Hubert Keyl – ein Opfer? (Teil 1)

Lesezeit: 4 Minuten

Bei den Bur­schen­schaf­ten gibt es kei­ne grö­ße­re Stra­fe als die „dimis­sio cum infa­mia“, die Ent­las­sung in Schimpf und Schan­de. Für eine Nomi­nie­rung zum Rich­ter beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt reicht es anschei­nend trotz­dem. Hubert Keyl wur­de 2010 von der Wie­ner Bur­schen­schaft Sile­sia „cum infa­mia“ ver­jagt. Da stel­len sich schon eini­ge Fra­gen, auch wenn Keyl jetzt sei­ne Bewer­bung selbst zurück­ge­zo­gen hat.

Hubert Keyl wur­de von der FPÖ für das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt nomi­niert, von des­sen Per­so­nal­se­nat angeb­lich über­prüft und mit des­sen knap­pem Segen dann von der schwarz­blau­en Bun­des­re­gie­rung als Rich­ter bestellt. Der Stan­dard berich­te­te, dass sich der Per­so­nal­se­nat „der mög­li­chen nega­ti­ven Fol­gen für das Anse­hen des Gerichts bewusst gewe­sen“ sei, das „aber zuguns­ten eines bes­se­ren Drahts zur blau­en Regie­rungs­hälf­te in Kauf genom­men“ habe. Ande­re Quel­len wie die Klei­ne Zei­tung berich­ten, dass Keyl „im Hea­ring in allen Punk­ten glaub­wür­dig ange­führt (habe), dass er sich nichts vor­zu­wer­fen habe“. Bevor noch der Bun­des­prä­si­dent fer­tig prü­fen konn­te, ob und wel­che Grün­de gegen die Ernen­nung Keyls spre­chen, zog die­ser sei­ne Bewer­bung zurück und insze­nier­te sich und sei­ne Fami­lie dabei als Opfer einer Hetz­jagd. Die klas­si­sche blaue Masche. Aber Keyl ist kein Opfer – nicht nur in der Cau­sa Jägerstätter!

Tod für „Ver­rä­ter“ Jägerstätter?

2007 hat Hubert Keyl in sei­ner Funk­ti­on als Vor­sit­zen­der des Per­so­nen­ko­mi­tees „Sol­da­ten sagen ‚Nein’ zu Jäger­stät­ters Selig­spre­chung“ erklärt: „wer als Sol­dat sei­ne Kame­ra­den im Feld im Stich lässt, ist ein Ver­rä­ter und Ver­rä­ter soll man ver­ur­tei­len, aber nicht selig­spre­chen“ (Zur Zeit, Nr. 24 /2007).

Zur Klar­stel­lung: Franz Jäger­stät­ter, der from­me katho­li­sche Inn­viert­ler Bau­er, hat dem NS-Regime den Wehr­dienst ver­wei­gert und wur­de dafür vom Reichs­kriegs­ge­richt der Nazis in Ber­lin wegen „Zer­set­zung der Wehr­kraft“ zum Tode ver­ur­teilt und hin­ge­rich­tet. Keyl hat noch im Jahr 2007 die­ses Todes­ur­teil der Nazis gerecht­fer­tigt. Da erüb­rigt sich eigent­lich jede Nachfrage.

Stolperstein Franz Jägerstätter

Stol­per­stein Franz Jäger­stät­ter (Wiki-Com­mons, Chris­ti­an Micheli­des)

Das Gesetz, nach dem Jäger­stät­ter im Juli 1943 zum Tode ver­ur­teilt und einen Monat spä­ter hin­ge­rich­tet wur­de, ist die Kriegs­son­der­straf­rechts­ver­ord­nung (KSSVO) bzw. deren Para­graph 5 (Zer­set­zung der Wehr­kraft). 1998 wur­den in Deutsch­land alle Urtei­le wegen Zer­set­zung der Wehr­kraft pau­schal auf­ge­ho­ben, in Öster­reich 2005 durch das Aner­ken­nungs­ge­setz 2005, das dann 2009 erwei­tert und prä­zi­siert wurde.

Anerkennungsgesetz 2005

Aner­ken­nungs­ge­setz 2005

Zum Zeit­punkt, als Keyl gegen Jäger­stät­ter wüte­te und des­sen Ver­ur­tei­lung für rich­tig befand, wur­den in Deutsch­land und auch in Öster­reich die ein­schlä­gi­gen Bestim­mun­gen der KSSVO als natio­nal­so­zia­lis­ti­sches Unrecht betrachtet.

Die Behaup­tung Keyls in der Stel­lung­nah­me zu sei­nem Rück­zug von der Bewer­bung, wonach sich die Rechts­la­ge in der Cau­sa Jäger­stät­ter nach sei­nem Leser­brief geän­dert habe, igno­riert daher das Aner­ken­nungs­ge­setz 2005, denn das war zwei Jah­re vor Keyls Leser­brief. Sei­ne Fest­stel­lung „Ich wür­de die­sen Arti­kel heu­te nicht mehr so ver­öf­fent­li­chen“ ist unver­bind­lich und vage und igno­riert den Umstand, dass sich die dama­li­ge Äuße­rung gegen ein bestehen­des Gesetz rich­te­te und – das wäre von Gerich­ten zu prü­fen gewe­sen – mög­li­cher­wei­se auch gegen den § 3h des Ver­bots­ge­set­zes ver­sto­ßen hat.

Dass er die katho­li­sche Kir­che für die Selig­spre­chung Jäger­stät­ters kri­ti­sier­te, dürf­te auch mit sei­ner Ver­bin­dung zu sei­nem dama­li­gen poli­ti­schen Men­tor Ewald Stad­ler zusam­men­ge­hängt haben. Etli­che Fotos doku­men­tie­ren die enge Liai­son, die sogar die Tren­nung Stad­lers von der FPÖ im März 2007 irgend­wie über­dau­ert hat. Keyl in der Kut­te eines Mer­ce­da­ri­ers, Stad­ler det­to, es gibt dazu herr­li­che Fotos, die wir aber lei­der aus Urhe­ber­rechts­grün­den nicht ver­öf­fent­lich­ten dür­fen. Stad­ler und mit ihm ver­mut­lich auch Keyl waren damals auch am äußers­ten rech­ten Rand der katho­li­schen Kir­che im Umkreis der (anti­se­mi­ti­schen) Pius-Bru­der­schaft engagiert.

Die Tren­nung sei­nes Men­tors Stad­ler von der FPÖ im Jahr 2007 mag für Hubert Keyl viel­leicht ein­schnei­dend gewe­sen sein, aber mit der Wahl des rechts­extre­men Bur­schen­schaf­ters Mar­tin Graf zum Drit­ten Prä­si­den­ten des Natio­nal­rats fand er eine neue poli­tisch pas­sen­de Beschäf­ti­gung: Keyl wur­de Grafs Fah­rer und per­sön­li­cher Referent.

➡️ Hubert Keyl – ein Opfer? (Teil 2)