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Christian Ortner und sein Verbot zu denken

Der Kolum­nist Chris­ti­an Ort­ner steht für eine beson­ders gelun­ge­ne Mischung aus neo­li­be­ra­ler Wirt­schafts­po­li­tik, reak­tio­nä­rer Gesell­schafts­po­li­tik und blin­der Par­tei­nah­me für alles, was rechts riecht. Es über­rascht daher nicht beson­ders, dass er in sei­ner „Presse“-Kolumne „quer­ge­schrie­ben“ vom 8.2.2019 hef­tig den „Standard“-Kolumnisten Hans Rauscher kri­ti­siert, weil der die FPÖ-Abge­­or­d­­ne­­te Dag­mar Bela­ko­witsch auf­ge­blät­tert hat. Mit wel­chen Unter­grif­fen Ort­ner das hinkriegt, […]

22. Feb 2019
Cover der Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung
Cover der Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung

Im „Ein­ser­kastl“ des „Stan­dard“ vom 1.2.2019 beschäf­tigt sich Hans Rauscher mit zwei Äuße­run­gen der FPÖ-Abge­ord­ne­ten Bela­ko­witsch, die sie in der Debat­te um das Rechts­ver­ständ­nis ihres blau­en Innen­mi­nis­ters Kickl („Das Recht hat der Poli­tik zu fol­gen“) zum Bes­ten gege­ben hat. Die eine war der schier unglaub­li­che Satz: „Nie­mals haben wir uns damit abzu­fin­den, dass Geset­ze uns in unse­rem Han­deln behin­dern.“ Rauscher nimmt der FPÖ-Abge­ord­ne­ten zu Recht nicht ab, dass sie und auch Kickl es nicht so gemeint hät­ten, wie sie’s gesagt haben: „Doch, doch, das mei­nen sie so: Eine huma­ni­tä­re Norm wie die Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on, die nach dem Erleb­nis des Holo­caust fest­ge­legt wur­de, soll nach dem Wil­len der FPÖ aus­ge­he­belt werden.“

Weil die FPÖ-Abge­ord­ne­te im Kon­text mit ihrer For­de­rung nach Aus­he­be­lung von Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on und Recht gene­rell aber auch davon gespro­chen hat, dass es „kei­ne Denk­ver­bo­te“ geben dür­fe, bezeich­net das Rauscher als Sprach­bild von Rechts­extre­men und Neo­na­zis, das immer dann ein­ge­setzt wer­de, wenn „das Unge­heu­er­li­che als nor­mal und im Grun­de prak­tisch“ betrach­tet wer­den soll.

Das fin­det Ort­ner in sei­ner Kolum­ne aber völ­lig dane­ben: „Und wie­der ist eine böse Nazi-Ver­schwö­rung auf­ge­deckt wor­den.“Sein Ser­mon, mehr­mals vari­iert, lau­tet: „Wer dau­ernd poli­tisch Anders­den­ken­de leicht­fer­tig als Hit­ler-Fans dif­fa­miert, ver­harm­lost die Ver­bre­chen der Nazis – und spielt deren Erben in die Hände.“

Fie­ses Ablen­kungs­ma­nö­ver! Weder hat Rauscher die FPÖ-Abge­ord­ne­te als Nazi-Tan­te beschimpft noch ver­harm­lost er den Holo­caust, wenn er völ­lig zu Recht dar­auf hin­weist, dass auch die Holo­caust­leug­ner „kei­ne Denk­ver­bo­te“ beim Holo­caust ein­for­dern. Dass Rechts­extre­me und Neo­na­zis sich glei­cher Ideo­lo­gie­frag­men­te und Sprach­bil­der bedie­nen, aber den­noch unter­schie­den wer­den müs­sen und kön­nen, soll­te sich eigent­lich schön lang­sam auch bis zu einem Chris­ti­an Ort­ner her­um­ge­spro­chen haben. Aber nein, der macht aus den „Rechts­extre­men“ von Rauscher die „poli­tisch Anders­den­ken­den“. Bravo!

Es kommt aber noch dicker: Ort­ner schafft es sogar, in sei­ner Kolum­ne den Satz von Bela­ko­witsch, wonach sich Blaue durch Geset­ze in ihrem Han­deln nicht behin­dern las­sen dür­fen, kom­plett zu ver­schwei­gen. Er hät­te ja den Ver­such machen kön­nen, dem Satz sei­ne Gift­zäh­ne zu zie­hen, irgend­et­was von „Über­trei­bung“, „aus dem Zusam­men­hang geris­sen“ etc. zu fabu­lie­ren. Zuge­ge­ben, das ist schwie­rig, wenn Bela­ko­witsch den ohne­hin schon unfass­ba­ren Sät­zen des Innen­min­ins­ters noch eins drauf­setzt, sie bekräf­tigt und aus­wei­tet. Dafür gibt es ja Kolum­nis­ten wie Ort­ner, die das dann wie­der ein­ren­ken und her­un­ter­spie­len. Aber zur rechts­extre­men Rechts­staat-Inter­pre­ta­ti­on von Bela­ko­witsch kein Wort von Ort­ner. Nichts! Nada!

Statt­des­sen und als wei­te­rer Beleg für sei­nen Ser­mon über die armen „poli­tisch Anders­den­ken­den“, die von „anti­fa­schis­ti­schen Kam­mer­jä­gern“ auf­ge­spürt und vor­ge­führt wer­den, nimmt er sich die Ber­li­ner Ama­deu-Anto­nio-Stif­tung vor, die laut Ort­ner „vor zwei Jah­ren“ eine Bro­schü­re für Kin­der­gär­ten her­aus­ge­ge­ben hat,

„die ermög­li­chen soll, Nazi-Eltern von Klein­kin­dern zu erken­nen – anhand des Aus­se­hens die­ser Kids. Dem­nach sei­en bei Mäd­chen Zöp­fe und Klei­der ver­däch­tig, bei Buben auf­fäl­li­ge Fit­ness. Auch sei­en Mäd­chen, die „zu Hau­se zu Haus- und Hand­ar­bei­ten ange­lei­tet“ wer­den, ein Hin­weis auf Kon­ta­mi­nie­rung mit üblem Nazi Zeugs“.

Ort­ners Hin­weis, wonach die Bro­schü­re „vor zwei Jah­ren“ her­aus­ge­ge­ben wur­de, spricht nicht gera­de für eine seriö­se Recher­che, ist aber im Ver­gleich zu sei­nen sons­ti­gen Behaup­tun­gen über die im Okto­ber 2018 ver­öf­fent­lich­te Bro­schü­re „Ene, mei­ne, muh – und raus bist du! Ungleich­wer­tig­keit und früh­kind­li­che Päd­ago­gik“ ein harm­lo­ser Fehler.

Weil seit ihrer Ver­öf­fent­li­chung von Rechts gegen die Bro­schü­re mit Unter­stel­lun­gen pole­mi­siert wird, sah sich die Ama­deu-Anto­nio-Stif­tung Ende Novem­ber 2018 zu einer aus­führ­li­chen Klar­stel­lung ver­an­lasst, in der Punkt für Punkt die auch von Ort­ner wie­der­ge­ge­be­nen fal­schen Behaup­tun­gen wider­legt wurden.

Am wich­tigs­ten ist wohl: Bei den in der Bro­schü­re vor­ge­stell­ten Fall­ana­ly­sen han­delt es sich um rea­le Vor­fäl­le in Kin­der­gär­ten („Kitas“), mit denen Eltern, Betreue­rIn­nen und Kin­der kon­fron­tiert waren: „Es geht dar­um, dar­auf zu reagie­ren, wenn etwa Dis­kri­mi­nie­run­gen in der Kita geäu­ßert wer­den und z.B. Kin­der ras­sis­tisch begrün­det aus­ge­schlos­sen wer­den.

Das von Ort­ner geschil­der­te Bei­spiel geht auf einen kon­kre­ten Vor­fall mit „Kin­dern aus völ­ki­schen Eltern­häu­sern“ zurück, bei dem sich ande­re Eltern über die rechts­extre­me Ideo­lo­gie die­ser Eltern beun­ru­higt zeig­ten und in der Kita um Rat frag­ten. Doch mit sol­chen Klei­nig­kei­ten gibt sich Ort­ner nicht ab. Dass aber aus­ge­rech­net er, der in sei­nem Ser­mon per­ma­nent beklagt, dass „poli­tisch Anders­den­ken­de“ als Nazis dif­fa­miert wür­den, in sei­nem Bei­spiel den Vor­fall mit „Kin­dern aus völ­ki­schen Eltern­häu­ser“ als einen mit „Nazi-Eltern“ beschreibt, geht nicht auf die aus­führ­li­che Beschrei­bung in der Bro­schü­re zurück, son­dern aus­schließ­lich auf Ort­ner. Er ist der­je­ni­ge, der als „völ­ki­schen Eltern“ „Nazi-Eltern“ macht! Was sagt nun der Autor dazu?

Reicht’s schon? Lei­der nein! Ort­ner gelingt noch ein wei­te­res Stü­ckerl. Die Polo­shirts der Mar­ke „Fred Per­ry“ wür­den der Ama­deu-Anto­nio-Stif­tung, als „Code“ gel­ten, mit dem sich „angeb­lich Rechts­extre­me“ vor Gleich­ge­sinn­ten zu erken­nen geben, „das Stoff gewor­de­ne ‚Denk­ver­bot‘ sozu­sa­gen“, höhnt der Kolum­nist. In der von Ort­ner dif­fa­mier­ten Bro­schü­re fin­det sich kein ein­zi­ger Hin­weis auf „Fred Per­ry“, in ande­ren Publi­ka­tio­nen der Stif­tung schon. Aller­dings völ­lig anders als von Ort­ner beschrie­ben. „Fred Per­ry“ wird dabei als eine Mar­ke vor­ge­stellt, die von Neo­na­zis und Rechts­extre­men ger­ne pas­siv instru­men­ta­li­siert wird (der Lor­beer­kranz als Zei­chen der Sie­ger), obwohl sich „Fred Per­ry“ – so wie „Lons­da­le“ – deut­lich von Ras­sis­mus und Neo­na­zis­mus distan­ziert. Wor­auf die Stif­tung bei ihrer dif­fe­ren­zier­ten Sicht auf „Fred Per­ry“ immer wie­der auch hin­weist: Der Namens­ge­ber Fred Per­ry war ein aus ein­fa­chen Ver­hält­nis­sen stam­men­der jüdi­scher Ten­nis­spie­ler. Ein schwe­rer Schlag für Neo­na­zis und auch Bur­schis, die ger­ne „Fred Per­ry“ auf­tra­gen. Von Ort­ner reden wir da lie­ber gar nicht mehr, denn der scheint sich sein eige­nes Ver­bot auf­er­legt zu haben, näm­lich das zu denken.