Oh, wie schön ist … Paraguay!

Eigentlich wäre der Experte für das rechte Deutsch­tum in Südameri­ka und im Beson­deren für Paraguay Mar­tin Graf, der Burschen­schafter und FPÖ-Abge­ord­nete, dafür zuständig, die Zustände bei den recht­en Aussiedlern zu über­prüfen und zu ord­nen. Da geht es näm­lich drunter und drüber. Dem Verkün­der der „Ger­man­is­chen Heilkunde” hat es zum Beispiel sein grünes Paradies weggeschwemmt – und auch son­st ist einiges im Argen.

Die Auswan­derung nach Paraguay hat eine lange und ziem­lich unrühm­liche Geschichte. Rabi­ate Anti­semiten wie Bern­hard Förster und seine Gat­tin Elis­a­beth Niet­zsche woll­ten dort schon Ende des 19. Jahrhun­derts ein neues, juden­freies Ger­manien, eben „Nue­va Ger­ma­nia“ erricht­en. Das hat damals nicht so richtig geklappt, hin­derte aber vor allem NS-Ver­brech­er wie Josef Men­gele nicht daran, sich später eben­falls in Paraguay anzusiedeln. Die fre­undliche Stim­mung gegenüber Nazis und anderen Recht­sex­tremen ver­wun­dert nicht, wenn man weiß, dass Alfre­do Stroess­ner das Land nicht nur 35 Jahre (von 1954 bis 1989) dik­ta­torisch beherrscht, son­dern auch zahlre­iche Ver­brechen, darunter einen Völk­er­mord an ein­er indi­ge­nen Volks­gruppe, verübt hat.

Den­noch gab es nicht nur braune Auswan­derung aus den deutschsprachi­gen Län­dern nach Paraguay, son­dern auch etwa christlich geprägte, zum Beispiel von den Men­non­iten oder ein­fach auch von Men­schen wie Sabine und Thoms Vinke, die Leben und Land­schaft in Paraguay schätzen, seit eini­gen Jahren aber wieder eine neue recht­sex­treme Ein­wan­derungswelle wahrnehmen: „Nach der Flüchtlingskrise 2015 kamen die Reichs­bürg­er, extrem laute, aggres­sive Men­schen. Und jet­zt lan­den hier sehr viele Heil­prak­tik­er, Wun­der­heil­er und rechte Impfgeg­n­er.“ (dw.com, 23.12.21)

Hel­mut Pil­har, der Pro­pa­gan­dist der anti­semi­tis­chen „Ger­man­is­chen Heilkunde“, hat es jeden­falls noch rechtzeit­ig ins Land geschafft, bevor Paraguay die Schranken für Ungeimpfte schloss. So richtig enthu­si­as­miert war er von der Vorstel­lung, sich in einem grü­nen Paradies, dem „El Paraiso Verde“ (EPV) von Sylvia und Erwin Annau (eben­falls aus Öster­re­ich emi­gri­ert), ansiedeln zu können:

Ich habe hier wirk­lich ein Grünes Paradies gefun­den und kann mein Glück gar nicht fassen. Noch vor zwei Jahren wusste ich nicht, wie ich weit­er mein­er Beru­fung zum Dozen­ten für Ger­man­is­che Heilkunde nachge­hen sollte. Hier in Paraguay – speziell im EPV – scheint es, als kön­nte der Traum wahr wer­den, die Ger­man­is­che Heilkunde legal zu prak­tizieren, samt schul­medi­zinis­ch­er Not­fallmedi­zin.

Pilhar meldet sich aus El Paraiso Verde und macht Werbung fürs Projekt (Website Pilhar)

Pil­har meldet sich aus El Paraiso Verde und macht Wer­bung fürs Pro­jekt (Web­site Pilhar)

Nun ja, als Pil­har 2019 so jubelte, wollte ihn auch noch jemand ander­er fassen: nicht das Glück, son­dern die öster­re­ichis­che Jus­tiz, die, so Pil­har, „offenkundig die Absicht [hat­te], mich hin­ter Git­ter zu brin­gen“. Also flüchtete Pil­har nach Paraguay – vom Regen in die Traufe. Denn der Auf­bau der neuen Exis­tenz ver­lief zunächst nicht störungs­frei. Nach den Schwärmereien der ersten Stun­den fol­gte bald die Ernüchterung – der unfrei­willige Sprung ins Wass­er. Bei Erwin Annau, dem früher hochrangi­gen Sci­en­tolo­gen und Grün­der der Sied­lung EPV, hieß das: „El Paraiso Verde wird eine Kanal‑, Fluss- und Seen­land­schaft.

Pil­har beschrieb seine ersten Wochen in der Sied­lung zunächst ähn­lich schön­fär­berisch: „Am Nach­mit­tag ist Badezeit im Bag­gersee. Das Wass­er ist vom Lehm gräulich, macht aber die Haut sei­den­we­ich. Vor allem ist das Wass­er im Som­mer bade­wan­nen­warm! Wenn man ins Wass­er steigt meint man wirk­lich, man wurde in eine gut tem­perierte Bade­wanne steigen.“ Als dann im Feb­ru­ar 2021 aber das ganze Grund­stück rund um Pil­hars neues Häuschen unter Wass­er stand, beka­men die Pil­hars – mit­tler­weile war auch seine Frau nachge­zo­gen – nasse und kalte Füße. Was in dieser Zeit son­st noch alles vorge­fall­en ist zwis­chen den Pil­hars und den Annaus, ver­birgt Pil­har hin­ter den dür­ren, aber bedeu­tungss­chwan­geren Sätzen in einem Newslet­ter: „In Paraguay lan­dete ich ursprünglich an einem Ort, der eigentlich schreck­lich­er war als jen­er, vor dem ich geflo­hen war. Durch entschlossenes Han­deln kon­nte ich aber meinen Fehler meis­tern.“ An den schreck­lichen Ort erin­nert nur ein Video auf Pil­hars Telegram-Kanal, das die Über­schwem­mung dokumentiert.

Helmut Pilhars Haus in El Paraiso Verde überschwemmt (TG-Kanal Pilhar)

Hel­mut Pil­hars Haus in El Paraiso Verde über­schwemmt (TG-Kanal Pilhar)

Auch El Paraiso Verde ist mit­tler­weile mit Infos über seinen recht­sex­tremen Zuzü­gler, für den zunächst eine vielver­sprechende Kar­riere im Gesund­heit­szen­trum von EPV vorge­se­hen war, sehr wortkarg. Nur ein tot­er Link erin­nert daran, dass Pil­har ein­mal bei EPV war, bevor ihn das Hochwass­er (und anderes Unheil?) von diesem „schreck­lichen Ort“ ver­trieben hat.

Toter Link: Bericht zu Pilhars Motorradunfall gelöscht (Website El Paraiso Verde)

Tot­er Link: Bericht zu Pil­hars Motor­radun­fall gelöscht (Web­site El Paraiso Verde)

Der Anti­semit und Ger­ma­nen­medi­zin­er Pil­har ist zwar nicht mehr im EPV-Pro­jekt, aber dort ist trotz­dem kein Man­gel an Recht­sex­tremen und Ver­schwörungs­gläu­bi­gen. Das begin­nt schon bei Annau selb­st, der zwar nicht mehr Sci­en­tologe ist, dafür aber auf sein­er Web­site Sätze wie diese veröffentlicht:

Kein Volk auf dieser Erde hat mehr Repa­ra­tionszahlun­gen für (teil­weise von anderen began­genen) Kriegsver­brechen bezahlt als die Deutschen (und Öster­re­ich­er). Kein Volk wurde mehr zum Opfer­volk der Welt gemacht als die Deutschen (und Öster­re­ich­er). Kein Volk wurde in der von den Siegermächt­en erfun­de­nen „Geschichte“ mehr ver­leumdet als die Deutschen.

Erwin Annau in geschichtsrevisionischter Manier über die "Leiden" des deutschen und österreichischen Volkes

Erwin Annau in geschicht­sre­vi­sion­is­chter Manier über die „Lei­den” des deutschen und öster­re­ichis­chen Volkes

Das Sied­lung­spro­jekt selb­st wurde 2020 US-Bürger*innen ange­priesen als Fluchtort vor einem Wahlsieg der Demokrat­en und all­ge­mein als Pro­jekt außer­halb der Matrix gegen die schädi­gen­den Ein­flüsse von 5G, Imp­fun­gen und Chemtrails.

El Paraiso Verde als Fluchtort nach dem Wahlsieg von Joe Biden (Website El Paraiso Verde)

El Paraiso Verde als Fluchtort nach dem Wahlsieg von Joe Biden (Web­site El Paraiso Verde)

El Paraiso Verde für Leute, die außerhalb der "Matrix" leben wollen (Website El Paraiso Verde)

El Paraiso Verde für Leute, die außer­halb der „Matrix” leben wollen (Web­site El Paraiso Verde)

Daher durfte auch zu Wei­h­nacht­en 2021 der Reichs­bürg­er, „Stof­fwech­se­l­ex­perte und Biokreb­s­ther­a­peut“ (!) Hans Peter Rein­hardt dem ein­schlägi­gen Pub­likum bekan­nt unter seinem Luft­na­men „Hans Peter Frei­herr von Liecht­en­stein“ einen prick­el­nden Vor­trag zum The­ma „Wei­h­nacht­en – Was ist das eigentlich?“ im EPV halten.

Reichsbürger Hans Peter Reinhardt bei einem Vortrag in El Paraiso Verde

Reichs­bürg­er Hans Peter Rein­hardt bei einem Vor­trag in El Paraiso Verde

Über das Sied­lung­spro­jekt EPV find­et man im Netz, vor allem aber auf Telegram jede Menge neg­a­tiv­er Kom­mentare bis hin zu Details ein­er in den Kaufverträ­gen ange­blich fest­gelegten Hau­sor­d­nung, die mit dem ange­priese­nen Leben in Frei­heit und „außer­halb der Matrix“ abso­lut unvere­in­bar sind. Das Prob­lem dabei: Teil­weise stam­men die Infos von Auswan­der­ern, die daran glauben, dass in unterirdis­chen Tun­nels Kinder und schwan­gere Frauen als „Gebär­maschi­nen“ gefan­gen gehal­ten wer­den. Auswan­dern nach Paraguay ist selb­st für Recht­sex­treme und Ver­schwörungs­fans oft eine schmerzvolle Erfahrung!

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