M. und R. O., ein Brüderpaar Jahrgang 1998 bzw. 2000, interessiert sich für den Nationalsozialismus. Im Internet informiert sich M., der Ältere der beiden, über die „Weltherrschaft der Juden“ und bestellt und liest zahlreiche einschlägige Bücher wie „Planet Rothschild“, neben Hitlers „Mein Kampf“ und Veröffentlichungen David Dukes, des vermutlich prominentesten Neonazis und Holocaustleugners der USA.
Mit seinem jüngeren Bruder diskutiert er die Idee der jüdischen Weltherrschaft und, man kann es kaum glauben, die Frage, ob die Erde eine Scheibe sei.
Im Zuge ihrer Recherchen kommen sie zu der Überzeugung, dass diese Erkenntnisse der Menschheit allgemein zugänglich gemacht werden sollten und beschließen, dies mit Hilfe von Spraydosen durchzuführen: grün für Positives wie Heil Hitler, Happy birthday etc., rot für Negatives wie Jew World Order, Kykes etc. Im Zeitraum April/Mai 2018 besprühen sie zahlreiche Objekte im Raum Wr. Neustadt, Winzendorf, Gutenstein, Semmering mit einschlägigen Symbolen und Sprüchen: Hakenkreuze 1,5 X 1,5 m, „Ich liebe Hitler“, „Jew World Order“, „Heil“ u.ä. Zu diesem Anklagepunkt sind beide Brüder vollinhaltlich geständig. Ein spontaner Besuch im KZ Mauthausen einige Monate nach der Hausdurchsuchung und Anklage habe sie allerdings geläutert und ihnen klargemacht, dass sie auf einem falschen Weg waren.
Erschwerend kommen zwei weitere Anklagepunkte hinzu: Körperverletzung (M.), Einbruchsdiebstahl (R.). Chemielaborant M., derzeit nach einvernehmlicher Auflösung seines Lehrverhältnisses letzten Sommer ohne Lehrstelle, hat eine lange Leidensgeschichte hinter sich aufgrund einer angeborenen Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, und eine diesbezügliche Hänselei dreier Burschen lässt ihn zuschlagen – eine Kopfnuss. Da die drei betroffenen Burschen in einer betreuten WG leben und ihren Betreuer verständigen, kommt es zur Anzeige.
Etwas komplizierter ist das Vergehen des HTL-Schülers R. zu beurteilen: Einbruchsdiebstahl beim Mannlicher Europa Schießzentrum Wiener Neustadt. Hier bleiben einige Fragen offen. R. erläutert, dass er auf der Suche nach Waffen (Neugier, Langeweile) nachts einen Container aufgebrochen hätte – nachdem die selbstgebastelten Böller versagt hatten, hätte er in einer nahe gelegenen Werkstatt eine Flex gefunden, damit den Container geöffnet und zwei Schachteln Munition entwendet, die er auf einer nahe gelegenen Wiese versteckt habe. Ein einvernommener Zeuge, Verantwortlicher des Schießzentrums, erklärte allerdings, dass bei der Überprüfung nach Meldung des Einbruchs durch einen Mitarbeiter 20 Packungen Munition zu je 250 Stück im Wert von je 60.- gefehlt hätten, die unmöglich von einer Person auf einem Fahrrad transportiert hätten werden können. Es wurde auch kein aufgebrochenes Schloss am Tatort gefunden. Die auf der Wiese sichergestellte Munitionspackung sei ganz hinten im begehbaren Container gelagert gewesen, die fehlenden 20 Packungen seien in der ersten Reihe gelagert gewesen. Da nicht hundertprozentig sicher festgestellt werden konnte, ob die erwähnte Überprüfung ordnungsgemäß durchgeführt wurde, wurde diese Frage jedoch aus der Beweisführung genommen. Wo der Angeklagte besagte Flex zur Verwendung angeschlossen hatte, wurde ebenfalls nicht hinterfragt. Das Werkzeug wurde nicht am Tatort gefunden oder in der Werkstatt vermisst.
Neben Langeweile und Alkohol („Wir waren am Wochenende immer relativ mittelmäßig stark betrunken“) wird vom Verteidiger vor allem der Vater der Angeklagten als Verursacher ihrer Irreleitungen bezichtigt. Als Pazifist sei er keine geeignete Ansprechperson für seine Söhne gewesen!
Die Geschworenen entscheiden einstimmig in allen Punkten: Da die Angeklagten voll geständig sind und man den jungen Erwachsenen den Weg in eine positive Zukunft nicht verbauen möchte, wird der Erstangeklagte M. O. zu sechs Monaten, der Zweitangeklagte R. O. zu 5 Monaten, bedingt auf drei Jahre, verurteilt. Nicht rechtskräftig.