Verbot der Identitären?

Die ÖVP will die Iden­titären über Änderun­gen im Vere­in­srecht ver­bi­eten – alle anderen Parteien sind – aus guten Grün­den – dage­gen. Der Kan­di­dat der FPÖ in Oberöster­re­ich, Philipp Samhaber, gibt zwar Spenden an einen iden­titären Vere­in zu, bestre­it­et aber, jemals Mit­glied bei den Iden­titären gewe­sen zu sein. Und er hat damit Recht. Der oö. Lan­despolizei­di­rek­tor Pil­sl, der der ÖVP sehr nahe ste­ht, erk­lärt, dass es die Iden­titären als Vere­in gar nicht gibt. Alles klar? Ein Kom­men­tar von Karl Öllinger.

Andreas Khol von der ÖVP war früher ein­mal deren Klubob­mann im Nation­al­rat und so etwas wie der Erfind­er des von ihm definierten Ver­fas­sungs­bo­gens: Ein­mal war die FPÖ nicht im Ver­fas­sungs­bo­gen, später aber in der Koali­tion mit der ÖVP und daher selb­stver­ständlich im Bogen und unter dem beson­deren Schutz von Andreas Khol. So ein­fach und so ähn­lich stellen sich das die ÖVP und Andreas Khol auch jet­zt bei den Iden­titären vor. Obwohl: Konkrete Vorstel­lun­gen, wie ein Ver­bot der Iden­titären rechtlich umzuset­zen wäre, liegen noch nicht vor. Die ÖVP will also die Iden­titären als Vere­in ver­bi­eten und das Ver­bot sog­ar zur Koali­tions­be­din­gung machen, weiß aber noch nicht, wie sie so ein Ver­bot rechtlich umset­zen will.

Über­raschung, ÖVP! Die Iden­titären gibt es gar nicht als Vere­in, also kön­nen sie auch nicht ver­boten wer­den. Und – das weiß auch Samhaber aus OÖ – man kann ihnen daher auch nicht beitreten. Nun, ganz so ein­fach ist die Sache ver­mut­lich nicht. Der „Vere­in zur Erhal­tung und Förderung der kul­turellen Iden­tität“ mit dem alleinig vertre­tungs­berechtigten Chef Mar­tin Sell­ner ist so etwas wie der vorge­lagerte Tarn­vere­in der Iden­titären Bewe­gung Öster­re­ich (IBÖ). Würde man diesen Vere­in ver­bi­eten, dann muss sich die Web­seite der IBÖ ein neues Impres­sum suchen. Über den Tarn­vere­in laufen mit­tler­weile auch keine Kon­ten mehr, durch sein Ver­bot kann die Finanzierungs­ba­sis der IBÖ also auch nicht geschwächt oder zer­stört werden.

Die IBÖ sieht sich, wie der Name schon ver­muten lässt, als Bewe­gung. Nun ja, die Bewe­gung ent­pup­pt sich als ziem­lich hier­ar­chis­che Struk­tur, die aus Hopliten, Spar­ti­at­en und Sym­pa­thisan­ten beste­ht. Natür­lich kann es trotz fehlen­der Reg­istrierung der IBÖ als Vere­in so etwas wie eine Mit­gliederliste geben. Der Bund freier Jugend (BfJ), eine Neon­azi-Struk­tur Anfang der 2000er in OÖ, war auch nicht als Vere­in reg­istri­ert, seine Aktivis­ten bestrit­ten Mit­glieder­struk­turen, führten aber brav Mit­gliederlis­ten, in die sie die beson­deren Vor­lieben und Inter­essen ihrer Schäfchen ein­tru­gen. Got­tfried Küs­sel hat seine klan­des­tine Nazi-Organ­i­sa­tion VAPO auch nicht bei der Vere­ins­be­hörde angemeldet, aber als pedan­ter Nazi natür­lich brav Mit­gliederlis­ten angelegt und damit let­z­tendlich der Staat­spolizei die Arbeit erleichtert.

Allerd­ings deutet nichts darauf hin, dass die Iden­titären die gle­ichen dum­men Fehler wie die Neon­azis machen. Die Liste, die öffentlich kur­siert und ver­mut­lich vom Ver­fas­sungss­chutz stammt, enthält alle Per­so­n­en, die über Spenden und/oder die Teil­nahme an Ver­anstal­tun­gen und Demos mit der IBÖ in Zusam­men­hang gebracht wer­den kon­nten. Eine Mit­gliederliste ist sie nicht. Als Nor­bert Hofer im April 2019 davon sprach, dass es für ihn unvorstell­bar sei, dass jemand bei der FPÖ ist und ander­er­seits für die Iden­titären spendet oder zu ein­er Demo oder Ver­anstal­tung von ihnen geht, hat er damit ziem­lich gut die „Bewe­gung“ der Iden­titären erfasst. Von ein­er Unvere­in­barkeit der Mit­glied­schaft hat er nicht gesprochen. Dass die „Bewegungs“-Kriterien mit­tler­weile für ihn und die FPÖ nichts mehr zählen, ste­ht auf einem anderen Blatt.

Die Iden­titären haben nicht nur den „Vere­in zur Erhal­tung und Förderung der kul­turellen Iden­tität“ als reg­istri­erten Tarn­vere­in instal­liert, son­dern auch noch andere Vere­ine wie den „für nach­haltige Völk­erver­ständi­gung und Jugendarbeit“,der „Vere­in für unab­hängige Medi­en- und Infor­ma­tion­sar­beit“ ist ihnen eben­falls zuzurech­nen und bis zum Mai 2019 galt das auch für den in Linz ansäs­si­gen „Vere­in für lebendi­ge Kul­tur und Brauch­tum­spflege“, der dann als Tarn­vere­in iden­ti­fiziert und aufgelöst wurde.

Im Unter­schied zu Sell­ners Tarn­vere­in ver­fü­gen die anderen noch über offene Kon­ten, kön­nen also nach wie vor Gelder ein­sam­meln und für Aktiv­itäten ver­wen­den. In einem Finanzs­trafver­fahren wird geprüft, ob die Iden­titären in drei ihnen zugerech­neten Vere­inen (nicht dabei: der Vere­in für unab­hängige Medi­en- und Infor­ma­tion­sar­beit) und dem Sellner’schen Ver­sand­han­dels­be­trieb Steuer­hin­terziehung began­gen haben. Eine Finanzs­trafe und Steuer­nachzahlung würde die Iden­titären zwar hart tre­f­fen, aber nicht kom­plett auss­chal­ten. Die Iden­titären nutzen schon jet­zt Kon­ten im Aus­land und, wie die Spenden des Christchurch-Ter­ror­is­ten zeigen, auch per­sön­liche Kon­ten wie das von Sell­ner für die Finanzierung. Finanzierung von wem oder was? Da wird’s dann sehr schräg.

Um das Leben der Hopliten, also der selb­ster­nan­nten Elite der Iden­titären, zu finanzieren, müssen wohl etliche Spenden­gelder her­hal­ten. Wer bes­timmt, was für einen Ober­ho­pliten wie Sell­ner angemessen ist? Sich­er nicht die Sym­pa­thisan­ten. Die dür­fen spenden. Für die Sache und den – unbekan­nten – Unter­halt ihrer Hopliteneliten!

Identitäres Investionskonzept (@neuerechtewatch)

Iden­titäres Inves­tion­skonzept aus Deutsch­land, mit dem auch eine Immo­bilie in Oberöster­re­ich erwor­ben wer­den soll (@neuerechtewatch)

Die Iden­titären scheinen sich für ein eventuelles Ver­bot ihrer legalen Struk­turen vorzu­bere­it­et zu haben. Für den Fall, dass ihre derzeit­ige Domain ges­per­rt wer­den würde, wer­den sich­er bere­its Auswe­ich­do­mains reg­istri­ert wor­den sein. Bei ein­er Sper­rung der inländis­chen Kon­ten ihrer vorge­lagerten Vere­ine wür­den sie wohl noch mehr auf aus­ländis­che bzw. Per­so­n­enkon­ten ausweichen.

Domains der Identitären

Domains der Identitären

Die Iden­titären müssen in erster Lin­ie poli­tisch bekämpft wer­den, nicht über eine Ver­bots­bes­tim­mung im Vere­in­srecht, mit der die ÖVP und Andreas Khol auf alles zie­len, was ihnen nicht in den poli­tis­chen Kram passt. Andreas Khol: „Da kommt Ver­schiedenes in Betra­cht – der Nation­al­sozial­is­mus, ein Gottesstaat, der Sozial­is­mus, u. v. a. m.“ (derstandard.at, 13.9.19) Und vieles andere mehr? Nein danke!