Der eigentliche Skandal ist nicht der alternde Neonazi, den die Rührung überkommt, wenn er einige kostümierte Neonazis, unter ihnen „seine“ Jungs, aufmarschieren sieht, sondern der Umstand, dass sich in einer europäischen Hauptstadt unter polizeilichem Begleitschutz Hunderte Neonazis zusammenrotten und ganz offen – auch als SS kostümiert – durch die Stadt marschieren dürfen. Budapest 2020, die Hauptstadt von Viktor Orbáns illiberaler Herrschaft!
Einer der in #Budapest beim #TagderEhre / #MarschderEhre anwesenden Thüringer #Nazis ist Martin Gärtlein. Mit SS-Abzeichen. Er war u.a. auch letztes Jahr schon beim neonazistischen #DayofHonour, damals u.a.m. Sebastian Dahl, Kahla.
Paar Infos zu Gärtlein: https://t.co/lv7oTtOC6Q https://t.co/gyAhXyV4XC pic.twitter.com/zXp8JSOzVq— (((Katharina König-Preuss)))???? (@KatharinaKoenig) February 8, 2020
Seit 20 Jahren findet zum Gedenken an die Belagerung Budapests durch sowjetische Truppen bzw. den verzweifelten Ausbruchsversuch, der am 12. Februar 1945 mit der fast völligen Auslöschung der 17.000 Ausgebrochenen und darauf folgender Kapitulation endete, dieser groteske Aufmarsch von Neonazis statt.
Hitler hatte während der monatelangen und sehr verlustreichen Belagerung Budapest zur Festung erklärt, jeden Ausbruchsversuch verboten und eine Gegenoffensive angeordnet. Im Innern der belagerten Stadt terrorisierten Pfeilkreuzler und SS die Bevölkerung, vor allem die wenigen im Ghetto verbliebenen Juden. Einer der beim Ausbruchsversuch Umgekommenen war der Wehrmachtsgeneral Gerhard Schmidhuber, der zuvor noch das Ghetto gegen die Mordbanden der Pfeilkreuzler unter Schutz gestellt hatte. Das und den Widerstand gegen Hitlers Ausbruchsverbot haben die geschichtsverlorenen Neonazis sicher nicht im Sinn, wenn sie – wie der deutsche Neonazi Matthias Deyda, „Auslandsbeauftragter“ der braunen Splitterpartei „Die Rechte“ – vom „europäischen Befreiungskampf“ schwätzen und als ihren Feind natürlich Rothschild oder Goldman und Sachs benennen. Soros hat er vergessen zu erwähnen, aber gegen den kämpft eh schon der Viktor Orban!
Wie viele Neonazis da aus halb Europa, aber natürlich vor allem aus Ungarn, zu diesem braunen Spektakel zusammengekommen sind, lässt sich aus den diversen Berichten nur ungefähr zusammenreimen. Die meisten Berichte halten 500 bis 700 für realistisch, nur die Neonazis von „Die Rechte“ träumen von Tausenden. Auffällig war beim heurigen Aufmarsch, der von der „Legio Hungaria“ und den „Hammerskins“ organisiert und abgesichert wurde, dass die in den letzten Jahren dominante „Blood & Honour“-Präsenz weniger sichtbar war. Die ungarischen Neonazis sind sich nämlich auch untereinander spinnefeind. Die schwer antisemitische „Legio“, die sich mit der deutschen Nazi-Gruppe „Die Rechte“ im „Bündnis Festung Europa“ zusammengespannt hat, ist für Überfälle auf das linke Kulturzentrum „Aurora“ im Vorjahr verantwortlich.
Aus Österreich waren heuer nur einige wenige der üblichen Verdächtigen angereist, aber mehr als in früheren Jahren, in denen sie völlig geschwänzt hatten. Auch in diesem Jahr ist dem braunen Aufmarsch ein antifaschistisches Bündnis, an dem sich einige hundert Personen beteiligten, entgegengetreten.
➡️ Bericht Belltower mit Video: „Unser Feind heisst Rothschild und Goldman und Sachs”