Der „Kurier“ (27.5.23), der offensichtlich zunächst exklusiv mit Infos der DSN über den Fahndungserfolg gefüttert wurde, ist auch etwas verwundert: „Die Entscheidung der Justiz überrascht.“ Verwunderung ist auch im Bericht von „profil“ (1.6.23) zu spüren: „Die zuständige Wiener Staatsanwaltschaft stellte keinen U‑Haftantrag gegen den jungen Wiener. Warum – das erklärte sie auch nach mehrmaliger Nachfrage nicht.“
Hirn statt Hände!
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Innenministerium und DSN sprechen in einer gemeinsamen Presseaussendung vom tollen Fahndungserfolg und zählen die Verdachtslage gegen den Beschuldigten auf: „… unter anderem Aufruf zu rechtsterroristischen Anschlägen (außerhalb Österreichs), Verbreitung bzw. Anleitung zum Bau von Bomben oder Waffen aus 3D-Druckern sowie Unterrichtung anderer Mitglieder in Datenverschlüsselung.“
Letzteres ist unseres Wissens zwar kein Delikt, aber der Rest und das, was bei der Hausdurchsuchung gefunden wurde, sollten eigentlich für eine vorläufige Festnahme und gegebenenfalls eine U‑Haft reichen: „Das sichergestellte Beweismaterial bestand u.a. aus Schusswaffen, Hieb-und Stichwaffen sowie Schreckschusswaffen, Gegenständen mit NS-Bezug und diversen Datenträgern.“ Stattdessen wurde nur ein Waffenverbot ausgesprochen. Ein vorläufiges!
Der DSN ist es jedenfalls gelungen, in den Berichten von „Kurier“ und „profil“ ihren Spin unterzubringen: Die geltende Rechtslage habe den österreichischen Ermittlern die Hände gebunden. Die DSN „will Zugriffe auf Apps wie Messenger Dienst [sic!], Mikrofone und Bewegungsdaten“ (Kurier). Die Hände waren vielleicht gebunden, nicht aber das Hirn. Antifaschistischen Gruppen und Journalist*innen ist seit 2020 die Enttarnung von sehr vielen FKD-Mitgliedern gelungen.
Die „Feuerkrieg Division”
Die „Feuerkrieg Division“ Ist ein Ableger oder Klon der „Atomwaffen Division” (AWD), einer 2015 erstmals in den USA an die Öffentlichkeit getretenen klandestinen rechtsterroristischen und neonazistischen Vereinigung, die für Morde, brutale rassistische Attacken mit schwerer Körperverletzung und andere Straftaten verantwortlich ist. Die AWD hat sich angeblich 2020 aufgelöst, aber ein deutscher Ableger (AWDD) soll weiterhin existieren.
Die FKD, die sich ideologisch und organisatorisch an der AWD orientiert, wurde mutmaßlich 2018 von einem estnischen Neonazi mit dem Decknamen „Commander“ gegründet und trat 2019 mit Propagandavideos und einem eigenen Kanal auf TG an die Öffentlichkeit (die interne bzw. gehackte Kommunikation fand über Messenger-Dienste wie Wire und Riot statt). Nur sehr wenige Treffen von FKD-Mitgliedern im realen Raum sind dokumentiert, fast alle fanden virtuell statt. So wie AWD operiert FKD in kleinen Gruppen nach dem Prinzip des „führerlosen Widerstands“, verehrt Rechtsterroristen als „Heilige“ und orientiert sich am „Akzelerationismus“ und an der „Siege“-Ideologie: Durch terroristische Anschläge soll der „Rassenkrieg“ beschleunigt und so die angebliche Ausrottung der „weißen Rasse“ verhindert werden.

„Der Spiegel“ (26.2.20) schätzte 2020 die Stärke der FKD-Gruppen auf etwa 70 Mitglieder, damals verteilt auf etwa 15 Länder, 30 davon in den USA und sechs in Deutschland:
Die Mitglieder tauschten sich über faschistische Literatur aus, feierten den Geburtstag des Sektengurus und Massenmörders Charles Manson und huldigten dem rechtsextremen Massenmörder Anders Breivik, der 2011 in Norwegen 77 Menschen getötet hatte. Viele Gespräche drehten sich um den Eigenbau, den Schmuggel oder die illegale Beschaffung von Waffen sowie die Herstellung von Bomben. Immer wieder drehten sich die Diskussionen um „lohnenswerte” Anschlagsziele. (spiegel.de, 26.2.20)
Auffällig ist das überwiegend jugendliche Alter der FKD-Mitglieder. Als die estnische Polizei „Commander“ festnehmen wollte, war das anscheinend nicht möglich. Er soll 13 Jahre alt gewesen sein. Auch der HTL-Schüler aus Wien war im eigentlichen Tatzeitraum 2020 erst 17 Jahre alt. Einige Unterhaltungen drehten sich um den Fettbauch von Mitgliedern und wie man am besten abnehmen könne, in anderen wurde in üblen misogynen Chats über Frauen hergezogen, die natürlich keine Mitglieder von FKD werden könnten, weil sie prinzipiell unzuverlässig und Huren seien. Das klingt alles eher nach pubertären Nazi-Idioten, tatsächlich gehen aber etliche Gewalttaten auf das Konto von FKD.

Der Österreicher: „v00rm“
Die Schätzungen über die Mitgliederstärke und die Beschreibungen ihrer Chats stammen aus einem umfangreichen Leak, der im März 2020 von „Unicorn Riot“ veröffentlicht wurde. Als Decknamen deutscher FKD-Mitglieder wurden genannt: „Heydrich”, „Teuton”, „Drekkit”, „Napola88”, „Wolfskampf” und „Jus-ad-bellum” (die meisten von ihnen sind mittlerweile enttarnt).

Im März 2020, nach der ersten massiven staatlichen Repressionswelle, verkündete FKD zwar die Selbstauflösung, hat aber vorher noch intensiv darüber diskutiert, wie und unter welchen Vorzeichen sie weiterarbeiten könnte. Der Anführer der deutschen FKD-Gruppe war „Heydrich“. Heydrich bzw. Fabian D. (23) wurde am 5.2.2020 verhaftet, nachdem er im Chat im Jänner angekündigt hatte, zum „Heiligen“ werden zu wollen und nach einem geeigneten Ort dafür gefragt hatte. Im Herbst 20 wurde er wegen Vorbereitung einer schweren, staatsgefährdenden Straftat vor Gericht gestellt und zu zwei Jahren unbedingter Haft verurteilt.
„Heydrich” hatte in seinen Einvernahmen Angaben zu seinen Mittätern gemacht, die sich aber jedenfalls bei „v00rm“ als falsch herausstellten: „Bei dem Chatpartner v00rm handele es sich um einen Schüler aus Nördlingen“, schrieb das Bayerische Innenministerium in der Beantwortung einer Anfrage der Grünen-Politikerin Katharina Schulze vor zwei Jahren und berief sich dabei auf die Aussagen von „Heydrich“ gegenüber der Polizei.

Bereits 2020 waren eine Extremismusforschungsstelle aus den Niederlanden und eine Antifa-Gruppe aus den USA allerdings zu der Einschätzung gekommen, dass „v00rm“ Österreich zuzuordnen sei. Wie auch andere, die dadurch enttarnt werden konnten, hatte „v00rm“ bei seinen Chats etwas zu viel geplappert: vom Ausbruch von Corona in Österreich, von sechs Freunden und von Videos, die er er- und online gestellt hat. Dazwischen setzte er immer wieder antisemitische und rassistische Drohungen mit Gewalt- und Vernichtungsfantasien und misogyne Hetze ab.

In ihrer Erfolgsmeldung präsentiert die DSN auch ein Foto von den bei „v00rm“ in der Hausdurchsuchung gefundenen Gegenständen. Neben Waffen und Gasmasken sind eine NS-Reichskriegsflagge mit Hakenkreuz, ein T‑Shirt mit „Anti Antifa“-Aufdruck und eines mit der Inschrift „Division Ostmark“ zu sehen, das in diversen neonazistischen Versandfirmen vertrieben wird.

Unter dem Namen „Widerstand Österreich – Division Ostmark“ war eine Gruppe aus dem Umfeld der „Europäischen Aktion“-Neonazis auf Facebook aktiv, die von „Stoppt die Rechten“ 2016 wegen NS-Wiederbetätigung angezeigt wurde. Unseres Wissens nach wurden keine Schritte gegen diese Neonazi-Truppe unternommen.

„v00rm“ ist Anfang Jänner 2020 zum ersten Mal bei Chats von FKD im Messenger-Dienst „riot“ aufgetaucht. Im März 2020, nach den Hacks und der ersten staatlichen Repressionswelle, war dann vorläufig Schluss. In dem Bericht des „Kurier“ ist allerdings auch die Rede davon, dass sich der Beschuldigte in Chat-Gruppen mit dem Attentäter von Bratislava austauschte, der im Oktober 2022 vor seinem Suizid vor einem Lokal der LGBTQIA-Szene zwei junge Männer erschossen und eine Frau schwer verletzt hatte. Demnach war jetzt Zwanzigjährige also zumindest bis vor einigen Monaten einschlägig aktiv – und ist auf freiem Fuß.
• In January 2020, FKD members discussed online plans to join with other groups in attacking Jewish institutions in Croatia.
• In October 2019, an alleged FKD member in Lithuania left a bomb outside an office building in Vilnius. The bomb failed to explode, and police arrested the teenage suspect after finding bomb-making materials in his home.
• In September 2019, U.S. Army Private First-Class Jarrett William Smith provided information on explosives to an undercover FBI agent. Smith admitted in a plea agreement to disseminating instructions on building bombs. Smith told the agent he distributed explosives information „for the glory of his Satanist religion.” and sought to create societal chaos. Smith is reportedly involved with FKD at the time of his arrest. The group expressed „consternation” over Smith’s arrest on Telegram.
• On August 8, 2019, the FBI-led Joint Terrorism Task Force arrested Connor Climo after finding bomb components in his Las Vegas residence. Between May 2019 and July 15, 2019, Climo communicated online with FKD members about setting fire to a Las Vegas synagogue, and making Molotov cocktails and improvised explosive devices. Climo pleaded guilty in February 2020 to possession of bomb-making materials and plotting to attack Jewish and LGBT targets. (counterextremism.com)
➡️ Der Spiegel: Wie wir den Neonazis auf die Spur kamen (Paywall)
➡️ Parlamentarische Anfrage Martina Renner: Rechtsextreme Gewalttaten mit misogynem und sexistischem Hintergrund
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