Dagmar Belakowitsch im Kuratorium des Nationalfonds

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Nach­dem der FPÖ der jüdi­sche Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te David Lasar abhan­den gekom­men ist, muss­te es für das Kura­to­ri­um des Natio­nal­fonds für Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus eine Nach­fol­ge geben. Grund genug, genau­er zu schau­en, wer nun in die­sem hoch­sen­si­blen Gre­mi­um die FPÖ vertritt.

Wir erin­nern uns an den Skan­dal im Juni 2019, als plötz­lich Mar­tin Graf im Kura­to­ri­um des öster­rei­chi­schen Natio­nal­fonds am der für die Drit­te Natio­nal­rats­prä­si­den­tin – damals Anne­lie­se Kitz­mül­ler – reser­vier­ten Ses­sel Platz genom­men hat­te. Das wur­de nicht nur wegen der Per­so­na­lie Graf als Pro­vo­ka­ti­on wahr­ge­nom­men, son­dern auch, weil die drei Natio­nal­rats­prä­si­den­tIn­nen gar nicht ver­tre­ten wer­den können.

In der Israe­li­ti­schen Kul­tus­ge­mein­de (IKG) zeig­te man sich ob der Teil­nah­me Grafs an der Sit­zung des Natio­nal­fonds ent­setzt. IKG-Prä­si­dent Oskar Deutsch über­mit­tel­te Natio­nal­rats­prä­si­dent Wolf­gang Sobot­ka (ÖVP) am Mitt­woch ein Schrei­ben. Dar­in heißt es, die IKG kön­ne die Ent­sen­dung von Graf „in die­ses für die Repu­blik so wich­ti­ge Gre­mi­um nicht taten­los hin­neh­men“. (…) Sein Schrei­ben an Sobot­ka schließt IKG-Prä­si­dent Deutsch mit den Wor­ten: „Solan­ge Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ter Mag. Dr. Mar­tin Graf im Kura­to­ri­um des Natio­nal­fonds zuge­gen ist, wird die Kul­tus­ge­mein­de ihr Man­dat in die­sem Gre­mi­um ruhend stel­len.“ (pro­fil, 20.6.19)

Anne­lie­se Kitz­mül­lers poli­ti­sche Kar­rie­re ist zu Ende, inzwi­schen hat der Bur­schen­schaf­ter Nor­bert Hofer ihren Platz im Prä­si­di­um des Natio­nal­rats und damit eben­falls im Natio­nal­fonds ein­ge­nom­men. Und auf David Lasar folgt nun aus­ge­rech­net Dag­mar Bela­ko­witsch, die wie vie­le ihrer Par­tei­gän­ge­rIn­nen gerin­ge Berüh­rungs­ängs­te zeigt, wenn es dar­um geht, beim rechts­extre­men und auch neo­na­zis­ti­schen Rand anzustreifen.

Bela­ko­witschs poli­ti­sche Kar­rie­re bei der FPÖ begann bereits Mit­te der 1990er-Jah­re direkt in Stra­ches Home­ba­se, der FPÖ Wien-Land­stra­ße. Mit Stra­ches Auf­stieg begann auch jener von Bela­ko­witsch, zuerst in Wien und dann ab 2006 in den Natio­nal­rat. Ver­hei­ra­tet ist sie mit dem FPÖ-Mit­ar­bei­ter Kon­rad Bela­ko­witsch, der eben­so wie ihr Bru­der Hans-Jörg Jene­wein bei der Bur­schen­schaft Sile­sia ist.

Als im Jahr 2008 ein mit 1.500 Teil­neh­men­den ange­kün­dig­ter Anti-Islam-Kon­gress in Köln statt­fin­den soll­te, war neben Harald Vilims­ky, Johann Gude­nus auch Dag­mar Bela­ko­witsch mit an Bord. Der Kon­gress ist zwar wegen der hef­ti­gen Gegen­pro­tes­te jäm­mer­lich geschei­tert, aber dass die Ver­an­stal­ter mit Neo­na­zis durch­setzt waren, stell­te für die FPÖ-Dele­ga­ti­on offen­bar kein Hin­de­rungs­grund für ihre Teil­nah­me dar:

Dass die ver­an­stal­ten­de „Pro-Köln”-Bewegung von einem Mann geführt wird, der kurz zuvor noch mit neo­na­zis­ti­schen Ton­trä­gern gehan­delt hat, wegen sei­ner Zusam­men­ar­beit mit Neo­na­zis unter Beob­ach­tung des Ver­fas­sungs­schut­zes steht und dass die Grup­pie­rung von Intel­lek­tu­el­len wie Ralph Giord­a­no als „loka­le Vari­an­te des zeit­ge­nös­si­schen Natio­nal­so­zia­lis­mus” titu­liert wird, stört die frei­heit­li­chen Spit­zen­po­li­ti­ker eben­so wenig wie die Teil­nah­me von NPD-Akti­vis­ten und Expo­nen­ten ande­rer neo­na­zis­ti­scher Grup­pie­run­gen. Auch die FPÖ-Abge­ord­ne­te zum Natio­nal­rat Susan­ne Win­ter, ihr Frak­ti­ons­kol­le­ge Wer­ner Neu­bau­er und der Wie­ner Land­tags­ab­ge­ord­ne­te Wolf­gang Jung sind als Red­ner bei Ver­an­stal­tun­gen der Pro-Bewe­gung auf­ge­tre­ten, die vom nord­rhein-west­fä­li­schen Innen­mi­nis­te­ri­um als ‚Neo­na­zis im Nadel­streif’ und von der Staats­an­walt­schaft Bochum als ‚Vor­feld­or­ga­ni­sa­ti­on des rech­ten Ter­rors’ bezeich­net wird. (Schar­sach, Stra­che im brau­nen Sumpf)

Ein Jahr zuvor ent­blö­de­te sich Bela­ko­witsch im all­ge­mei­nen Isla­mi­sie­rungs­wahn ihrer Par­tei nicht, in einer Pres­se­aus­sendung zu fan­ta­sie­ren, „dass die mus­li­mi­schen Zuwan­de­rer zwar min­des­tens 10 Pro­zent der Organ­spen­den für sich in Anspruch näh­men, sel­ber aber zu kei­ner­lei Spen­de bereit sei­en”, berich­te­te das DÖW in sei­ner Rubrik, Neu­es von ganz rechts. Auch hier wer­den die neo­na­zis­ti­schen Ver­bin­dun­gen von „Pro-Köln“ thematisiert.

Im Juni 2015 hat­te Bela­ko­witsch wohl ihren bis­lang „berühm­tes­ten“ Auftritt:

… Und das, Frau Innen­mi­nis­te­rin, ist näm­lich genau das Pro­blem. Die­se Abschie­bun­gen sind teu­er und sie weh­ren sich ja auch mas­siv dage­gen, weil die NGOs ste­hen ja schon im Hin­ter­grund und sagen: „Wenn du recht laut schreist, wird das abge­bro­chen.” Daher, Frau Innen­mi­nis­ter, wäre es ein­mal mög­lich auch neue Wege zu gehen und zu über­le­gen, ob man nicht viel­leicht mit der Her­cu­les-Maschi­ne abschie­ben könn­te, denn dann könn­ten sie da drin­nen schrei­en, so laut sie wollen.

Weni­ge Mona­te spä­ter bezeich­ne­te Bela­ko­witsch in der ZiB 24 Geflüch­te­te als „Lum­pen­pro­le­ta­ri­at“ und schloss damit an den NS-Sprach­ge­brauch an:

Es sind (sic) nicht die gro­ße Men­ge der Inge­nieu­re, son­dern es ist eher das Lum­pen­pro­le­ta­ri­at, das hier nach Öster­reich kommt. (…) Auch im Natio­nal­so­zia­lis­mus wur­de das „Lum­pen­pro­le­ta­ri­at” als bio­lo­gis­ti­sche Kate­go­rie zur Klas­si­fi­zie­rung von Men­schen ver­wen­det. Für die Nazis bestand das „Lum­pen­pro­le­ta­ri­at’ aus dem ‚Abfall aller sozia­len Schich­ten”, den Ent­ar­te­ten und Psy­cho­pa­then, die nichts zur Wirt­schaft bei­zu­tra­gen hat­ten. Wäh­rend der NS-Zeit gal­ten die­je­ni­gen Men­schen, die der dama­li­gen Auf­fas­sung nach zum „Lum­pen­pro­le­ta­ri­at” zähl­ten, als unbrauch­bar und aso­zi­al und wur­den mit­un­ter ein Ziel der Ras­sen­hy­gie­ne. (vice.com, 20.11.15)

Im Gut­ach­ten des deut­schen Ver­fas­sungs­schut­zes zur AfD, als Teil­or­ga­ni­sa­tio­nen der AfD zum Ver­dachts­fall und die FPÖ-Schwes­ter­par­tei im Gan­zen zum Prüf­fall erklärt wur­den, heißt es in der Begründung:

Allen oben zitier­ten Aus­sa­gen ist gemein, dass Flücht­lin­ge bzw. Migran­ten in ihrer Gesamt­heit in pau­scha­li­sie­ren­der Wei­se abge­wer­tet wer­den. Durch die Beschrei­bung als ‚Lum­pen­pro­le­ta­ri­at’ wer­den sie auf die gesell­schaft­lich tiefs­te Stu­fe ein­ge­ord­net, als kri­mi­nell, gewalt­tä­tig, frau­en­ver­ach­tend, mora­lisch ver­kom­men und sexu­ell trieb­ge­steu­ert kate­go­ri­siert mit dem Ziel, Ängs­te und Vor­ur­tei­le gegen Migran­ten in der Bevöl­ke­rung zu schü­ren. Die­se abschät­zi­ge Ver­bal­kri­tik an einer Bevöl­ke­rungs­grup­pe führt dann zu einem Ver­stoß gegen die Men­schen­wür­de des Ein­zel­nen, wenn der nega­ti­ven Zuschrei­bung auch fak­ti­sche recht­li­che Nach­tei­le für eine bestimm­te Bevöl­ke­rungs­grup­pe fol­gen. (…) Auch dies ist mit der in Art. 1 Abs. 1 GG fest­ge­schrie­be­nen Garan­tie der Men­schen­wür­de unvereinbar.

Als Her­bert Kickl im Jän­ner 2019 zur Aus­he­be­lung der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on ansetz­te, indem er mein­te, das Recht habe der Poli­tik zu fol­gen und nicht umge­kehrt, rück­te Bela­ko­witsch im Natio­nal­rat wie so oft hys­te­risch-schrei­end zu des­sen Ver­tei­di­gung aus: „Es darf kei­ne Denk­ver­bo­te geben. (…) Nie­mals haben wir uns damit abzu­fin­den, dass Geset­ze uns in unse­rem Han­deln behindern.“

Die Ableh­nung sol­cher Über­le­gun­gen zur Ein­schrän­kung der 1950 erlas­se­nen Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on und das Lieb­äu­geln mit auto­ri­tä­ren Herr­schafts­ge­lüs­ten soll­ten gesamt­ge­sell­schaft­lich, aber vor allem im Kura­to­ri­um des Natio­nal­fonds gar nicht erst als „Denk­ver­bot“ qua­li­fi­ziert wer­den, son­dern für alle Mit­glie­der als ethi­sche Selbst­ver­ständ­lich­keit gel­ten. Wer das nur ansatz­wei­se anders sieht, hat in die­sem Gre­mi­um nichts zu suchen.