In einer am 12. Oktober veröffentlichten Erklärung kündigt Facebook an, „künftig weltweit* jegliche Inhalte, die den Holocaust leugnen oder verharmlosen“, verbieten zu wollen. Das Sternchen bei „weltweit“ erklärt FB damit, dass in Ländern, die Holocaustleugnung strafrechtlich verfolgen, solche Inhalte von FB „bereits seit langem“ blockiert würden, „sobald wir darauf aufmerksam werden“. Nun, da könnten wohl sehr viele Facebook-User*innen Geschichten erzählen, wie sie vergeblich versucht haben, auf solche Vorkommnisse aufmerksam zu machen.
Es gibt aber noch einen zweiten Punkt in der Erklärung von Facebook, der wichtig ist: „Außerdem haben wir – infolge monatelanger Gespräche mit unabhängigen Experten – kürzlich unsere Richtlinien aktualisiert, um antisemitische Stereotype zu entfernen, die behaupten, dass Juden die Welt kontrollieren würden.“
Dieser Punkt ist vermutlich um einiges gewichtiger (weil viel häufiger) als die offene Holocaust-Leugnung, die mittlerweile in andere Foren, Boards und Plattformen (vk.com, reddit, 8kun usw.) verlagert wurde. Twitter hat in Reaktion auf Facebook ebenfalls angekündigt, alle Tweets löschen zu wollen, die den Holocaust und andere Völkermorde leugnen. „Eine formelle Änderung der Twitter-Regeln gibt es dazu nicht. Vielmehr handelt es sich um eine Auslegung der bereits bestehenden Richtlinie zu Hass schürendem Verhalten.“ (heise.de, 15.10.20)
Unabhängig davon, wie konsequent diese Ankündigungen umgesetzt werden, stellen sich schon jetzt einige Fragen jenseits der bedeutsamen Bewertung, in welcher rechtlichen Rolle sich die großen Netzwerke dabei sehen und wie ihre Verantwortung bei Verhetzung, Beleidigung und NS-Wiederbetätigung usw. in Zukunft von den Rechtssystemen der jeweiligen Länder gesehen wird.
Offen ist zum Beispiel auch die Frage, ob sich die Erklärung von Facebook auch auf private (früher: geschlossene) und geheime Gruppen bezieht, die mitunter beträchtliche Größe und Verbreitung erreichen.
Die nächsten Wochen werden zeigen, ob damit auch die Konten von Holocaustleugnern wie Wolfgang Fröhlich geschlossen werden, der etwa in einer Erklärung auf seinem Facebook-Konto gegen die österreichische „stalinistische Justiz“ hetzt, die ihn wegen seiner widerlichen Gaskammer- und Zyklon-B-Lügen verurteilt hat, was er als „gerichtliche Festschreibung und Verbreitung von Geschichtslügen, die mit den Naturgesetzen unvereinbar sind“, bezeichnet. Da hätten wir wohl neuerlich eine Holocaust-Leugnung, oder?
Bei Fröhlichs Facebook-Konto ist allerdings ebenso interessant, dass es zwar nur wenige FB-Freundschaften hat, dafür aber die von zwei aktiven FPÖ-Abgeordneten, einem früheren FPÖ-Vizekanzler und Parteivorsitzenden und einer FPÖ- Präsidentschaftskandidatin.
Die Motive der großen Portale sind wohl in erster Linie in den Boykottankündigungen zahlreicher großer Unternehmen zu finden, die nicht mit Rassismus in Verbindung gebracht werden wollten. Noch im Juli, als Holocaust-Überlebende an Facebook zu mehr Einsatz gegen die Holocaust-Leugner appellierten, klangen die Erklärungen von Facebook trotzig bis ablehnend, so Heise:
Eine Facebook-Sprecherin sagte laut einem Bericht der Jerusalem Post, auch wenn Facebook gegen viele Beträge auf seiner Plattform Einwände erhebe, würden sie nicht einfach deshalb entfernt, weil sie falsch sind. Facebook wisse, dass dadurch manchmal Material veröffentlicht wird, das historischen und sachlichen Beweisen zuwiderläuft. Der Betreiber des sozialen Netzwerks will aber eine Plattform bieten, die es ermögliche, Unwahrheiten zu bekämpfen und ihnen entgegenzuwirken.
Gegen QAnon ging der Facebook-Konzern in den letzten Wochen sehr umfassend vor, wie die Deutsche Welle berichtete:
Im August hatte Facebook bereits rund 800 Gruppen, 100 Seiten und 1500 Anzeigen mit Verbindungen zu QAnon aus seinem Netzwerk entfernt. Für mehr als 10.000 Instagram-Konten, 440 Facebook-Seiten und fast 2000 Facebook-Gruppen wurden zudem Restriktionen verhängt, um die Reichweite von QAnon-Inhalten einzuschränken. Auch mehr als 300 sogenannte Hashtags — also Schlagworte — mit Bezug zu QAnon wurden deshalb in beiden Netzwerken blockiert. Der Foto-Onlinedienst Instagram gehört seit 2012 zu Facebook.
Dabei hat die Löschaktion des Facebook-Konzerns auch österreichische Seiten von QAnon, Gruppen und – nach und nach – auch viele Personenkonten erwischt, in denen QAnon auftauchte.