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Hetze oder Kritik?

Was muss sich eine Poli­ti­ke­rin gefal­len las­sen? Was ist Kri­tik, und was ist Het­ze? Die­se Fra­gen wur­den zuletzt in einem Bei­trag des „Fal­ter“ („Wir las­sen uns das nicht gefal­len!“) abge­han­delt, aber auch rund um einen Pro­zess, der schon vor einem Monat statt­ge­fun­den hat. Ange­klagt war ein Wie­ner, der in der Face­­book-Grup­­pe „Sag Ja zu HC […]

21. Jun 2018

Die Face­book-Grup­pe hul­digt nicht der Poly­ga­mie, son­dern „ist für alle Patrio­ten, die hin­ter HC Stra­che und Nor­bert Hofer ste­hen (und damit natür­lich auch hin­ter der FPÖ). Lin­ke Het­zer und Pro­vo­ka­teu­re per se haben hier nichts ver­lo­ren und wer­den aus­nahms­los aus der Grup­pe ent­fernt. Wir möch­te zudem dar­auf hin­wei­sen, dass Belei­di­gun­gen und Dif­fa­mie­run­gen nicht gedul­det wer­den. Auch Hass-Pos­tings aller Art wer­de umge­hend gelöscht wer­den und ggf gemel­det!“ (Feh­ler im Original)

 

Eine stren­ge Mode­ra­ti­on also – möch­te man mei­nen. Ein Blick auf die Admi­nis­tra­to­rIn­nen belehrt eines Bes­se­ren. Ein lang­jäh­ri­ger Eier­no­ckerl-Fan als Admi­nis­tra­tor? Da ver­wun­dert es nicht, dass das Pos­ting von Josef B. (72) „über­se­hen“ wur­de. Der hat­te unter einen Kom­men­tar von Mar­kus Abwerz­ger, dem Tiro­ler FPÖ-Obmann, über die Grü­nen fol­gen­des Pos­ting abgelassen:

Bei den Grü­nen ist eine häß­li­cher als die Ande­re, aber die Les­be Lunacek stellt alles in den Schat­ten. Die soll­te man in ein Gehe­ge mit 100 affen­gei­len Flücht­lin­gen sper­ren.

Ein Ver­ge­wal­ti­gungs­wunsch also, ver­bun­den mit der Her­ab­wür­di­gung der sexu­el­len Ori­en­tie­rung und mit einer het­ze­ri­schen Zuschrei­bung für Flücht­lin­ge. Ulri­ke Lunacek klag­te, und so muss­te sich der Pen­sio­nist Anfang Mai vor dem Lan­des­ge­richt Wien verantworten.

Aus der Emo­ti­on her­aus“ (derstandard.at) habe er das Pos­ting ver­fasst, weil er irgend­wo gehört haben will, dass Ulri­ke Lunacek irgend­wo um Ver­ständ­nis für die sexu­el­len Bedürf­nis­se von Flücht­lin­gen gewor­ben hät­te. Was der Pen­sio­nist da irgend­wo und irgend­wie ver­nom­men haben will, ist ein het­ze­ri­sches Fake-Pos­ting, das durch Face­book getrie­ben wur­de und in dem ver­schie­de­nen grü­nen Poli­ti­ke­rin­nen Ver­ständ­nis für sexu­el­le Atta­cken und Ver­ge­wal­ti­gun­gen durch Flücht­lin­ge unter­stellt wurde.

Nach der Schil­de­rung der per­sön­li­chen Ver­hält­nis­se – der Ange­klag­te hat 24 Vor­stra­fen und angeb­lich einen Schul­den­berg von 2 Mil­lio­nen Euro – und der Befra­gung des Ange­klag­ten, bei der sich die­ser kaum ein­sich­tig zeig­te, wur­de er zu fünf Mona­ten bedingt wegen Ver­het­zung verurteilt.

Auch eine Woche nach dem Urteil zeig­te sich der Pen­sio­nist wenig ein­sich­tig und jammerte:

Und ich wur­de wegen angeb­li­cher Het­ze­rei, Dis­kri­mi­nie­rung von Flücht­lin­gen, die ich als Affen bezeich­net haben soll, zu 5 Mona­ten bedingt ver­ur­teilt!! In wel­chen Rechts­staat leben wir???

Ja, in wel­chem Rechts­staat? Das frag­te sich auch Wil­fried Grie­ßer, der sich selbst als Phi­lo­soph und Buch­au­tor bezeich­net und sich auf dem Blog des Rechts­au­ßen Andre­as Unter­ber­ger einen Bei­trag zu dem Pro­zess abrang. Die äußerst selt­sa­men und sexis­ti­schen Ein­stel­lun­gen von Grie­ßer, der für die FPÖ 2015 in Möd­ling kan­di­diert hat, sind von Han­na Herbst auf „Vice“ in einem Inter­view („Der Mann muss die Frau zum Ding her­ab­set­zen“) abge­fragt worden.

Jetzt beschäf­tigt den Mann die Fra­ge, ob die For­mu­lie­rung mit den „affen­gei­len Flücht­lin­gen“ Ver­het­zung sei und er höhnt, dass ja der Aus­druck „ober­af­fen­geil“ unter Jugend­li­chen sehr gän­gig sei und „längst jeden bewuss­ten Bezug zu Affen getilgt“habe. Das bringt ihn zu der zyni­schen Folgerung:

Die Meta­pher des Gehe­ges lässt zwar an Tie­re den­ken, doch ergeht im vor­lie­gen­den Zusam­men­hang kei­ne For­de­rung, dass Flücht­lin­ge ein­ge­sperrt gehö­ren, weil sie wie Tie­re sei­en, son­dern dass Ulri­ke Lunacek in eine Situa­ti­on ver­setzt wer­den möge, der sie (so wie die jun­ge Frau am Pra­ter­stern) nicht ent­kom­men kann.“ (andreas-unterberger.at, 18.5.2018)

Ulri­ke Lunacek „möge“ also in eine Situa­ti­on ver­setzt wer­den, der sie – so wie eine ver­ge­wal­tig­te jun­ge Frau – nicht ent­kom­men kann. Das ist dann, so Grie­ßer, nicht Het­ze gegen Flücht­lin­ge, auch nicht ein wider­li­cher Ver­ge­wal­ti­gungs­wunsch, son­dern „Kri­tik des Pen­sio­nis­ten an Ulri­ke Lunacek, und die Flücht­lin­ge sind nur Bei­werk und Anlass die­ser Kri­tik.“ Und natür­lich ist die zyni­sche Erzäh­lung des blau­en „Phi­lo­so­phen“ Grie­ßer kei­ne Bil­li­gung die­ser „Kri­tik“ des Pen­sio­nis­ten, son­dern bloß eine Kri­tik am Verhetzungsurteil.

Zu Grie­ßer passt wohl fol­gen­des Sprich­wort: si tacuis­ses, phi­lo­so­phus mansisses …