Das Urteil des OLG Wien war eigentlich erwartbar. Nicht nur, weil das Landesgericht Wien als Erstgericht schon am 3.12.2019 die Anträge des Burschenschafters abgewiesen hatte. Der berief nämlich gegen diese Entscheidung, worauf das OLG Wien am 27.5.2020 diese aufhob und die Sache zur neuerlichen Entscheidung und Verhandlung an das Erstgericht zurückverwies.
Mittlerweile war aber eine andere Klage des Burschenschafters in derselben Angelegenheit schon zu ihrer rechtskräftigen Entscheidung herangereift. Am 16.12.2019 hatte das Landesgericht Wien die Klage des Burschenschafters gegen das Online-Portal „Die Jüdische“ bzw. dessen Trägerverein abgewiesen. Was hatte „Die Jüdische“ gemacht, was die Klage des späteren Gothen bewirkte? Die Website hatte einfach den satirischen Beitrag von balkan stories übernommen – eins zu eins.
Weil dem Jung-Burschenschafter und seinem Anwalt, dem Alt-Burschenschafter, diese Entscheidung des LG Wien ebenso wenig behagte wie die des LG Wien zu Christoph Baumgarten und dessen identem Beitrag in den balkan stories, beriefen sie auch gegen dieses Urteil, das allerdings vom OLG Wien am 17.6.2020 bestätigt wurde. Einer Anregung der beiden an die Generalprokuratur, eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu erheben, kam diese nicht nach. Damit war nicht nur das Urteil endgültig rechtskräftig, sondern auch eine Steilvorlage für die weiteren Entscheidungen im Verfahren zu balkan stories und Baumgarten gegeben. Schließlich waren die Beiträge ja ident, nur der Erscheinungstermin und das veröffentlichende Medium unterschiedlich.
Das Landesgericht Wien, das im zweiten Rechtsgang noch einmal über die Klage des Jungfreiheitlichen entscheiden musste, blieb allerdings bei seiner Entscheidung und wies auch diesmal die Klage gegen Baumgarten und balkan stories ab. Dagegen beriefen der Jung- und der Altburschenschafter und Anwalt neuerlich, unter anderem mit dem Argument, dass der Kläger (also der Jung-Burschenschafter) zum Zeitpunkt seiner Handbewegung noch gar nicht Mitglied der Burschenschaft Gothia gewesen sei und das Erstgericht eine diesbezügliche Einvernahme des Jungfreiheitlichen aber abgewiesen habe.
Das OLG Wien hielt es aber ebenso wenig wie das Erstgericht für entscheidungsrelevant, ob der Kläger am 24. Jänner 2019, als er aus dem Fenster der Burschenschaft Gothia winkte, Mitglied der Gothia gewesen sei (er wurde es nach eigenen Angaben erst Monate später). Auch die anderen vom Kläger vorgebrachten Mängel wurden zurückgewiesen, vor allem aber der Einwurf, bei dem gegenständlichen Beitrag von Baumgarten habe es sich nicht um Satire gehandelt. Was das OLG Wien dazu ausführte, ist durchaus lesenswert und kann hier nur in kurzen Auszügen wiedergegeben werden.
Das Gericht zur Winkbewegung:
Während der Protestzug vor dem Burschenschaftsgebäude Position bezogen hatte, winkte der Antragsteller mit seinem rechten Arm mehrere Sekunden aus einem Fenster des zweiten Stockes. Diese zumindest sieben wischerartigen, etwa bei der Körpermitte beginnenden „Winkbewegungen“ nach rechts Außen endeten jeweils mit einer Streckung seines rechten Armes kurz über Schulterhöhe, wobei seine rechte Hand flach mit geschlossenen Fingern in Richtung Straße zeigend nach oben gezogen war. Diese Positionen entsprachen – wie auch den Lichtbildern im Artikel zu entnehmen – exakt der Stellung eines „Hitlergrußes“. Unbefangene Zuseher konnten diese Bewegung somit – je nach Dauer des Erblickens des Antragstellers – als Hitlergruß oder in eine Winkbewegung integrierte mehrfache Hitlergrüße verstehen.
Zu den Aussagen des Burschenschafters:
Den verlesenen zeugenschaftlichen Ausführungen des Antragstellers selbst konnte demgegenüber kaum Relevantes entnommen werden, zumal dessen Angaben dem Gericht über weite Strecken als unglaubhaft, ausweichend oder beschwichtigend erschienen und er keineswegs einen um die Aufklärung der Wahrheit bemühten Eindruck zu hinterlassen vermochte.
Zum geklagten Artikel in balkan stories:
Soweit in der Schuldberufung weiters vorgebracht wird, es handle sich bei dem Artikel um keine Satire, so ist dem entgegenzuhalten, dass der Leser dies keineswegs nur daraus erkennen könne, als der letzte Satz „Dieser Beitrag könnte möglicherweise satirischen Inhalt enthalten“ lautet, sondern vielmehr der gesamte Artikel, der sich ja im Wesentlichen nicht so sehr damit auseinander- setzt, ob der Antragsteller tatsächlich den Hitlergruß gezeigt hat oder nicht, sondern vielmehr damit, wie der Antragsteller in seiner Facebook-Mitteilung diesem in anderen Medien (und einem Ermittlungsverfahren) erhobenen Vorwurf entgegentritt, in einem Stil abgefasst ist, der beim Leser eben den Eindruck einer satirischen Auseinandersetzung nicht aber eines Tatsachenberichts entstehen lässt. So wird die Tageszeitung „Der Standard“ als „umstürzlerisches Revoluzzerblatt des kommunistischen und gewaltbereiten Proletariats“ bezeichnet, und die Demonstranten als „linkslinksgrünkommunistisches Gesindel“ und der Antragsteller als „wackerer F.….…“. Auch die „Unterstellung“, dass der Antragsteller „die Schneehöhe in Tirol anzeigen habe wollen“, wird vom Leser natürlich als satirischer Nonsens und nicht etwa die Wiedergabe der Verantwortung des Antragstellers in seinem Ermittlungsverfahren verstanden.
Kurz und gut: Das OLG Wien entschied am 15.9.2021, dass der Berufung des jungfreiheitlichen und burschenschaftlichen Klägers nicht stattgegeben wird und er auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen hat. Damit ist auch diese Klage auf dem ordentlichen Rechtsweg nach langen Mühen und hohen Kosten zu ihrem durchaus verdienten Ende gekommen.