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Wieder Urteil zur Winkbewegung

Es gibt wie­der ein Urteil zu jenem Jung­frei­heit­li­chen, der am 24. Jän­ner 2019 aus dem Fens­ter der Bur­schen­schaft Gothia in der Wie­ner Schlös­sel­gas­se eine Hand­be­we­gung so aus­ge­führt hat, dass sie etli­che deut­lich ableh­nen­de Reak­tio­nen her­vor­ge­ru­fen hat. Jetzt wur­de die Kla­ge des mitt­ler­wei­le Bur­schen­schaf­ters gegen Chris­toph Baum­gar­ten, der am 25. Jän­ner 2019 dazu einen sati­ri­schen Beitrag […]

23. Sep 2021
Türschild der Gothia Wien
Türschild der Gothia Wien

Das Urteil des OLG Wien war eigent­lich erwart­bar. Nicht nur, weil das Lan­des­ge­richt Wien als Erst­ge­richt schon am 3.12.2019 die Anträ­ge des Bur­schen­schaf­ters abge­wie­sen hat­te. Der berief näm­lich gegen die­se Ent­schei­dung, wor­auf das OLG Wien am 27.5.2020 die­se auf­hob und die Sache zur neu­er­li­chen Ent­schei­dung und Ver­hand­lung an das Erst­ge­richt zurückverwies.

Mitt­ler­wei­le war aber eine ande­re Kla­ge des Bur­schen­schaf­ters in der­sel­ben Ange­le­gen­heit schon zu ihrer rechts­kräf­ti­gen Ent­schei­dung her­an­ge­reift. Am 16.12.2019 hat­te das Lan­des­ge­richt Wien die Kla­ge des Bur­schen­schaf­ters gegen das Online-Por­tal „Die Jüdi­sche“ bzw. des­sen Trä­ger­ver­ein abge­wie­sen. Was hat­te „Die Jüdi­sche“ gemacht, was die Kla­ge des spä­te­ren Gothen bewirk­te? Die Web­site hat­te ein­fach den sati­ri­schen Bei­trag von bal­kan sto­ries über­nom­men – eins zu eins.

Weil dem Jung-Bur­schen­schaf­ter und sei­nem Anwalt, dem Alt-Bur­schen­schaf­ter, die­se Ent­schei­dung des LG Wien eben­so wenig behag­te wie die des LG Wien zu Chris­toph Baum­gar­ten und des­sen iden­tem Bei­trag in den bal­kan sto­ries, berie­fen sie auch gegen die­ses Urteil, das aller­dings vom OLG Wien am 17.6.2020 bestä­tigt wur­de. Einer Anre­gung der bei­den an die Gene­ral­pro­ku­ra­tur, eine Nich­tig­keits­be­schwer­de zur Wah­rung des Geset­zes zu erhe­ben, kam die­se nicht nach. Damit war nicht nur das Urteil end­gül­tig rechts­kräf­tig, son­dern auch eine Steil­vor­la­ge für die wei­te­ren Ent­schei­dun­gen im Ver­fah­ren zu bal­kan sto­ries und Baum­gar­ten gege­ben. Schließ­lich waren die Bei­trä­ge ja ident, nur der Erschei­nungs­ter­min und das ver­öf­fent­li­chen­de Medi­um unterschiedlich.

Das Lan­des­ge­richt Wien, das im zwei­ten Rechts­gang noch ein­mal über die Kla­ge des Jung­frei­heit­li­chen ent­schei­den muss­te, blieb aller­dings bei sei­ner Ent­schei­dung und wies auch dies­mal die Kla­ge gegen Baum­gar­ten und bal­kan sto­ries ab. Dage­gen berie­fen der Jung- und der Alt­bur­schen­schaf­ter und Anwalt neu­er­lich, unter ande­rem mit dem Argu­ment, dass der Klä­ger (also der Jung-Bur­schen­schaf­ter) zum Zeit­punkt sei­ner Hand­be­we­gung noch gar nicht Mit­glied der Bur­schen­schaft Gothia gewe­sen sei und das Erst­ge­richt eine dies­be­züg­li­che Ein­ver­nah­me des Jung­frei­heit­li­chen aber abge­wie­sen habe.

Das OLG Wien hielt es aber eben­so wenig wie das Erst­ge­richt für ent­schei­dungs­re­le­vant, ob der Klä­ger am 24. Jän­ner 2019, als er aus dem Fens­ter der Bur­schen­schaft Gothia wink­te, Mit­glied der Gothia gewe­sen sei (er wur­de es nach eige­nen Anga­ben erst Mona­te spä­ter). Auch die ande­ren vom Klä­ger vor­ge­brach­ten Män­gel wur­den zurück­ge­wie­sen, vor allem aber der Ein­wurf, bei dem gegen­ständ­li­chen Bei­trag von Baum­gar­ten habe es sich nicht um Sati­re gehan­delt. Was das OLG Wien dazu aus­führ­te, ist durch­aus lesens­wert und kann hier nur in kur­zen Aus­zü­gen wie­der­ge­ge­ben werden.

Das Gericht zur Winkbewegung:

Wäh­rend der Pro­test­zug vor dem Bur­schen­schafts­ge­bäu­de Posi­ti­on bezo­gen hat­te, wink­te der Antrag­stel­ler mit sei­nem rech­ten Arm meh­re­re Sekun­den aus einem Fens­ter des zwei­ten Sto­ckes. Die­se zumin­dest sie­ben wischer­ar­ti­gen, etwa bei der Kör­per­mit­te begin­nen­den „Wink­be­we­gun­gen“ nach rechts Außen ende­ten jeweils mit einer Stre­ckung sei­nes rech­ten Armes kurz über Schul­ter­hö­he, wobei sei­ne rech­te Hand flach mit geschlos­se­nen Fin­gern in Rich­tung Stra­ße zei­gend nach oben gezo­gen war. Die­se Posi­tio­nen ent­spra­chen – wie auch den Licht­bil­dern im Arti­kel zu ent­neh­men – exakt der Stel­lung eines „Hit­ler­gru­ßes“. Unbe­fan­ge­ne Zuse­her konn­ten die­se Bewe­gung somit – je nach Dau­er des Erbli­ckens des Antrag­stel­lers – als Hit­ler­gruß oder in eine Wink­be­we­gung inte­grier­te mehr­fa­che Hit­ler­grü­ße verstehen.

Zu den Aus­sa­gen des Burschenschafters:

Den ver­le­se­nen zeu­gen­schaft­li­chen Aus­füh­run­gen des Antrag­stel­lers selbst konn­te dem­ge­gen­über kaum Rele­van­tes ent­nom­men wer­den, zumal des­sen Anga­ben dem Gericht über wei­te Stre­cken als unglaub­haft, aus­wei­chend oder beschwich­ti­gend erschie­nen und er kei­nes­wegs einen um die Auf­klä­rung der Wahr­heit bemüh­ten Ein­druck zu hin­ter­las­sen vermochte.

Zum geklag­ten Arti­kel in bal­kan stories:

Soweit in der Schuld­be­ru­fung wei­ters vor­ge­bracht wird, es hand­le sich bei dem Arti­kel um kei­ne Sati­re, so ist dem ent­ge­gen­zu­hal­ten, dass der Leser dies kei­nes­wegs nur dar­aus erken­nen kön­ne, als der letz­te Satz „Die­ser Bei­trag könn­te mög­li­cher­wei­se sati­ri­schen Inhalt ent­hal­ten“ lau­tet, son­dern viel­mehr der gesam­te Arti­kel, der sich ja im Wesent­li­chen nicht so sehr damit aus­ein­an­der- setzt, ob der Antrag­stel­ler tat­säch­lich den Hit­ler­gruß gezeigt hat oder nicht, son­dern viel­mehr damit, wie der Antrag­stel­ler in sei­ner Face­book-Mit­tei­lung die­sem in ande­ren Medi­en (und einem Ermitt­lungs­ver­fah­ren) erho­be­nen Vor­wurf ent­ge­gen­tritt, in einem Stil abge­fasst ist, der beim Leser eben den Ein­druck einer sati­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zung nicht aber eines Tat­sa­chen­be­richts ent­ste­hen lässt. So wird die Tages­zei­tung „Der Stan­dard“ als „umstürz­le­ri­sches Revo­luz­zer­blatt des kom­mu­nis­ti­schen und gewalt­be­rei­ten Pro­le­ta­ri­ats“ bezeich­net, und die Demons­tran­ten als „links­links­grün­kom­mu­nis­ti­sches Gesin­del“ und der Antrag­stel­ler als „wacke­rer F.….…“. Auch die „Unter­stel­lung“, dass der Antrag­stel­ler „die Schnee­hö­he in Tirol anzei­gen habe wol­len“, wird vom Leser natür­lich als sati­ri­scher Non­sens und nicht etwa die Wie­der­ga­be der Ver­ant­wor­tung des Antrag­stel­lers in sei­nem Ermitt­lungs­ver­fah­ren verstanden.

Kurz und gut: Das OLG Wien ent­schied am 15.9.2021, dass der Beru­fung des jung­frei­heit­li­chen und bur­schen­schaft­li­chen Klä­gers nicht statt­ge­ge­ben wird und er auch die Kos­ten des Beru­fungs­ver­fah­rens zu tra­gen hat. Damit ist auch die­se Kla­ge auf dem ordent­li­chen Rechts­weg nach lan­gen Mühen und hohen Kos­ten zu ihrem durch­aus ver­dien­ten Ende gekommen.

➡️ Gothia: Nicht „nor­mal“ gewunken

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