Starke MedikamenteLesezeit: 5 Minuten

Die ober­ös­ter­rei­chi­sche Lan­des­re­gie­rung hat mut­maß­lich nicht unter dem Ein­fluss star­ker Medi­ka­men­te die groß­zü­gi­ge Kul­tur­för­de­rung für KTM beschlos­sen, son­dern ist wohl ande­ren Ein­flüs­te­run­gen erle­gen. Wenn aber eine Staats­an­walt­schaft davon aus­geht, dass eine Dro­hung gegen hun­der­te Kul­tur­schaf­fen­de straf­frei blei­ben kann, weil der Beschul­dig­te sein inkri­mi­nier­tes Pos­ting „unter Ein­fluss star­ker Medi­ka­men­te“ geschrie­ben hat, dann sagt das auch viel […]

12. Aug 2019

Was hat das eine mit dem ande­ren zu tun? Auf den ers­ten Blick nicht viel. Und doch: Die schwarz­blaue Lan­des­re­gie­rung Ober­ös­ter­reichs hun­gert die Kul­tur­in­itia­ti­ven (auf die das Land bis­her immer stolz war und auch stolz sein konn­te) finan­zi­ell aus, wäh­rend sie ande­rer­seits den Motor­rad­her­stel­ler KTM mit Kul­tur­för­de­rung für eine Dau­er­aus­stel­lung sei­ner Motor­rä­der überhäuft.

Die Wer­tig­keit der Arbeit von Kunst- und Kul­tur­schaf­fen­den kommt aber auch in einer Ent­schei­dung der Staats­an­walt­schaft Inns­bruck zum Vor­schein. Als Innen­mi­nis­ter Kickl im Jän­ner die­ses Jah­res sei­nen unsäg­li­chen Spruch über das Recht, das der Poli­tik zu fol­gen habe, kund­tat, gab es viel öffent­li­chen Pro­test dage­gen, dar­un­ter von mehr als drei­hun­dert Kunst- und Kulturschaffenden.

„Kickl muss gehen“, for­der­ten sie und begrün­de­ten das wie folgt:

Ich glau­be immer noch, dass der Grund­satz gilt, dass das Recht der Poli­tik zu fol­gen hat und nicht die Poli­tik dem Recht“, dozier­te Innen­mi­nis­ter Her­bert Kickl im ORF-Report vom 22.1.2019. Die­ser Grund­satz galt tat­säch­lich in unse­li­gen Zei­ten, als etwa die NSDAP Rechts­or­ga­ne schrift­lich anherrsch­te, es sei „völ­lig abwe­gig und aus­ge­schlos­sen, dass die Staats­an­walt­schaft die Gesetz­mä­ßig­keit von Maß­nah­men der Ver­wal­tungs­be­hör­de oder einer Par­tei­dienst­stel­le über­prüft“, die Mord und Tot­schlag zur Fol­ge hatten.

Die Poli­tik hat in der Demo­kra­tie das Recht ohne Wenn und Aber zu respek­tie­ren, die in der Ver­fas­sung fest­ge­leg­ten Prin­zi­pi­en der Gewal­ten­tren­nung und Rechts­staat­lich­keit sind zu garantieren.

Öster­rei­chi­schen Par­tei­en steht es frei, natio­nal und auf EU-Ebe­ne für die Ver­än­de­rung bestehen­der Geset­ze um je nöti­ge Mehr­hei­ten zu wer­ben. Wer aller­dings das Völ­ker­recht aus­he­beln will, die Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on in Fra­ge stellt und die Gewal­ten­tren­nung und Gleich­heit vor dem Gesetz als Hin­der­nis für sei­ne Vor­ha­ben begreift, ist als Innen­mi­nis­ter untrag­bar. Her­bert Kickl muss gehen, und zwar sofort.

FPÖ Fan Club Beitrag über österreichische Kunst- und Kulturschaffende
FPÖ Fan Club Bei­trag über öster­rei­chi­sche Kunst- und Kulturschaffende

Die Face­book-Sei­te „FPÖ Fan Club“, die von fast 12.000 Men­schen abon­niert wur­de, ver­link­te zu dem Auf­ruf mit dem Kom­men­tar „Das SPÖ Kon­trast Maga­zin und die Staats­künst­ler“. Die Reak­tio­nen waren dem­entspre­chend: „Drecks­ge­s­in­del“, „Trot­teln“, „Nichts Nut­zer“, „Bahn­hofs­pen­ner“, „Öster­reich­ver­rä­te­rIn­nen“, „Denun­zi­an­ten“ usw., aber vor allem: Streicht bzw. kürzt ihnen die För­de­run­gen, die „von unse­ren Steu­er­gel­dern bezahlt“ werden.

Manu R und Arnulf T im FPÖ Fan Club: "Drecksgesindel" "Kuh sch....."
Manu R und Arnulf T im FPÖ Fan Club: „Drecks­ge­s­in­del” „Kuh sch.….”
FPÖ Fanclub: "Steuergeld Abkassierer", "Staatskünstler", "Schmarotzer"
FPÖ Fan­club: „Steu­er­geld Abkas­sie­rer”, „Staats­künst­ler”, „Schma­rot­zer”
Rupert Z FPÖ Fan Club: "zuviel Förderungen"
Rupert Z FPÖ Fan Club: „zuviel Förderungen”
Györgi M im FPÖ Fan Club: Woher kommt das Geld? Nicht von "schuspillern bleistift o pimsel künstlern"
Györ­gi M im FPÖ Fan Club: Woher kommt das Geld? Nicht von „schus­pil­lern blei­stift o pim­sel künstlern”

Damit haben die FPÖ-Fans jeden­falls das kul­tu­rel­le Niveau der ober­ös­ter­rei­chi­schen Lan­des­re­gie­rung erreicht. Es gab aber auch Kom­men­ta­re, in denen nicht nur geschimpft, son­dern auch gedroht wur­de. Einen von ihnen, den Kom­men­tar von Her­bert T. („Super jetzt haben wir eine Lis­te und wenn es dann soweit ist wis­sen wir wer abge­holt wer­den muss“), zeig­te die IG AutorIn­nen bei der Staats­an­walt­schaft an. Die ermit­tel­te auch und stell­te im Juni das Ver­fah­ren mit fol­gen­der Begrün­dung ein:

Das Ermitt­lungs­ver­fah­ren gegen Her­bert T. wegen § 107 Abs 1 StGB wird gemäß § 190 Z 2 StPO man­gels Schuld­nach­weis eingestellt.

Nach Aus­for­schung und Ein­ver­nah­me des unbe­schol­te­nen und auch sonst bis­lang nicht in Erschei­nung getre­te­nen Beschul­dig­ten ist davon aus­zu­ge­hen, dass die­ser das inkri­mi­nier­te Pos­ting unter Ein­fluss star­ker Medi­ka­men­te geschrie­ben hat, sodass ins­ge­samt des­sen Absicht, einen ande­ren in Furcht und Unru­he zu ver­set­zen, nicht nach­weis­bar ist.

Herbert T im FPÖ Fan Club: "... und wenn es dann so weit ist wissen wir wer abgeholt werden muss"
Her­bert T im FPÖ Fan Club: „… und wenn es dann so weit ist wis­sen wir wer abge­holt wer­den muss”

Die Staats­an­walt­schaft führt lei­der nicht aus, wie sie zu der Annah­me gekom­men ist, dass der Beschul­dig­te sein Pos­ting „unter Ein­fluss star­ker Medi­ka­men­te geschrie­ben hat“.

Dass der Beschul­dig­te „auch sonst bis­lang nicht in Erschei­nung getre­ten“ ist, kann man wohl auch nur behaup­ten, wenn man die Augen schließt und das Face­book-Kon­to von Her­bert T. völ­lig igno­riert. Dem Schrift­stel­ler Lud­wig Laher ist in sei­nem „Standard“-Kommentar „Ein öster­rei­chi­sches Sit­ten­bild“ dazu schon fol­gen­des aufgefallen:

Her­bert T.s Face­book-Sei­te macht übri­gens mit weib­li­chen Rie­sen­brüs­ten und einem FPÖ-Badge auf, als Lieb­lings­zi­tat benennt er ‚Die Fah­ne ist mehr als der Tod’. Herr T. gesteht also frei­mü­tig ein zu wis­sen, dass die­ser elen­de Satz ein Zitat ist, und zwar schließt so Bal­dur von Schirachs Fah­nen­lied der Hit­ler-Jugend.

Her­berts Lieb­lings­zi­tat haben wir nicht mehr gefun­den, dafür aber neben sei­nen Vor­lie­ben für weib­li­che Rie­sen­brüs­te, Gerald Grosz und Alt­deut­sche Schä­fer­hun­de poli­ti­sche Likes, die durch­aus das von Laher erwähn­te Nazi-Zitat unter­strei­chen, etwa sol­che für die NPD, die „Freie Hei­mat­li­che Bewe­gung“, das SS-Regi­ment „Frund­s­berg“ und die FB-Sei­te „Völ­ki­scher Wider­stand“, die sich zum Ziel setzt: „Wir Deut­schen haben nicht nur das Recht,sondern sogar die Pflicht unse­ren Ahnen gegen­über ‚Deutsch­land als das Land der Deut­schen zu erhal­ten.“ [Feh­ler im Ori­gi­nal, Anmk. SdR] 

Herbert T Likes
Her­bert T Likes
Herbert T Likes
Her­bert T Likes

Sein Lieb­lings­zi­tat von Schi­rach, dem Reichs­ju­gend­füh­rer und Wie­ner Gau­lei­ter der Nazis, hat Her­bert mitt­ler­wei­le gelöscht, noch nicht aber sei­ne zahl­rei­chen Likes, die deut­lich unter­strei­chen, wel­che Geis­tes­grö­ße und Gesin­nung aus ihm leuch­tet, auch wenn sie für die Ermitt­lungs­be­hör­den „bis­lang nicht in Erschei­nung“ getre­ten ist.

Die IG AutorIn­nen hat das Schi­rach-Zitat jeden­falls zum Anlass genom­men, um eine Nach­trags­an­zei­ge bei der Staats­an­walt­schaft Inns­bruck ein­zu­brin­gen. Wir sind schon gespannt auf die Ermitt­lungs­er­geb­nis­se bzw. die star­ken Medi­ka­men­te, die Her­bert für Schi­rach und Co ein­ge­nom­men hat.

Down­load Sach­ver­halts­dar­stel­lung an die Staats­an­walt­schaft Innsbruck

Domenik O beim FPÖ Fanclub: "Man wird sich die Namen merken"
Dome­nik O beim FPÖ Fan­club: „Man wird sich die Namen merken”
San­dor H und Man­not O im FPÖ Fan Club: „schma­rot­zen”, „Para­si­ten”

 

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