„‚Was passiert, wenn die Polizei Strache am Freitag vor der Wahl zum Verhör abholt? Vielleicht sogar noch in Handschellen’, artikulieren die FPÖ-Mandatare ihre Befürchtungen. Wie würde sich wohl so ein Bild auf den Wahlgang auswirken?“ (Kurier, 26.9.19) Es scheint das „Bild“ zu sein, das die FPÖ abstrahlen könnte, wenn es Strache erwischt. Weniger die internen Vorgänge, weniger das, was da passiert ist. Das ist verständlich für jene, die der Partei und ihrem Ex-Obmann in Nibelungentreue ergeben waren oder noch sind, nicht nachvollziehbar ist jedoch, dass es die blaue Landespartei dermaßen auf dem falschen Fuß erwischt hat.
Dass der ehemalige Angestellte im FPÖ-Parlamentsklub, später in Straches Ministeriumskabinett und Bezirksrat Oliver R. eine Rolle rund um Ibiza gespielt haben könnte, kursierte bereits knapp nach der Veröffentlichung des belasteten Videomitschnitts. Auch wir hatten davon Kenntnis, in Medien wurde es angedeutet. Und die FPÖ selbst hat davon tatsächlich nichts mitbekommen? Sehr unwahrscheinlich!
Dass es gerade in einer strukturell auf Law & Order angelegten Partei zu persönlich motivierten Malversationen kommen kann, ist klar. Die Wiener Landespartei ist für ihre Durchgriffe von oben, wenn es unten knistert oder kracht, besonders bekannt. Da werden schon mal renitente Bezirksräte kurzerhand entfernt oder wieder auf Kurs gebracht.
Postenbesetzungen erfolgen vielfach nach nepotistischen Prinzipien, somit konnten sich einige im blauen System bestens einrichten. Johann Gudenus spielte den bis zum Erbrechen präpotenten Wiener Scharfmacher. Bis er über Ibiza stolperte. Warum gerade er, der seinen Mund immer laut aufgemacht hatte, sich sang- und klanglos zurückgezogen hat, wird Gründe haben. Er musste als langjähriger Klubobmann der Wiener FPÖ, ab 2018 Parteichef und als Statthalter von Strache über dessen Spesengebaren zumindest Bescheid gewusst haben. Noch naheliegender ist, dass er die schamlose Selbstbedienung aus der Parteikassa mitbeschlossen hat. Wer würde sich darüber wundern, wenn nicht nur Strache selbst, sondern auch andere großzügig bedient wurden? Dass Ibiza ausgerechnet über Gudenus eingefädelt wurde, zeigt, dass dessen Anfälligkeit für Korruptionsphantasien seitens der Ibiza-Macher offenbar einkalkuliert wurde. Die Rechnung ist, wie wir seit dem 17. Mai wissen, voll aufgegangen.
Dass die FPÖ nun auf Opfer spielt, ist nicht erstaunlich, denn das ist die Rolle, die sie am besten kann. Den Vogel hat dabei Parteichef Hofer abgeschossen, als er in seinem einer bundespräsidentiellen Neujahrsansprache angeglichenen Video an die „Österreicher und Österreicherinnen“ selbst Straches Ex-Bodyguard zum Opfer eines „kriminellen Netzwerks“ stempelte, das zum Ziel habe, die FPÖ zu „vernichten“: „Wir wissen heute, dass dieses Netzwerk nicht davor zurückgeschreckt ist, einen der engsten Mitarbeiter des früheren FPÖ-Obmanns Heinz-Christian Strache für seine Zwecke einzusetzen. Jahrelang wurde dieser Mitarbeiter offenbar dazu angestiftet, Material über Heinz-Christian Strache zu sammeln und den Hintermännern dieses Komplotts zu übergeben.“ Was bisher bekannt ist, dürfte es jedoch genau umgekehrt gewesen sein: „Der Mann, der auch als Polizist tätig war, galt als enger Vertrauter des langjährigen FPÖ-Chefs. Vor rund fünf Jahren sollen sich die beiden allerdings überworfen haben. Daraufhin begann der Bodyguard, Rechnungsbelege, SMS und kompromittierende Situationen zu fotografieren und zu dokumentieren. Das Material teilte er offenbar mit seinem Anwalt, der später in die Produktion des Ibiza-Videos involviert war. Der Auftritt der falschen Oligarchennichte, mit der Strache und sein Vize Johann Gudenus Korruptionsfantasien auslebten, soll auf Basis der vom Bodyguard gesammelten Informationen geplant worden sein.“ (derstandard.at, 24.9.19)
Inwiefern sich der blaue Spesenskandal auf die Nationalratswahl auswirken wird, werden wir am Sonntag wissen. Er könnte bewirken, dass die FPÖ unter 20% fällt und damit unter jene Grenze, die manche Freiheitliche als Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung seitens der FPÖ als Grenze definiert haben. „Abwerzger ist aber nicht der einzige Freiheitliche, der betont: Sollte die FPÖ unter 20 Prozent fallen, sei eine Koalitionsbildung schwierig. ‚Dann sind keine Verhandlungen auf Augenhöhe möglich”, sagt der FPÖ-Landespolitiker.’“ (derstandard.at, 8.9.19)
Eines ist aber prognostizierbar: In der FPÖ werden die parteiinternen Machtkämpfe nach dem 29. September erst richtig losgehen. Und übrig bleibt einmal mehr die Feststellung: Mit der FPÖ ist kein Staat zu machen, höchstens ein blauer Hofstaat.