Mit einem „Bruno Wolters“ (1) gründete der damals 26-Jährige aus Hessen kommende Ahrens 2020 zusammen das „konflikt-magazin“, das aber eher unter der allgemeinen Wahrnehmungsschwelle blieb und 2022 seinen Betrieb mit dem Hinweis einstellte, sich in eine Pause begeben zu wollen, „weil andere Medienprojekte unsere Arbeitskraft fordern“. Die Pause ist zum Schlusspunkt geworden, inzwischen wird die Domain von einem IT-Unternehmer bespielt.
2021 veröffentlichten beide ein Buch in Götz Kubitscheks rechtsextremen Antaios-Verlag. Etwa zeitgleich mit dem Ende des Ahrens-Wolters-Magazins begann „Wolters“ für das in Graz ansässige neurechte „Freilich-Magazin“ zu schreiben. Inzwischen fungiert „Wolters“ dort als stellvertretender Chefredakteur. Er interviewte Ahrens Anfang 2023 in der Sie-Form: „Lieber Herr Ahrens, die GegenUni geht in ihr drittes Jahr. Wie lautet ihr Resümee nach einer solchen überschaubaren Zeit?“ (2) Es versteht sich von selbst, dass Ahrens‘ Rückschau positiv ausfiel.
Die scheinwissenschaftliche „GegenUni“
Das von Ahrens Mitte 2021 gestartete kommerzielle Online-Projekt „GegenUni“, das Kurse u.a. mit unter Pseudonymen auftretenden Rechtsextremen und neben AfD-Funktionären auch etwa die beiden österreichischen Martins – Sellner und Semlitsch („Lichtmesz“) – im Angebot hat, glänzt in erster Linie durch Scheinwissenschaftlichkeit.
Die Gegen-Uni ist dabei letztlich eine Art Online-„Akademie“, in der Autor*innen aus dem Kontexten von IfS, AfD und Burschenschaften ihre Vorträge recyclen und dafür Geld von den Teilnehmer*innen nehmen. Man wirbt mit „anerkannten Experten“ und bezieht sich dabei auf der ersten Homepage-Seite direkt auf Felix Dirsch und Erik Lehnert, die Dauerreferenten beim IfS sind. Die Themen sind deshalb auch ähnlich: faschistische Strategie, ein wenig deutsche Vergangenheitsverklärung und die Brücke zur faschistischen „Konservativen Revolution“ dürfen nicht fehlen. (ifsdichtmachen.noblogs.org, 11.11.23)
In einem Interview (22.8.21) mit der inzwischen von „Freilich“ geschluckten identitären „Tagesstimme“ führt Ahrens zur Gründung der GegenUni aus:
Ein bekannter patriotischer Aktivist aus Wien trat an mich heran mit der Idee, ein politisches Gegenstück zu beliebten Bildungs-Apps wie Blinkist, QuickRead oder getAbstract zu schaffen. Ich fand diese Idee sofort großartig, und so entschlossen wir uns, gemeinsam daran zu arbeiten. (…) Doch schon in der Planungs- und Entwurfsphase stellten wir fest: Ein solches Angebot für Zusammenfassungen ist viel zu wenig. (3)
Daraus sei dann die „GegenUni“ entstanden. „Besonders gut“, ist im Wolters- Ahrens-Interview zu lesen, „kamen und kommen historische Kurse an“. Kein Wunder: In der Beschreibung eines vom Geschichtsrevisionisten und AfD-Politiker Stefan Scheil dargebotenen „Kurses“ wird die Befreiung von den NS-Schergen 1945 galant als „Elitenwechsel“ bezeichnet, die Änderung der Machtverhältnisse als „Teil der bewußten Siegessicherung der Alliierten, also eine abschließende Kriegshandlung“.
Nun, „historisch“, nämlich vergangen, scheint auch die „GegenUni“ selbst zu sein, in der das Kursgeschehen seit mehr als einem halben Jahr zum Erliegen gekommen ist. Nachdem zuerst der Firmensitz der „GegenUni UG“ gewechselt werden musste, ist seit August 24 auch Ahrens selbst bei dem Projekt Geschichte. Er wurde als Geschäftsführer abgelöst.
Am offenbar mäßigen Erfolg des rechtsextremen Online-Formats hat auch die oftmalige Bewerbung durch den „bekannten Aktivisten“ aus Wien nichts ändern können. Neben Videotalks, in dem das „einmalige, rechte Bildungsangebot“ von Ahrens und Sellner gehypt wurde, starteten die beiden auch den Podcast „Status Quo“, in dem Sellner Ahrens zum „Rektor der GegenUni“ hochstapelte. Dort schwadronierten sie über die Berechtigung von Zensur (von rechter Seite, weil die die „Wahrheit“ gepachtet habe), Twitter-Beefs und ‑Gestänker unter Rechtsextremen. Nach zwei Folgen war auch mit diesem erbärmlichen Gequatsche Schluss.

Drill- und Schulungslager als Mittel zur Elitenbildung
Dass Rechtsextreme eine Affinität zu Lagern mit Indokrinationsschulungen und wehrsportähnlicher „Körperertüchtigung“ aufweisen, ist nicht neu. Die Identitären und ihre Satellitengruppen führen Lager dieser Art unter den Titeln „Aktivistenwochenende“, „Sommerlager“, „Bundeslager“ regelmäßig durch. Seit 2013 nehme er bis auf eine Ausnahme an den jährlichen IB-Lagern teil, „jeder der zu diesem Lager geht, kommt verändert zurück. Es nötigt die Leute an ihre Grenzen zu gehen, und diese Lager sind wichtig, weil sie eine Auslese darstellen“, schwärmt Martin Sellner im August 2023. Dass auch Ahrens dieser zweifelhaften „Auslese“ viel abgewinnen kann, überrascht daher nicht.

Besonders angetan zeigen sich Ahrens und Sellner von den Lagern der „Wackren Schwaben“ (auch „Reconquista21“ und „R21“), an denen Ahrens regelmäßig als Referent teilnahm; 2024 zu seinem Leibthema „Eugenik“, wo er „geheimes Wissen über die Genetik Europas” (Heimatkurier), sprich: rassistischen Müll, absonderte. Sellner bedauerte, dass er wegen des kurzzeitigen Einreiseverbots nach Deutschland nicht daran teilnehmen konnte. „Das Aktivistenwochenende der identitären Gruppe ‚R21‘ in Schwaben stand an. Erik Ahrens hat die Truppe einmal als ‚Hidden Champions‘ beschrieben. (…) Tatsächlich ist die Gruppe “Reconquista21” ein rundes, effektives und unglaublich stilvolles Projekt, was die Fotos des Wochenendes eindrucksvoll belegen“, vermerkt Sellner in seinem in Kubitscheks „Sezession“ veröffentlichten Tagebuch (7.5.24).
#Thread
Vom 31.3. — 2.4. trafen sich rund 30 Identitäre aus #Deutschland und der #Schweiz zum jährlichen „Aktivistenwochenende” der IB-Regionalgruppe „Wackre Schwaben”. Der übliche rechte Lager-Kanon wurde abgespult: Indoktrinierung, Wehrsport, völkischer Liederabend. #nonazis pic.twitter.com/VD5e3mXoxr— Rechercheplattform zur Identitären Bewegung (@IbDoku) April 6, 2023
Am „Schwabenkongress“ im bayrischen Dasing im November 2023 konnten Ahrens und Sellner als Hauptredner auftreten. Sellner habe dort die Aktivitäten der „R21“ als „Goldstandard des identitären Aktivismus“ (Heimatkurier, 31.1.24)) bezeichnet. Zwei Wochen später trafen sich Ahrens und Sellner wieder – bei dem durch die Correctiv-Recherche als „Geheimplan gegen Deutschland“ berühmt gewordenen Treffen in Potsdam.
Plötzliche Distanzierung
Im September 2024, einen Tag nach Veröffentlichung von Ahrens Artikel bei „Metapol“ (4), in dem er die Strategie der Identitären infrage stellte, zogen die IB Deutschland und Österreich die Reißleine und gingen mit einer gleichlautenden kurzen Distanzierung an die Öffentlichkeit. „Seine Ansätze decken sich nicht mit unseren Ideen und Vorgehen als metapolitischer Akteur im neurechten Kosmos.“ (TG, 9.9.24) Wie lächerlich das ist, beantwortet Ahrens (x.com, 9.9.24) selbst: „Ich werde weiter hinter den Kulissen mit Leuten zusammenarbeiten, die kontaktieren mich ja auch.“

➡️ Teil 1: Erik Ahrens und seine Österreich-Beziehungen: … und wurde rechts
➡️ Erik Ahrens und seine Österreich-Beziehungen (Teil 3): „Gedankensturm“ in Wien
Fußnoten
1 Bei dem Namen „Bruno Wolters“ handelt es sich mit ziemlicher Sicherheit um ein Pseudonym – wohl eine Anlehnung an die Figur des Bruno Wolter aus der deutschen Krimi-Serie „Babylon Berlin“. Von „Wolters“ existieren keine Fotos.
2 „Ich bin froh darüber, wie die Dinge sich entwickelt haben” – Erik Ahrens im Interview mit Bruno Wolters. In: Freilich-Magazin, 18.1.23.
3 Sellner spricht bereits 2020 von der Notwendigkeit, eine „Gegenuniversität aufbauen zu müssen“ (x.com, 8.7.21).
4 Erik Ahrens, Rechte Weltanschauung und der Weg zur Macht, gegenstrom.org, 8.9.24.