Andreas Khol von der ÖVP war früher einmal deren Klubobmann im Nationalrat und so etwas wie der Erfinder des von ihm definierten Verfassungsbogens: Einmal war die FPÖ nicht im Verfassungsbogen, später aber in der Koalition mit der ÖVP und daher selbstverständlich im Bogen und unter dem besonderen Schutz von Andreas Khol. So einfach und so ähnlich stellen sich das die ÖVP und Andreas Khol auch jetzt bei den Identitären vor. Obwohl: Konkrete Vorstellungen, wie ein Verbot der Identitären rechtlich umzusetzen wäre, liegen noch nicht vor. Die ÖVP will also die Identitären als Verein verbieten und das Verbot sogar zur Koalitionsbedingung machen, weiß aber noch nicht, wie sie so ein Verbot rechtlich umsetzen will.
Überraschung, ÖVP! Die Identitären gibt es gar nicht als Verein, also können sie auch nicht verboten werden. Und – das weiß auch Samhaber aus OÖ – man kann ihnen daher auch nicht beitreten. Nun, ganz so einfach ist die Sache vermutlich nicht. Der „Verein zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität“ mit dem alleinig vertretungsberechtigten Chef Martin Sellner ist so etwas wie der vorgelagerte Tarnverein der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ). Würde man diesen Verein verbieten, dann muss sich die Webseite der IBÖ ein neues Impressum suchen. Über den Tarnverein laufen mittlerweile auch keine Konten mehr, durch sein Verbot kann die Finanzierungsbasis der IBÖ also auch nicht geschwächt oder zerstört werden.
Die IBÖ sieht sich, wie der Name schon vermuten lässt, als Bewegung. Nun ja, die Bewegung entpuppt sich als ziemlich hierarchische Struktur, die aus Hopliten, Spartiaten und Sympathisanten besteht. Natürlich kann es trotz fehlender Registrierung der IBÖ als Verein so etwas wie eine Mitgliederliste geben. Der Bund freier Jugend (BfJ), eine Neonazi-Struktur Anfang der 2000er in OÖ, war auch nicht als Verein registriert, seine Aktivisten bestritten Mitgliederstrukturen, führten aber brav Mitgliederlisten, in die sie die besonderen Vorlieben und Interessen ihrer Schäfchen eintrugen. Gottfried Küssel hat seine klandestine Nazi-Organisation VAPO auch nicht bei der Vereinsbehörde angemeldet, aber als pedanter Nazi natürlich brav Mitgliederlisten angelegt und damit letztendlich der Staatspolizei die Arbeit erleichtert.
Allerdings deutet nichts darauf hin, dass die Identitären die gleichen dummen Fehler wie die Neonazis machen. Die Liste, die öffentlich kursiert und vermutlich vom Verfassungsschutz stammt, enthält alle Personen, die über Spenden und/oder die Teilnahme an Veranstaltungen und Demos mit der IBÖ in Zusammenhang gebracht werden konnten. Eine Mitgliederliste ist sie nicht. Als Norbert Hofer im April 2019 davon sprach, dass es für ihn unvorstellbar sei, dass jemand bei der FPÖ ist und andererseits für die Identitären spendet oder zu einer Demo oder Veranstaltung von ihnen geht, hat er damit ziemlich gut die „Bewegung“ der Identitären erfasst. Von einer Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft hat er nicht gesprochen. Dass die „Bewegungs“-Kriterien mittlerweile für ihn und die FPÖ nichts mehr zählen, steht auf einem anderen Blatt.
Die Identitären haben nicht nur den „Verein zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität“ als registrierten Tarnverein installiert, sondern auch noch andere Vereine wie den „für nachhaltige Völkerverständigung und Jugendarbeit“,der „Verein für unabhängige Medien- und Informationsarbeit“ ist ihnen ebenfalls zuzurechnen und bis zum Mai 2019 galt das auch für den in Linz ansässigen „Verein für lebendige Kultur und Brauchtumspflege“, der dann als Tarnverein identifiziert und aufgelöst wurde.
Im Unterschied zu Sellners Tarnverein verfügen die anderen noch über offene Konten, können also nach wie vor Gelder einsammeln und für Aktivitäten verwenden. In einem Finanzstrafverfahren wird geprüft, ob die Identitären in drei ihnen zugerechneten Vereinen (nicht dabei: der Verein für unabhängige Medien- und Informationsarbeit) und dem Sellner’schen Versandhandelsbetrieb Steuerhinterziehung begangen haben. Eine Finanzstrafe und Steuernachzahlung würde die Identitären zwar hart treffen, aber nicht komplett ausschalten. Die Identitären nutzen schon jetzt Konten im Ausland und, wie die Spenden des Christchurch-Terroristen zeigen, auch persönliche Konten wie das von Sellner für die Finanzierung. Finanzierung von wem oder was? Da wird’s dann sehr schräg.
Um das Leben der Hopliten, also der selbsternannten Elite der Identitären, zu finanzieren, müssen wohl etliche Spendengelder herhalten. Wer bestimmt, was für einen Oberhopliten wie Sellner angemessen ist? Sicher nicht die Sympathisanten. Die dürfen spenden. Für die Sache und den – unbekannten – Unterhalt ihrer Hopliteneliten!

Die Identitären scheinen sich für ein eventuelles Verbot ihrer legalen Strukturen vorzubereitet zu haben. Für den Fall, dass ihre derzeitige Domain gesperrt werden würde, werden sicher bereits Ausweichdomains registriert worden sein. Bei einer Sperrung der inländischen Konten ihrer vorgelagerten Vereine würden sie wohl noch mehr auf ausländische bzw. Personenkonten ausweichen.

Die Identitären müssen in erster Linie politisch bekämpft werden, nicht über eine Verbotsbestimmung im Vereinsrecht, mit der die ÖVP und Andreas Khol auf alles zielen, was ihnen nicht in den politischen Kram passt. Andreas Khol: „Da kommt Verschiedenes in Betracht – der Nationalsozialismus, ein Gottesstaat, der Sozialismus, u. v. a. m.“ (derstandard.at, 13.9.19) Und vieles andere mehr? Nein danke!