Jedenfalls waren wir vor Ort und machten diesen Zufallsfund. Jessas, dieses Mal hat’s doch tatsächlich den Thomas erwischt! Thomas ist nämlich einer, der eigentlich ziemlich aufpasst, dass ihm bei öffentlichen Kommentaren in den Neuen Medien nichts anbrennt. Das geht auch aus den im Rahmen einer Hausdurchsuchung sichergestellten Unterlagen hervor. Auf einem seiner Handys fand sich auch der Eintrag, dass die von ihm via WhatsApp verständigte Person aufpassen solle. Nichts öffentlich stellen auf Facebook, auch wenn’s so irrsinnig lustig ist.
Was war denn für den Thomas so lustig? „Schwarzer Humor“ seien die Bildchen und Postings gewesen, die er weitergeschickt hatte, versuchte er sich in Schadensbegrenzung. Außerdem seien die „lustigen“ Hitler-Bildchen oder Osterwünsche mit Hakenkreuz-Eiern nur an jeweils einzelne Personen weitergeschickt worden. Vom wem er die vielen braunen Fotos und Bildchen mit Kommentaren erhalten hat, wurde in dem Geschworenenprozess wegen NS-Wiederbetätigung, der da ausgerechnet am 20.4. stattfand, nicht erörtert.
Wir haben da aber so eine starke Vermutung. Zwei Namen wurden nämlich genannt: der Andreas, der früher auch als Wotan aufgetreten ist, und der Paul. Wobei der Thomas vor Gericht mehrmals versicherte, dass er den Paul eigentlich gar nicht namentlich kennen würde. Trotzdem hat sich Thomas vom weitgehend unbekannten Paul 2015 zu Treffen in ein Lokal im vierten Bezirk einladen lassen. Worum’s denn dort gegangen sei, will die Richterin wissen. Thomas fängt an, von den Schnitzeln und dem Gulasch zu erzählen, die dort verzehrt worden sind, bevor ihn die Richterin abbremst. „Interessant“ war’s für ihn noch beim ersten Treffen, aber schon beim dritten Mal nicht mehr. Zu viert seien sie da im Hinterzimmer gesessen, um „Tagespolitik“ sei es gegangen – mehr lässt sich Thomas jenseits von Schnitzel und Gulasch nicht entlocken.
Überhaupt: An der Verortung seiner politischen Einstellung muss Thomas K. (48) noch arbeiten. Das Finetuning stimmt nicht ganz: Liberal sei er, Mitte, ja auch christlich-sozial, erklärt er auf die Frage der Richterin treuherzig. In seinen ganz weit zurückliegenden Jahren, also in seiner Selbstfindungsphase in den 1990er-Jahren, da sei er schon mal skinheadmäßig unterwegs gewesen. Aber eben mäßig. Später dann nur mehr mäßig Mitte und eben „halblustig“.
Das gesteht der Thomas denn doch: dass der braune Dreck, der für ihn so lustig war, für andere vielleicht doch nicht, ja sogar ziemlich strafbar sein könnte. „Tatsachengeständig“ heißt das. Er leugnet also nicht, dass die T‑Shirts, Aufkleber, Rechtsrock-Kassetten, „Kriegserinnerungen“ und die braunen Chats, die bei ihm gefunden wurden, existieren, aber den (bedingten) Vorsatz der NS-Wiederbetätigung, den bestreitet er entschieden.
Die Richterin fragt bei jedem ihm vorgehaltenen Anklagevorwurf, warum er das gemacht, gedacht bzw. geschrieben habe. Da fällt dem Thomas nicht viel ein. Uns fällt eines auf: sein politisches Interesse für die Identitären möchte Thomas gerne zur eigenen Weißwaschung verwenden. So nach dem Motto: Ich Rechtsextremer oder gar Nazi? Ich interessiere mich doch für die Identitären – quasi Mitte!
Etwas schäbig gegenüber dem Martin war da besonders die so beiläufig hingeschmissene Bemerkung, dass er, wenn er am Tablet irgendwelche Games gespielt hat, so nebenbei „immer irgendein Gelaber vom Sellner“ angehört habe. Verrat? Nun ja! Die Kameraden von „Unwiderstehlich“, in deren braunem Dunstkreis sich Thomas aufgehalten hat, mögen ja den Sellner uns seine Idis offiziell auch nicht wirklich. Da gibt es sogar Pamphlete, in denen sie über die Idis und den Martin herziehen – aus streng nationalsozialistischer Sicht ist das auch klar. Aber bei den Demos machen sie dann doch den Ordnerdienst für die Idis. Und außerdem kennt man sich ja gut, von früher und so.
Beim Thomas sind diese scheinbar widersprüchlichen Verbindungen auch gut erkennbar. Nicht in der Verhandlung, wo er mit seinem braunen Dreck kein Wässerchen getrübt haben will, aber bei dem wenigen, was von ihm in den neuen Medien sichtbar ist. 2016 lobt er die Idis, die gerade am Hauptbahnhof Köln ein riesiges Banner angebracht haben: „Klasse Burschen sind das! Respekt.“
Andererseits: Die Kameraden, die via Likes oder in der Freundschaftsliste bei ihm in den sozialen Medien ihre Duftmarke hinterlassen haben, stammen überwiegend aus dem braunen Milieu: „Unwiderstehlich“ und so ähnlich. Aber diese Widersprüche muss der Thomas jetzt zunächst einmal für drei Jahre mit sich allein ausmachen. Denn das Geschworenengericht, das den Thomas in zwei von zehn den Geschworenen vorgelegten Fragen einstimmig für schuldig befand, verurteilte ihn zu 16 Monaten Haft – eben bedingt auf drei Jahre. Thomas nimmt das Urteil an – somit rechtskräftig! Da heißt’s aufpassen, Thomas! Am besten: Nur mehr Games spielen und kein Gelaber nebenbei. Weder vom Sellner noch von Wotan oder anderen braunen Gesellen!