FPÖ Imst: Zwei Verurteilungen wegen Wiederbetätigung

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In der Bezirks- und Orts­grup­pe der FPÖ Imst hat es in den letz­ten Jah­ren regel­mä­ßig gekracht. Aus­trit­te, Aus­schlüs­se und Rück­trit­te waren immer wie­der an der Tages­ord­nung. Im Zen­trum stan­den dabei auch die tief­brau­nen Umtrie­be von eini­gen Ex(?)-Parteifunktionären. Zwei von ihnen wur­den in den letz­ten Wochen wegen Wie­der­be­tä­ti­gung ver­ur­teilt. Pro­zess und Urteil gegen den einen, Wolf­gang Neururer, gin­gen durch die Medi­en, beim ande­ren, Franz Schar­din­ger, gab’s nur eine Mel­dung in einer Regio­nal­zei­tung. Dabei ist die Wahr­schein­lich­keit, dass Schar­din­ger letzt­lich indi­rekt über Neururer und Kame­ra­den gestol­pert ist, nicht klein.

Wir erin­nern uns: Im April 2017 ver­öf­fent­lich­te der Tiro­ler Polit­ak­ti­vist Mar­kus Wil­helm auf sei­nem Blog dietiwag.org sehr selt­sa­me Geburts­tags­grü­ße ins brau­ne Jen­seits: Am 20. April gra­tu­lier­te Franz Schar­din­ger – damals Mit­glied der FPÖ-Bezirks­par­tei­lei­tung – dem 1945 glück­li­cher­wei­se ver­bli­che­nen GröFaZ mit dem Bild einer Geburtstagstorte.

Schardinger gratuliert zu Hitlers Geburtstag mit Torte "Happy Birthday Adolf!"

Schar­din­ger gra­tu­liert zu Hit­lers Geburts­tag mit Torte

Die FPÖ reagier­te prompt und schloss Schar­din­ger aus, der sei­ner­seits eine Erklä­rung auf sei­nem mitt­ler­wei­le gelösch­ten FB-Account vom Sta­pel ließ, die von wenig Ein­sicht zeug­te: „Natür­lich war es nicht klug, aber wäre ich kein FPÖ Mit­glied gewe­sen, wür­de es nie­man­den inter­es­sie­ren da sol­che Fotos zu 1000en im sozia­len Netz­werk zu fin­den sind. Natür­lich ist es für den poli­ti­schen Geg­ner ein gefun­de­nes fres­sen hier die berühm­te NAZIKEULE aus­zu­pa­cken.“ (Feh­ler im Original)

Umso über­ra­schen­der war im Juni 2017 die Nach­richt über die Ein­stel­lung des Ver­fah­rens gegen Schar­din­ger:

Auf­grund der vor­lie­gen­den Ermitt­lungs­er­geb­nis­se ist dem Beschul­dig­ten jedoch nicht mit der für eine straf­recht­li­che Ver­ur­tei­lung durch ein Geschwo­re­nen­ge­richt not­wen­di­gen Gewiss­heit nach­zu­wei­sen, dass die gegen­ständ­li­chen Tat­hand­lun­gen von dem Vor­satz getra­gen waren, (zumin­dest) eine der spe­zi­fi­schen Ziel­set­zun­gen der NSDAP zu neu­em Leben zu erwe­cken oder zu pro­pa­gie­ren und sol­cher­art zu aktua­li­sie­ren. Im Zuge der gegen­ständ­li­chen Ermitt­lun­gen kamen näm­lich kei­ne ein Han­deln mit Wie­der­be­tä­ti­gungs­vor­satz indi­zie­ren­den Beweis­ergeb­nis­se für eine rechts­ra­di­ka­le Gesin­nung des in der Ver­gan­gen­heit noch nie wegen Taten im Zusam­men­hang mit dem Ver­bots­ge­setz 1947 (oder ande­rer poli­ti­scher Delik­te) in Erschei­nung getre­te­nen Beschul­dig­ten zuta­ge. Allein die Tat­sa­che, dass Franz Schar­din­ger zum Tat­zeit­punkt noch Bezirks­par­tei­lei­tungs­mit­glied einer poli­tisch dem rech­ten Lager zuor­den­ba­ren Par­tei war, recht­fer­tigt nicht die Annah­me, dass die gegen­ständ­li­chen Pos­tings Aus­fluss einer rechts­ra­di­ka­len Geis­tes­hal­tung des Beschul­dig­ten waren, wes­halb die Ver­ant­wor­tung des Beschul­dig­ten unter Berück­sich­ti­gung der Auf­ma­chung der von ihm ver­öf­fent­lich­ten Abbil­dung von Adolf Hit­ler, dass es sich dabei sei­ner Mei­nung nach erkenn­bar um Sati­re gehan­delt, er bei der Ver­öf­fent­li­chung besag­ter Pos­tings sinn­ge­mäß ohne Hin­ter­ge­dan­ken gehan­delt habe und sich der Trag­wei­te sei­nes Ver­hal­tens nicht bewusst gewe­sen sei, nicht zu wider­le­gen sein wird. Auf­grund die­ser Erwä­gun­gen war das Ermitt­lungs­ver­fah­ren gegen Franz Schar­din­ger man­gels Nach­weis­bar­keit der inne­ren Tat­sei­te gemäß Para­graph 190 Z2 StPO einzustellen.

Es fehl­te also laut Staats­an­walt­schaft an der Nach­weis­bar­keit von Schar­din­gers rechts­ra­di­ka­ler Geis­tes­hal­tung. Ein Blick auf sei­ne wei­te­ren Face­book-Akti­vi­tä­ten hät­te jedoch genügt, um des­sen „Geis­tes­hal­tung“ zu ver­or­ten. Wir haben uns damals – offen­bar im Gegen­satz zu Poli­zei bzw. Staats­an­walt­schaft – mehr als das eine angeb­lich sati­risch gemein­te Pos­ting von Schar­din­ger ange­se­hen. Schon allei­ne sei­ne Mit­glied­schaf­ten in diver­sen rechtsextremen/verschwörungstheoretischen Face­book-Grup­pen (man­che davon wur­den inzwi­schen von Face­book ent­fernt bzw. still­ge­legt) hät­ten Hin­wei­se auf Schar­din­gers poli­ti­sche Gesin­nung geben kön­nen: „Die Patrio­ten“, „Die Run­de“, „Jetzt spricht das öster­rei­chi­sche Volk!!!“ usw.

Header Facebook-Gruppe "Die Patrioten"

Hea­der Face­book-Grup­pe „Die Patrioten”

Header Facebook-Gruppe "Die Runde"

Hea­der Face­book-Grup­pe „Die Runde”

Auch ein wei­te­rer Kom­men­tar im sel­ben Thread wie die Geburts­tags­tor­te lässt kei­ne Sati­re erkennen:

Posting Schardinger Hitler-Geburtstag (Screenshot Facebook)

Pos­ting Schar­din­ger Hit­ler-Geburts­tag (Screen­shot Facebook)

Nun aber kommt es: In der Ober­län­der Rund­schau vom 3.10.18 war zu lesen:

Wegen 14 wei­ter­ge­lei­te­ten Bil­dern mit teil­wei­se NS-ver­herr­li­chen­dem Inhalt stand ver­gan­ge­nen Frei­tag ein Ange­klag­ter aus dem Ober­land im Schwur­ge­richts­saal am Lan­des­ge­richt Innsbruck.
Adolf Hit­ler im Gewand von Andre­as Hofer und der Bezeich­nung ‚Under­co­ver-Boss’, Wort­spie­le hin­sicht­lich der Gas­kam­mern des Drit­ten Rei­ches sowie ein Bade­zim­mer in den Far­ben der deut­schen Reich­kriegs­fah­ne mit der Bemer­kung ‚Es gibt noch gute Flie­sen­le­ger’ — wor­über in ein­schlä­gi­gen Krei­sen mög­li­cher­wei­se gelacht wird, fand die Staats­an­wäl­tin ver­gan­ge­nen Frei­tag im Schwur­ge­richts­saal ‚nicht lus­tig, son­dern absto­ßend’. Ins­ge­samt 14 sol­cher Bil­der soll der 39-jäh­ri­ge, im Ober­land leben­de Ange­klag­te per ‚WhatApp’-Nachrichtendienst an einen Bekann­ten wei­ter­ge­lei­tet haben. ‚Als Sati­re gedacht’, recht­fer­tig­te sich der gebür­ti­ge Salz­bur­ger damals gegen­über den Polizeibeamten.

Beim Wort „Sati­re“ muss­te unser­eins bereits stut­zig wer­den, beim nach­fol­gen­den Teil war klar, wer da vor dem Inns­bru­cker Schwur­ge­richt stand:

Der Ange­klag­te ist nicht vor­be­straft, der Jus­tiz aber nicht unbe­kannt. Nach Face­book-Gebur­tags­grü­ßen an Adolf Hit­ler geriet das ehe­ma­li­ge FPÖ-Mit­glied im April 2017 ins Visier von Schlag­zei­len und eines Ermitt­lungs­ver­fah­rens. Eine Durch­su­chung von Woh­nung und Mobil­te­le­fon för­der­te nichts zuta­ge, wor­auf das Ver­fah­ren wie­der ein­ge­stellt wur­de. Erst als ein ande­rer Mann die Auf­merk­sam­keit des Ver­fas­sungs­schutz erreg­te, wur­den die 14 Bil­der in einem Chat-Ver­lauf ent­deckt — ver­sandt vom Ange­klag­ten, im Kon­takt­ver­zeich­nis abge­spei­chert unter ‚Franz aus Brau­nau’. Er ken­ne den Mann und habe mit ihm kom­mu­ni­ziert, bestä­tigt der 39-Jäh­ri­ge. Der Bei­na­me bezie­he sich aber nicht auf sei­ne Gesin­nung, son­dern auf einen frü­he­ren Wohn­ort. Die Kon­se­quen­zen des Pos­tings wie Arbeits­platz-Ver­lust, Par­tei­aus­schluss und Beschimp­fun­gen spü­re er immer noch, die Geschich­te habe ihn aber umden­ken las­sen, so der Ange­klag­te. Erkennt­nis und Abkehr befand auch die Staats­an­walt­schaft als glaub­wür­dig. Es gebe sel­ten sol­che Ange­klag­te und man müs­se ‚gou­tie­ren, wenn jemand sei­ne Feh­ler selbst ein­sieht’, betont die Staatsanwältin.

URTEIL. Für schul­dig befun­den wur­de der Ange­klag­te schließ­lich in sechs von 14 Punk­ten. Das Straf­maß beläuft sich auf eine kom­bi­nier­te Geld- und Haft­stra­fe von unbe­ding­ten 2.400 Euro und zehn Mona­ten, bedingt auf drei Jah­re. Das Urteil ist noch nicht rechts­kräf­tig.“ (Ober­län­der Rund­schau Nr. 40/2018, 3.10.18, S. 3)

Und von die­sem Fall kom­men wir direkt zu Wolf­gang Neururer: „Erst als ein ande­rer Mann die Auf­merk­sam­keit des Ver­fas­sungs­schutz erreg­te, wur­den die 14 Bil­der in einem Chat-Ver­lauf entdeckt.“

Elf Mona­te nach Schar­din­gers Hit­ler-Geburts­tags­grü­ßen ver­öf­fent­lich­te Mar­kus Wil­helm Han­dy-Bil­der und Nach­rich­ten aus einer Whats­app-Grup­pe der FPÖ Imst. Nament­lich genannt waren Wolf­gang Neururer, damals FPÖ-Bezirks­par­tei­ob­mann und die geschäfts­füh­ren­de Orts­par­tei­ob­frau der FPÖ Imst, Bri­git­te Grö­ber. Die von Neururer ein­ge­rich­te­te Grup­pe trug laut Ober­län­der Rund­schau den klin­gen­den Namen „Unser Kampf“, der ins­ge­samt vier Mit­glie­der aus der FPÖ Imst ange­hört haben sollen.

Die Quel­le „Trutz­gau­er Bote” ist erkenn­bar (Screen­shot von dietiwag.org)

Wolf­gang Neururer muss­te sich am 10. Okto­ber im Lan­des­ge­richt Inns­bruck wegen des Vor­wurfs der Wie­der­be­tä­ti­gung ver­ant­wor­ten. Er wur­de zu einer rela­tiv hohen Stra­fe ver­ur­teilt: 24 Mona­te, davon 8 Mona­te unbe­dingt. Das Aus­maß hat Neururer sei­nen Vor­stra­fen wegen Betrug und Unter­halts­ver­let­zung (meinbezirk.at, 12.10.18) zu verdanken.

Posting Facebook-Seite FPÖ Bezirk Imst

Pos­ting Face­book-Sei­te FPÖ Bezirk Imst

Laut Medi­en heißt es die FPÖ Bezirk Imst sei bedeu­tungs­los gewor­den. Das stimmt so nicht. Wir sind dabei, den Bezirk neu auf­zu­bau­en.“ (Face­book-Ein­trag FPÖ Bezirk Imst, 13.10.18)

Wir emp­feh­len beim Auf­bau des Bezirks (gemeint ist ver­mut­lich die Bezirks­grup­pe, aber Grö­ßen­wahn scheint zuwei­len auch ein Merk­mal der FPÖ sein) genau hin­zu­se­hen, wer da nun in wel­che Funk­tio­nen gehievt bzw. behal­ten wird, denn im Pro­zess gegen Neururer war zu ver­neh­men: „Sehr wohl ermit­telt wor­den sei gegen die übri­gen Grup­pen­mit­glie­der. ‚Es hat auch schon Ver­fah­ren gege­ben – ob noch wei­te­re fol­gen wer­den, kann ich nicht sagen’ so Sut­ter (Anmk. Lei­ter Medi­en­stel­le LG Inns­bruck).“ (Ober­län­der Rund­schau) Wer weiß, auf wes­sen Han­dys wei­te­re ein­deu­ti­ge Nach­rich­ten und Sujets auf­tau­chen, denn die FPÖ Imst scheint für die­se und ähn­li­che Vor­fäl­le recht anfäl­lig zu sein. Die Umtrie­be aus dem Kreis der Ims­ter FPÖ kom­men kei­nes­falls aus dem Nichts, wir haben dar­über in der Ver­gan­gen­heit bereits mehr­fach berich­tet (etwa hier und hier).

Bei­de, Schar­din­ger und Neururer, wur­den übri­gens von Eva Maria Kath­rein, Anwalts­kanz­lei­kol­le­gin des Tiro­ler FP-Chefs Mar­kus Abwerz­ger, ver­tei­digt. Viel­leicht gibt es dort inzwi­schen bei brau­nen Fehl­trit­ten von blau­en Par­tei­funk­tio­nä­ren Mengenrabatt?