Die FPÖ in der Welt von Gestern: homophob und rassistisch

Der Welt­raum, unend­li­che Wei­ten. Wir schrei­ben das Jahr 2018. Dies sind die Aben­teu­er des Raum­schiffs FPÖ, das noch immer im letz­ten Jahr­hun­dert unter­wegs ist und nun Kurs aufs vor­letz­te Jahr­hun­dert nimmt …

Die Zuta­ten schei­nen eigent­lich wenig spek­ta­ku­lär: Ein Lin­zer Gemein­de­rat, Man­fred Püh­rin­ger pos­tet das Foto einer ÖBB-Wer­bung auf sei­nem Face­book-Account. Zu sehen sind: Zwei Män­ner, dar­un­ter einer mit einer dunk­le­ren Haut­far­be und ein Baby. Bewor­ben wird die Fami­ly-Card der ÖBB, zu deren Vor­zü­gen es zählt, dass sie Erwach­se­ne – egal in wel­cher Kon­stel­la­ti­on – benüt­zen kön­nen, solan­ge ein Kind mit­fährt. Gute Akti­on, es geht schließ­lich dar­um, mög­lichst vie­le Per­so­nen dazu zu ani­mie­ren, öffent­li­che Ver­kehrs­mit­tel zu benüt­zen. Die ÖBB bie­ten eine Rei­he von diver­sen Ermä­ßi­gun­gen für Grup­pen an, die Fami­ly-Card ist eine davon.

Sehr unwahr­schein­lich ist, dass Püh­rin­ger die­ses Foto, gar­niert mit den Wor­ten „Ist doch schön oder ?“, des­halb pos­te­te, um sei­ner Freu­de über das gelun­ge­ne ÖBB-Sujet Aus­druck zu ver­lei­hen. So dau­er­te es auch nicht lan­ge, bis die Kom­men­ta­re – Püh­rin­ger hat 2.300 FB-„Friends“ – ein­tru­del­ten. In der Tona­li­tät ver­mut­lich in der von Püh­rin­ger inten­dier­ten Art und Wei­se. Dazu ein Mit­glied der Watch­dog-Platt­form FPÖ-Fails im Chat-Inter­view: „Wir haben gese­hen, dass Püh­rin­ger die­ses Foto gepos­tet hat, und uns war klar, dass er damit eine Rei­he von nega­ti­ven Reak­tio­nen Rich­tung ÖBB aus­lö­sen wür­de. Wir konn­ten prak­tisch live beob­ach­ten, wie die empör­ten Kom­men­ta­re fast im Minu­ten­takt gepos­tet wur­den. Wir erle­ben das oft so, dass sei­tens der FPÖ pro­vo­kan­te Sujets gepos­tet wer­den und die erwart­ba­ren Reak­tio­nen wie vom Pawlow’schen Hund daherkommen.“

Kom­men­ta­re zu Püh­rin­gers Pos­ting (© FPÖ Fails)

Dass es nun einem amtie­ren­den FPÖ-Funk­tio­när, dem Woh­nungs­stadt­rat von Amstet­ten, vor­be­hal­ten bleibt, hier das Low­light in einer Serie von tie­fen Kom­men­ta­ren zu set­zen, indem er eine wüs­te homo­pho­be und ras­sis­ti­sche Beschimp­fung abson­der­te, auf deren Wie­der­ga­be wir hier ver­zich­ten, ist durch­aus bemer­kens­wert. Es dürf­te die ÖBB nun wenig tref­fen, dass Stadt­rat Weber sei­ne Vor­teilscard nun nicht mehr ver­län­gern und die ÖBB boy­kot­tie­ren will. Im Grun­de hat sie durch den Vor­fall Zuspruch erhal­ten und die Gele­gen­heit auch genützt, um ihr Ange­bot zu bewerben:

Stadt­rat Weber hat offen­bar mit dem auf ihn ein­pras­seln­den Shit­s­torm nicht gerech­net, man(n) fühl­te sich schließ­lich im nicht öffent­li­chen Pos­ting des Lin­zer Gemein­de­rats qua­si unter sich. Aber 2.300 poten­ti­ell Mit­le­sen­de über­stei­gen den pri­va­ten Rah­men deut­lich, denn der Straf­tat­be­stand der Ver­het­zung, so defi­niert es das Gesetz, ist bereits ab einer Öffent­lich­keit von 30 Per­so­nen gege­ben. Weber ist mit sei­nen poli­ti­schen Funk­tio­nen eine öffent­li­che Per­son und muss daher davon aus­ge­hen, dass er als sol­che wahr­ge­nom­men und beur­teilt wird. Weber ist nicht nur Stadt­rat der FPÖ Amstet­ten, son­dern auch so etwas, was die FPÖ bei ande­ren Par­tei­en wohl als Ämter­ku­mu­lie­rer bezeich­nen würde.

Screen­shot Face­book-Account Weber, 15.8.2018 (© FPÖ Fails)

Reak­tio­nen gibt es inzwi­schen unzäh­li­ge: SPÖ, Grü­ne und ÖVP in Amstet­ten for­dern Webers Rück­tritt, auf Lan­des­ebe­ne eben­falls die NEOS. Und auch der Prä­si­dent der Israel­ti­schen Kul­tus­ge­mein­de, Oskar Deutsch, fin­det schar­fe Wor­te: „’Ein Rück­tritt ist fäl­lig’, mein­te IKG-Prä­si­dent Oskar Deutsch am Don­ners­tag, und zwar ‚ohne Rück­kehr­recht’. Anti­se­mi­tis­mus, Ras­sis­mus und Homo­pho­bie sei­en ‚kei­ne ‚Mei­nung’, son­dern ‚ein Ver­bre­chen an der Menschlichkeit’.“

Und die FPÖ? Weber hat eine Ent­schul­di­gung ver­öf­fent­licht, das sei pas­siert, weil er ein kon­ser­va­ti­ver Fami­li­en­va­ter sei, dem das „tra­di­tio­nel­le Fami­li­en­bild“ wich­tig ist. Um sei­ner Ent­schul­di­gung Nach­druck zu ver­lei­hen, will Weber 1.500.- an „in Not gera­te­ne Kin­der“ spen­den. Sei­ne Amstett­ner Par­tei­che­fin sieht das gan­ze etwas anders: „’Er ist halt ehr­lich’, ver­tei­digt die Amstett­ner FPÖ-Obfrau Bri­git­te Kas­ho­fer den blau­en Stadt­rat. ‚In Öster­reich darf jeder sei­ne Mei­nung sagen’, meint sie. Mehr sei dazu nicht zu sagen. Rück­tritts­auf­for­de­run­gen wären ‚lächer­lich’.“ Nicht über­ra­schend, denn Kas­dor­fer fin­det ja auch, dass Frau­en­häu­ser Ehen zer­stö­ren.

Wie hef­tig das Feu­er am Dach der FPÖ lodert, zeigt, dass selbst der FPÖ-Gene­ral­se­kre­tär und der Klub­ob­mann des blau­en Par­la­ments­klubs – bei­de aus Nie­der­ös­ter­reich – aus­ge­rit­ten sind, um die Wogen zu glät­ten. Sie haben mit Weber das Gespräch gesucht, von Rosen­kranz setz­te es angeb­lich auch einen schrift­li­chen Verweis.

Den Vogel schießt aber ein­deu­tig Nor­bert Hofer als zustän­di­ger Res­sort­mi­nis­ter für die ÖBB ab: Er ver­weist dar­auf, dass das inkri­mi­nier­te ÖBB-Sujet ohne­hin kei­ne Kam­pa­gne sei, son­dern es sich nur um fünf Auf­stel­ler in den Bahn­hö­fen Linz und Graz hand­le, die über­dies bald ver­schwin­den wür­den. Und: „Einen Sei­ten­hieb in Rich­tung der Mar­ke­ting­ab­tei­lung der ÖBB konn­te sich das Minis­te­ri­um aller­dings nicht ver­bei­ßen, denn rein aus fach­li­cher Sicht stel­le sich die Fra­ge, ob das betrof­fe­ne Sujet einen „gro­ßen Ver­kaufs-Tur­bo” anwer­fen kön­ne. Die Haupt-Ziel­grup­pe sei­en wohl ohne­hin über­wie­gend Eltern mit Kin­dern, Oma/Opa mit Enkel­kin­dern sowie allein­er­zie­hen­de Müt­ter und Väter mit Kin­dern. Die am heiß dis­ku­tier­ten Pla­kat abge­bil­de­te Situa­ti­on sei in Öster­reich daher wohl eher im Pro­mil­le­be­reich anzu­sie­deln, so das Minis­te­ri­um.“ Die „abge­bil­de­te Situa­ti­on“ also – um es deut­lich aus­zu­drü­cken, zwei viel­leicht schwu­le Män­ner, die mit einem Baby rei­sen – ist im Pro­mil­le­be­reich anzu­sie­deln. Die blaue Welt von Ges­tern (frei nach Ste­fan Zweig) könn­te damit viel­leicht geret­tet wer­den. Die Welt des Noch-Stadt­rats Weber wird jedoch vor­erst in Unord­nung blei­ben, denn da es sich bei sei­ner Wort­mel­dung um Ver­het­zung hand­le, hat die Amstett­ner Poli­zei das Lan­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz und Ter­ro­ris­mus­be­kämp­fung ein­ge­schal­tet. Für Weber wird der Kom­men­tar ver­mut­lich also ein juris­ti­sches Nach­spiel haben. Auch wenn sich die Kri­tik nun an Weber fokus­siert: Püh­rin­ger trägt die Mit­ver­ant­wor­tung an den inak­zep­ta­blen Kom­men­ta­ren, denn er hat sie nicht nur indi­rekt pro­vo­ziert, son­dern erst dann gelöscht, als die Kri­tik laut­stark los­brach. Eine Distan­zie­rung oder Ent­schul­di­gung sei­ner­seits ist uns nicht bekannt. Aber das war von Püh­rin­ger auch nicht zu erwar­ten, denn er ist kein uns­be­schrie­be­nes Blatt, wie die­ser Bei­trag aus dem Jahr 2014 belegt.

Mer­ke FPÖ: Homo­pho­bie gepaart mit Ras­sis­mus geht auch in Öster­reich nicht mehr. Und das ist sehr gut so!

Wei­te­re Reaktionen:

Reak­ti­on GKK-Nie­der­ös­ter­reich auf B. Weber (https://twitter.com/creation_2011/status/1030038291968675840)