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Die blaue Parteilose – Grundlegendes zu Außenministerin Karin Kneissl (Teil 2)

Dass die von der FPÖ als Par­tei­freie ins Außen­mi­nis­te­ri­um nomi­nier­te Karin Kneissl bes­tens zur blau­en Ideo­lo­gie passt, zeigt bereits Teil 1 unse­rer Recher­che: pro Putin und ein Geschlech­ter­bild, das sich an The­sen und Ein­stel­lun­gen des 19. Jahr­hun­derts ori­en­tiert. Eine Erklä­rung des Welt­ge­sche­hens, die auf Revier­kämp­fe von tes­to­ste­ron­ge­steu­er­ten Män­nern zusam­men­ge­stutzt wird und Frau­en end­lich wie­der jene […]

11. Sep 2018
Karin Kneissl im ORF Report
Karin Kneissl im ORF Report

Ras­sis­mus – Bio­lo­gis­mus II

Manch­mal vari­iert Karin Kneissl ihr bio­lo­gis­ti­sches Haupt­mo­tiv auch ein biss­chen in Rich­tung Demo­gra­phie (und Ras­sis­mus): So behaup­tet sie etwa 2016 in den Salz­bur­ger Nach­rich­ten, der Haupt­grund für die ara­bi­schen Revo­lu­tio­nen sei die dor­ti­ge „Bevöl­ke­rungs­explo­si­on“ gewe­sen. 

Zur Bio­lo­gie kommt also ergän­zend die Demo­gra­phie dazu. Damit scheint die Welt­for­mel gefun­den zu sein, ins­be­son­de­re bezüg­lich der „Flücht­lings­wel­le“. Der demo­gra­phi­sche Aspekt (der „Män­ner­über­schuss“ bei Flücht­lin­gen) und die bio­lo­gis­ti­sche Behaup­tung (Tes­to­ste­ron als eigent­li­cher Antrieb) machen das Furcht­bild per­fekt: Die hor­mon­ge­steu­er­ten Män­ner­hor­den über­flu­ten uns. Der Ein­fach­heit hal­ber ver­schwin­det alles, was bezüg­lich die­ses The­mas tat­säch­lich zählt – z.B. gesell­schaft­li­che Ver­hält­nis­se, poli­ti­sche Zusam­men­hän­ge, Krieg, Ter­ror, kul­tu­rel­le Prä­gun­gen und öko­no­mi­sche Bedin­gun­gen – völ­lig aus dem Blick­feld: Es blei­ben nur bio­lo­gi­sche Tat­sa­chen und demo­gra­phi­sche Ent­wick­lun­gen. Das macht die Ana­ly­se ein­fach und den Aus­blick düs­ter. So ora­kelt Kneissl 2016 in der Pres­se: Deutsch­land ste­he auf­grund der Flücht­lings­kri­se „an der Kip­pe“ (was immer das hei­ßen mag); „pri­vat orga­ni­sier­te Sicher­heits­trupps“ könn­ten wach­sen; Chi­na könn­te „sei­nen Män­ner­über­schuss als Kano­nen­fut­ter in einem Kriegs­gang im pazi­fi­schen Raum wie­der los­wer­den“. Die­se schau­er­li­chen Vor­her­sa­gen (based on abso­lut­e­ly not­hing), ver­dich­ten sich schließ­lich zur Pro­phe­zei­ung des Zusam­men­bruchs: „Es ist schon eine Iro­nie der Geschich­te, wie Deutsch­land zum drit­ten Mal bin­nen eines Jahr­hun­derts Euro­pa in den Zer­fall führt.“ Mit die­sem Satz endet der Arti­kel in der Pres­se, und Kneissl lässt ihn fei­ger­wei­se von „einer eng­li­schen Bekann­ten“ sagen, womög­lich damit ihr die infa­me Gleich­set­zung der gegen­wär­ti­gen deut­schen Asyl­po­li­tik mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus spä­ter nicht in den Mund gelegt wer­den kann. Die­se Spit­ze der Geschmack­lo­sig­keit unter­bie­tet das übli­che FPÖ-Niveau bei­na­he. Niveau Mar­ke Möl­zer, könn­te man sagen.

Buchcover Kneissl "Wachablöse"
Buch­co­ver Kneissl „Wach­ab­lö­se”

Auch in ihrem neu­en Buch „Wach­ab­lö­se“ (2017) – das bei dem obsku­ren Stro­nach-Ver­lag „Frank&Frei“ erschie­nen ist – spielt sie auf die­ser Kla­via­tur. Dies­mal geht es um Chi­na und das Buch endet mit ein paar „Emp­feh­lun­gen“. So plä­diert sie bezüg­lich der Stär­kung von geo­po­li­ti­schem Han­deln und Den­ken dafür, sich wie­der mehr auf „Geo­gra­phie und Bio­lo­gie“ (S. 103) zu besin­nen, denn die­se sei­en kei­ne „Kon­struk­te, die es zu zer­le­gen gel­te“ (ebd.), wie man uns seit 1968 weis machen will. Viel­mehr müss­ten an unse­ren Schu­len wie­der „Geschichts­grund­la­gen, frei von ideo­lo­gi­scher Ver­brä­mung“ (ebd.) gelehrt wer­den. Das ist ein toxi­scher Mix aus Anklän­gen und laten­ten Bezug­nah­men: Ein biss­chen Geschichts­re­vi­sio­nis­mus, ein biss­chen Bio­lo­gis­mus, eine Pri­se Res­sen­ti­ment gegen das Schlag­wort 68 – alles nicht so ganz aus­for­mu­liert, aber die Bot­schaft kommt wohl trotz­dem an (sie­he dazu auch bei Mosa­ik-Blog).    

Zio­nis­mus als „Blut- und Bodenideologie“

In ihrem Buch „Mein Naher Osten“ (2014) beschreibt Kneissl den Zio­nis­mus, wie ihn sich „Isra­els ‚Grün­dungs­va­ter’ David Ben-Guri­on erträumt hat­te“ (S. 48), mit fol­gen­den Wor­ten: „Die gleich­sam an den deut­schen Natio­na­lis­mus ange­lehn­te Blut-und-Boden-Ideo­lo­gie soll­te also auch hier [in Isra­el] einen Homo novus, einen neu­en Men­schen, schaf­fen.“ (ebd.) 

In einem Inter­view mit dem ORF-Report grenzt Kneissl sich von dem nahe­lie­gen­den Vor­wurf, sie ver­glei­che den Zio­nis­mus mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus ab. Denn sie habe eigent­lich vom „deut­schen Natio­na­lis­mus des 19. Jahr­hun­derts“ gespro­chen, nicht vom NS-Natio­na­lis­mus, ihre Aus­sa­ge wer­de aus dem Zusam­men­hang geris­sen. Das ist ein scha­les Aus­weich­ma­nö­ver und v.a. immer noch falsch, denn der deut­sche Natio­na­lis­mus des 19. Jahr­hun­derts bil­det eben die völ­ki­sche und anti­se­mi­ti­sche Vor­aus­set­zung für den Natio­nal­so­zia­lis­mus. Der staats­be­grün­den­de Zio­nis­mus von Ben Guri­on (auf den Kneissl ihre Aus­sa­ge ja expli­zit bezieht) war an Theo­dor Herzls Visi­on eines bür­ger­li­chen „Mus­ter­staa­tes“ ori­en­tiert und klar säku­lar, libe­ral und uni­ver­sa­lis­tisch aus­ge­rich­tet (vgl. dazu aus­führ­lich Bren­ner 2016, 128–144) – also weder völ­kisch noch ras­sis­tisch noch „eth­no­zen­trisch“ in irgend­ei­ner Form (sie­he etwa mena-watch.com, oder Tho­mas Schmi­din­ger im Stan­dard).  

Karin Kneissl im ORF Report
Karin Kneissl im ORF Report

An die Behaup­tung, der israe­li­sche Zio­nis­mus sei eine „Blut-und-Boden-Ideo­lo­gie“ – und nicht viel­mehr eine durch den NS-Ver­nich­tungs­wahn erzwun­ge­ne Bewe­gung eben genau dage­gen – fügt Kneissl die­sen Satz: „Was ist bloß im letz­ten lan­gen blu­ti­gen 20. Jahr­hun­dert alles in die Brü­che gegan­gen? Kul­tu­ren gin­gen auf so viel­fa­che Wei­se unter.“ (ebd.) Die­se Aus­sa­ge knüpft in infa­mer und NS-rela­ti­vie­ren­der Manier an ihre fal­sche Behaup­tung an; nach dem Mot­to: Was ist nicht alles Schlim­mes pas­siert? Zuerst die Sho­ah und dann auch noch der Zio­nis­mus! Kneissls pathe­ti­scher Welt­schmerz ist ein Para­de­bei­spiel für pro­jek­ti­ve Schuld­ab­wehr: Zuerst die deut­sche Blut-und-Boden-Ideo­lo­gie, dann die jüdi­sche Blut-und-Boden-Ideo­lo­gie; was ist nicht alles in die Brü­che gegan­gen! 

Ein wohl­ge­son­ne­ner Pres­se-Arti­kel im Gefol­ge ihres Amts­an­tritts bezeich­net Kneissl als ideo­lo­gi­sches „Misch­we­sen“. Sie selbst bezeich­ne sich als „kon­ser­va­ti­ven Frei­geist“. In die Arme der FPÖ sei sie schließ­lich durch einen Shit­s­torm getrie­ben wor­den – weil sie im Kon­text der Flücht­lings­kri­se auf den wich­ti­gen Aspekt des Tes­to­ste­rons hin­ge­wie­sen habe. Ein genaue­rer Blick zeigt aber ganz klar, dass Kneissl auch vor dem Shit­s­torm schon gut zur FPÖ gepasst hätte.

zu Teil 1

Lite­ra­tur:
Bren­ner, Micha­el (2016): Isra­el. Traum und Wirk­lich­keit des jüdi­schen Staa­tes. Von Theo­dor Herzl bis heu­te. Mün­chen: C.H.Beck
Kneissl, Karin (2017): Wach­ab­lö­se. Auf dem Weg in eine chi­ne­si­sche Welt­ord­nung. Wien: Frank&Frei
Kneissl, Karin (2014): Mein Naher Osten. Wien: Braumüller
Kneissl, Karin (2012): Tes­to­ste­ron Macht Poli­tik. Wien: Braumüller

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