Verbotsgesetz nicht im digitalen Zeitalter angekommen 

„20–4‑1889. Heute noch lieben Dich Mil­lio­nen. Immer noch rufen sie nach Dir. Heute noch tra­gen wir die Zeichen. Sin­gen wir die Lieder, egal, was passiert.“ (zit. nach Die Presse, 8.2., S. 7) Das postete ein Öster­re­ich­er auf Face­book als Textmon­tage auf dem Gedenkstein vor dem Hitler-Geburtshaus in Brau­nau. Dafür wurde er vor dem Lan­des­gericht Ried verurteilt. Der Ober­ste Gericht­shof hob nun diese Entschei­dung auf (13 Os 130/18v). Der Grund: Der Mann habe sich im Aus­land (konkret in Deutsch­land) befun­den, also sei die Tat nicht in Öster­re­ich zu ahnden.

Bere­its in der let­zten Woche haben wir von einem Grund­satzentscheid des OGH berichtet, wonach Mails an Öster­re­icherIn­nen mit Inhal­ten, die an sich unters Ver­bots­ge­setz fall­en wür­den, hierzu­lande nicht zu bestrafen sind, wenn sie vom Aus­land abgeschickt wer­den, denn – so der OGH – die Tat sei mit dem Abschick­en des Mails vol­len­det wor­den, also nicht in Österreich.

Das Ver­bots­ge­setz wurde, wie wir wis­sen, in Zeit­en for­muliert, als das Inter­net noch nicht existierte, Anpas­sun­gen fürs dig­i­tale Zeital­ter gab es nicht. Die Ansicht des OGH, dass der Ort entschei­dend sei, wo die Tat vol­len­det wurde, lässt Inter­pre­ta­tio­nen zu, da ein Post­ing oder das Ver­schick­en von Mails nicht nur fast zeit­gle­ich mit dem Ein­tr­e­f­fen bei den Adres­satIn­nen ein­herge­ht, son­dern auch der Begriff „vol­len­det“ dehn­bar ist. Nie­mand würde auf die Idee kom­men, etwa einen Anschlag mit­tels ein­er Bombe dann als vol­len­det zu betra­cht­en, wenn Sprengstoff und Zeitzün­der am Ort deponiert sind, also noch bevor es die intendierte Explo­sion gegeben hat.

Die Möglichkeit­en, im Inter­net seinen Stan­dort zu ver­schleiern, gibt es schon länger. Ein Mail mit­tels ein­er VPN-Verbindung kann mith­il­fe ein­er nicht öster­re­ichis­chen IP-Adresse qua­si ein anderes Land als Stan­dort simulieren, der Absender also poten­tiell vortäuschen, nicht in Öster­re­ich bei „Vol­len­dung“ sein­er Tat gewe­sen zu sein. Auf die tech­nis­chen Neuerun­gen, die sich in den let­zten Jahrzehn­ten ergeben haben, hat der Geset­zge­ber zumin­d­est beim Ver­bots­ge­setz nicht reagiert.

Der Jurist Oliv­er Plöckinger führt aber in einem Kom­men­tar in „Die Presse“ (11.2.19, S. 15) neben juris­tis­chen Argu­menten auch „krim­i­nalpoli­tis­che Gründe“ an, die gegen die Ausle­gung des OGH sprechen:„Das Ver­bre­it­en von NS-Gedankengut tang­iert in hohem Maße Inter­essen Öster­re­ichs, dessen Geschichte untrennbar mit den Gräueltat­en während des Holo­caust ver­bun­den ist. Die Jus­tiz trifft bei der Wahrnehmung dieser Inter­essen eine beson­dere Ver­ant­wor­tung. E‑Mails mit NS-Inhal­ten, welche in Öster­re­ich ‚auf­schla­gen’, sind aus­nahm­s­los hier zu ahn­den. Der Schritt über die Gren­ze in ein Land, das kein Ver­bots­ge­setz ken­nt, soll Neon­azis nicht in Sicher­heit wiegen, ihre Inhalte in Öster­re­ich unbe­hel­ligt ver­bre­it­en zu dür­fen. Das wäre wohl ein­deutig das falsche Signal.“

Aus dem Jus­tizmin­is­teri­um heißt es, man wolle nun „prüfen, ob es eine Möglichkeit gibt, dass es [im Aus­land began­gene Delik­te, Anmk. SdR] in Zukun­ft straf­bar sein kann“, heißt es laut „Presse“ (8.2.19, S. 7). Das kann nicht so schwierig sein, wenn wir auf die Prax­is bei anderen Delik­ten schauen: „Doch es gibt Aus­nah­men. So ken­nt das öster­re­ichis­che Strafge­set­zbuch bere­its jet­zt bes­timmte Delik­te, für die der Täter belangt wird, auch wenn er im Aus­land gehan­delt hat. Darunter fall­en Tat­en, die sich gegen den öster­re­ichis­chen Staat richt­en, etwa die Vor­bere­itung eines Hochver­rats, Lan­desver­rat oder auch bes­timmte Hand­lun­gen gegen das Bun­desheer. Bei manch anderen Delik­ten (etwa Sex­u­al­tat­en oder Folter) schre­it­et die öster­re­ichis­che Jus­tiz unab­hängig vom Tatort dann ein, wenn der Täter Öster­re­ich­er war.“ (Die Presse, 8.2., S. 7)

Außer­dem erin­nern wir ein­mal mehr daran: Ex-Jus­tizmin­is­ter Brand­stet­ter hat vor zwei Jahren eine Evaluierung des Ver­bots­ge­set­zes und eine etwaige Adap­tierung ver­sprochen. Vor einem hal­ben Jahr haben die Grü­nen im Bun­desrat in Koop­er­a­tion mit SdR eine par­la­men­tarische Anfrage an Jus­tizmin­is­ter Moser gerichtet und nachge­fragt, was denn aus Brand­stet­ters Vorhaben gewor­den ist. Vom Min­is­teri­um hat es geheißen, man sei ger­ade dabei, Rück­mel­dun­gen aus anderen Staat­en auszuw­erten und eine Studie bei ein­er wis­senschaftlichen Ein­rich­tung in Öster­re­ich in Auf­trag zu geben. Wir wet­ten, dass dies­bezüglich noch nichts passiert ist. Aber falls es jemals so weit kom­men wird, sollte die oben beschriebene Prob­lematik gle­ich umfassend mit­studiert werden.