereits 2014 in die Ukraine gezogen war, um dort als Freiwilliger bei einer Miliz des „Rechten Sektor“ anzuheuern, war der damals 22-jährigen Benjamin F. aus dem Klein-Walsertal in Vorarlberg. Nach vier Jahren beim Jägerbataillon 18 versuchte er es zunächst bei der französischen Fremdenlegion, wurde dort abgewiesen und wechselte dann in die Ukraine. Wie verfestigt damals seine rechte Gesinnung war, geht auch aus den späteren Medienberichten nicht hervor. Sein erster Einsatz an der Front verlief für ihn offensichtlich enttäuschend, F. zog weiter in den Irak und nach Syrien, um auf der kurdischen Seite gegen den Islamischen Staat zu kämpfen.
Auch dort hielt es ihn nicht lange. Nach seiner Rückkehr nach Europa überredeten ihn angeblich zwei frühere Kameraden aus dem Jägerbataillon zu einem weiteren Einsatz in der Ukraine – wieder bei einer Einheit des „Rechten Sektor“. Dort hat Benjamin F. von seinen Kameraden den Spitznamen „Ben Laden“ erhalten. 2017 wird er nach einem Fronturlaub in Polen aufgrund eines Europäischen Haftbefehls, den Österreichs Justiz veranlasst hatte, verhaftet. Er soll gemeinsam mit anderen einen zivilen Ukrainer, den sie für einen russischen Spion hielten, tagelang in einer Duschkabine eingesperrt und gefoltert haben:
Ein „Kamerad“ des Angeklagten schlägt mit einem, mit Steinen gefüllten Socken auf das Opfer ein. Die späteren MRT-Untersuchungen ergeben: Die Wirbelsäule ist an drei Stellen gebrochen, zwei Zähne wurden ausgeschlagen und Bein und Kniescheibe sind verletzt. Die Augen des Opfers waren stark verschwollen, nach insgesamt acht Tagen ließ die paramilitärische Einheit den Festgehaltenen frei.“ (vol.at, 26.1.22)
Angeklagt wurde „Ben Laden“ aber erst 2021. Nach seiner Verhaftung und der Rückkehr nach Österreich befand die Justiz zunächst, dass an dem Vorwurf, Kriegsverbrechen begangen zu haben, nichts dran sei und ließ ihn wieder laufen. Das war doch mehr als kühn. Schließlich war Benjamin F. ab 2016 bei einer regulären Einheit der ukrainischen Armee – ihm hätte also nach § 32 (bzw. § 33) Staatsbürgerschaftsgesetz die Staatsbürgerschaft aberkannt werden müssen.
Erst im Jänner 2022 wurde Benjamin F. wegen Kriegsverbrechen nach § 321b StGB zu einer äußerst milden Strafe von zweieinhalb Jahren bedingt verurteilt. Das OLG Innsbruck kassierte das milde Urteil und verfügte, dass ein Jahr davon unbedingte Haft sein muss. Wie bei Benjamin F. folgten auch bei den insgesamt drei weiteren Ex-Soldaten des Jägerbataillons, die mit ihm in der Ukraine als Söldner aktiv waren, keine Konsequenzen bezüglich der Staatsbürgerschaft. (vgl. Kurier, 7.5.17)
Während sich Benjamin F. nicht als Nazi definierte, aber kein Problem mit der nationalistischen Ideologie des „Rechten Sektor“ hatte, wird der Richard S. von den österreichischen Neonazis eindeutig als einer der ihren reklamiert. Auf einem neonazistischen Telegramkanal wird über ihn schwulstig geschwurbelt, dass sich „am Morgen des 20. Januar in Abwehrkämpfen gegen die Neo-Bolschewisten der Russischen Föderation sein Schicksal [erfüllte]“. In anderen Foren wird noch wesentlich degoutanter für, aber auch gegen ihn Stellung genommen. Einerseits wird sein Kampf gegen die „mongolischen Horden“ – gemeint ist die russische Armee – bejubelt, andererseits feiern prorussische Kanäle seine Tötung als erfolgreiche „Entnazifizierung“.

„Austria“ und „Die Österreicherin“
Richard S. war über einige Jahre hinweg einer der militantesten Kader der österreichischen Identitären und fast bei jeder Aktion dabei. Noch im April 2019 identifizierte ihn die „Autonome Antifa Wien“ in einer Einspielung von ORF 2 (ZIB vom 26.4.19), als er gemeinsam mit einem weiteren Identitären bei der Wahlkampfauftaktveranstaltung der FPÖ über einem Transparent der FPÖ thronte. Insofern ist die Aussage seines Bruders in der „Presse“ vom 25.1.25, wonach S. vor sechs Jahren aus der IBÖ und dem Rechtsextremismus ausgestiegen sei, mit Vorsicht zu genießen. Am 24. Februar 2022 ließ Putin die Ukraine überfallen. Schon wenige Wochen später meldete sich S. zu den Waffen. Die Ukraine hatte als reguläre Einheit der Armee eine „Internationale Legion“ aufgestellt. Bei weitem nicht alle Mitglieder dieser Legion waren und sind Neonazis, im Fall von S., der von seinen Kameraden den Nickname „Austria“ bekam, war die Zuschreibung jedoch kein Zufall.

Über die Zahl der Kombattanten aus Österreich in diesem Krieg gibt es von keiner Seite verlässliche Angaben – weder von ukrainischer noch von russischer und schon gar nicht von österreichischer Seite. Daher lässt sich auch nicht verlässlich beurteilen, ob und wie viele österreichische Neonazis auf ukrainischer Seite kämpfen. Österreichische Neonazis lassen sich zwar gerne auf ukrainischen gepanzerten Fahrzeugen ablichten oder besuchen in Militärgewand gelegentlich auch rechtsextreme Konferenzen wie den von „Nation Europa“ in der Ukraine, aber das besagt über tatsächliche Kampfeinsätze nichts.


Gesichert ist, dass aus Österreich auch andere – etwa mit tschetschenischem Migrationshintergrund – auf ukrainischer Seite gegen die russische Invasion kämpfen und gefallen sind. 2022 starb eine Österreicherin aus Tirol an den Folgen einer Kfz-Kollision in Kyjiw. Sie hatte als Krankenschwester (ohne rechtsextremen Hintergrund) an und hinter der Front gearbeitet, um Leben zu retten. Mit der Benennung „Die Österreicherin“ wurde ihrer Arbeit ein ehrendes Andenken gesetzt.
Über rechtsextreme Söldner aus Österreich, die auf russischer Seite kämpfen, ist nichts Gesichertes bekannt. Dass es in Russland aber mehr Rechtsextreme und Neonazis gibt als in der Ukraine, ist ein Faktum.