ANFRAGEder Abgeordneten Sigrid Maurer Freundinnen und Freunde
an den Präsidenten des Nationalrates
betreffend Vorwurf der Unterstützung neonazistischer und rechtsextremer Umtriebe
Der neonazistische Telegram-Kanal „Radio Deutschösterreich” veröffentlichte am 27. Oktober 2024 einen angeblichen Zahlschein von Walter Rosenkranz an die mittlerweile verstorbene rechtsextreme Aktivistin und Publizistin Lisbeth Grolitsch. Die Überweisung galt mutmaßlich der von Lisbeth Grolitsch geführten Organisation „Deutsche Kulturgemeinschaft Österreich“, die als Schaltstelle des österreichischen Neonazismus und Rechtsextremismus zu gelten hat und deren Kassier zeitweise Franz Radl war. Der Betreiber des Kanals fragt sich in dem Posting, ob Rosenkranz der Sache treu bleibt und „seine Macht dem deutschen Volk in Österreich zur Verfügung“ stellt und zeigt sich enttäuscht ob der öffentlichen Absage des Antisemitismus von Walter Rosenkranz, was für den Autor den Schluss zulässt, Rosenkranz würde „dem Volk der Juden ein getreuer Eckart bleiben”.
[Faksimile TG-Posting]
Die ehemalige Gau-Unterführerin im Bund Deutscher Mädel (BDM) Lisbeth Grolitsch galt als eine der führenden Frauen im österreichischen Rechtsextremismus und Neonazismus. Sie war Mitbegründerin zahlreicher einschlägiger Organisationen und huldigte in ihren Publikationen Hitler als „Retter des deutschen Volkes”. Sie war darüber hinaus eine glühende Antisemitin, die offen NS-Apologie betrieben hat und mit Holocaust-Leugnern gemeinsame Sache machte. Ihre rechtsextremen Aktivitäten sind nicht nur den Behörden hinlänglich bekannt.
Sollte sich bestätigen, dass der frisch gewählte Nationalratspräsident so eine Person in der Vergangenheit finanziell unterstützte, würde das die Vorbehalte gegen seine Wahl ein weiteres Mal bestätigen: er ist nicht nur Mitglied einer rechtsextremen Burschenschaft, die den neonazistischen „Bund freier Jugend” mit einem Preis ehrte. Er gibt auch dem rechtsextremen Sender „AUF1 „, der von einem ehemaligen Mitglied des neonazistischen „Bund freier Jugend” gegründet wurde und der aktuell den ehemaligen ldentitären Kader Philipp Huemer beschäftigt, bereitwillig Interviews.
Genau aus diesem Grund haben die Grünen — unterstützt von 20.000 Unterzeichner:innen einer kurzfristig gestarteten Petition — davor gewarnt, dass ein Abgeordneter der FPO in das zweithöchste Amt der Republik gewählt wird.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
Ist es zutreffend, dass Sie in der Vergangenheit den rechtsextremen Verein „Deutsche Kulturgemeinschaft Österreich” bzw. Lisbeth Grolitsch mit finanziellen Zuwendungen unterstützt haben? Wenn ja, in welchem Umfang? Wenn nein, seit wann nicht mehr?
Unterstützen Sie den rechtsextremen Verein „Deutsche Kulturgemeinschaft Österreich” oder allfällige Nachfolgeorganisationen weiterhin mit finanziellen Zuwendungen, somit als Nationalratspräsident? Wenn ja, in welchem Umfang?
Haben Sie Verbindungen zum verurteilten Neonazi Franz Radl, dem ehemaligen Kassier dieses Vereins?
Wie erklären Sie, dass das Foto eines mutmaßlichen Zahlscheins mit Ihrem Stempel an eine amtsbekannte Rechtsextremistin und führende Figur der österreichischen Neonazi-Szene auf einem Neonazi-Telegram-Kanal veröffentlicht wurde?
Was werden Sie zur Wahrung von Würde und Ansehen des Hauses unternehmen, um dem sich daraus ergebenden Eindruck zu begegnen, dass der amtierende Nationalratspräsident Neonazis finanziell unterstützt (hat)?
Unterstützen Sie aktuell und somit als Nationalratspräsident andere rechtsextreme Projekte finanziell, wie den Sender AUF1, der von einem ehemaligen Kader des neonazistischen „Bund freier Jugend” Stefan Magnet gegründet wurde?
Halten Sie es mit Ihrem Amt als Präsident des Nationalrats für vereinbar, Interviews für den Sender AUF1 zu geben, der von einem ehemaligen Kader des neonazistischen „Bund freier Jugend” Stefan Magnet gegründet wurde und weiterhin antisemitische und rechtsextreme Inhalte verbreitet?
Halten Sie es mit Ihrem Amt als Präsident des Nationalrats für vereinbar, einem ehemaligen Kader der „ldentitären Bewegung” Interviews zu geben, der nun für den rechtsextremen Sender AUF1 arbeitet?
Wie beurteilen Sie als Präsident des Nationalrats, dass ein rechtsextremer Sender, der von einem ehemaligen Kader des neonazistischen „Bund freier Jugend” Stefan Magnet gegründet wurde und weiterhin antisemitische und rechtsextreme Inhalte verbreitet, Zugang zum Parlament hat und dort ausgerechnet einen ehemaligen Kader der rechtsextremen „ldentitären” zur Berichterstattung entsendet?
a) Werden Sie dagegen etwas unternehmen?
b) Wenn ja, was?
c) Wenn nein, warum nicht?Wie werden Sie Ihrem Bekenntnis gegen Rechtsextremismus als Präsident des Nationalrats Nachdruck verleihen, wenn Sie gleichzeitig Ihr Naheverhältnis zu rechtsextremen Projekten wie dem Sender AUF1 immer wieder unter Beweis stellen?
Die Anfrage muss bis spätestens 29.12.24 beantwortet werden.

Lisbeth Grolitsch – Die Grande Dame der Neonazis
Eigentlich hatte Lisbeth Grolitsch mit der Neonazi-Szene der letzten Jahrzehnte wenig gemeinsam. Sie war eine klassische Nationalsozialistin – hitleristisch und antisemitisch. Geburtsjahrgang 1922, hatte sie das Nazi-Terror-Regime in der Funktion einer begeisterten Gau-Unterführerin des BDM (Bund Deutscher Mädel), einer Vorfeldorganisation der NSDAP, erlebt.
Die Zeit nach dem Zusammenbruch und der Niederlage des NS war für sie eine Phase zur Reorganisation nazistischer Strukturen, in denen sie mit treuen Hitleristen und dementsprechenden Vereinigungen wie der „Deutschen Kulturgemeinschaft (DKG)“, dem „Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes (DKEG)“, der „Notgemeinschaft für Volkstum und Kultur“, dem „Freundeskreis Ulrich von Hutten“ usw, an der Wiedererrichtung eines NS-Regimes arbeitete.
Grolitsch organisierte zahlreiche Tagungen und Schulungen, um neonazistische Führungskader auszubilden. In den meisten dieser Vereine war Grolitisch die ganz große Nummer als Vorsitzende, zumindest Rednerin bei den Veranstaltungen, die durchwegs nicht öffentlich waren.
Mit dem Verbotsgesetz, das eigentlich alle ihre Aktivitäten unter Strafverdacht stellen hätte müssen, kam Grolitsch dennoch nie in Konflikt. Nur 1980 musste sie sich als Angeklagte vor einem Grazer Einzelrichter wegen des Verdachts der Verhetzung verantworten. Grolitsch hatte eine üble antisemitische Hetzbroschüre mit dem Titel „Die schlimmsten Feinde unserer Völker“ vertrieben. Ihre Verantwortung für die Hetzschrift – es wären ja nur historische Ereignisse, keine aktuellen Vorwürfe abgehandelt worden – führte tatsächlich zu einem Freispruch.
Von Grolitsch gab es zu ihren Lebzeiten keine Fotos, über sie und ihre langjährigen Aktivitäten kaum Berichte in den Medien. Dementsprechend war sie auch nur einem einschlägigen Publikum bekannt. Wer mit ihr Kontakt pflegte, wusste, mit wem er oder sie es zu tun hatte. Die weitgehend klandestine Tätigkeit von Grolitisch und ihren alten Nazi-Kameraden führten zu großen Ängsten vor Spitzeln, Verrätern und Abweichlern. Spaltungen bzw. Abspaltungen waren daher nicht selten: So spaltete sich etwa 1985 der Arbeitskreis für Politik und Kultur unter der Führung von Gernot Mörig von der DKG ab. Es ist jener Mörig, der im Vorjahr durch das ebenfalls klandestine Treffen in Potsdam mit Sellner und anderen wieder öffentlich aufgefallen ist.
In Österreich, wo es ebenfalls zu heftigen Auseinandersetzungen und Streitereien innerhalb der hitleristischen Szene gekommen ist, waren Herbert Schweiger, Franz Radl und Andreas Thierry die engsten Verbündeten von Grolitsch. 2017 starb die „allzeit Getreue“ im Alter von 95 Jahren.

Vom „Standard” (28.10.24) zum Neonazi-Posting befragt, kam folgende Antwort:
Der Nationalratspräsident lässt über seinen Sprecher Herwig Götschober ausrichten, dass er Grolitsch nicht kenne und diese Spende nicht getätigt habe. Radl habe er in seiner Studentenzeit kennengelernt, seit vier Jahrzehnten bestehe kein Kontakt mehr. Um angebliche Enthüllungen sorge er sich „gar nicht”.
Update 20.12.24: In der Anfragebeantwortung erklärt Rosenkranz zu Frage 1: „Da die Frage die Vergangenheit, also die Zeit vor der Übernahme der Funktion des Nationalratspräsidenten betrifft, ist sie kein Gegenstand der parlamentarischen Interpellation. In der Sache selbst darf ich Ihnen mitteilen: Nein.” und zu Frage 4: „Es war und ist nicht mein Stempel. Die Beurteilung von Telegram-Kanälen bzw. die Beurteilung von Inhalten in Telegram-Kanälen durch den Nationalratspräsidenten ist von der parlamentarischen Interpellation nicht umfasst.”