Neue MKÖ-Broschüre „Einzelfälle und Serientäter“

Lesezeit: 4 Minuten

Das Maut­hau­sen-Komi­tee-Öster­reich (MKÖ) hat sei­ne Bro­schü­re „Lau­ter Ein­zel­fäl­le?“ um neu auf­ge­popp­te Fäl­le ergänzt und ana­ly­siert. Fazit: Die FPÖ hat sich nicht gemä­ßigt durch den Regie­rungs­ein­tritt – ganz im Gegen­teil. Das Tem­po und die Zahl der Ein­zel­fäl­le haben so „stark zuge­nom­men“, dass die Bro­schü­re „Ein­zel­fäl­le und Seri­en­tä­ter“ schon zum Zeit­punkt ihres Erschei­nens um eini­ge Fäl­le (z.B. Pod­gor­schek) ergänzt wer­den müss­te. Die Bro­schü­re “Ein­zel­fäl­le und Seri­en­tä­ter” zum Down­load.

Presseaussendung MKÖ:„Antisemitismus tritt wieder wesentlich offener zutage”

Vor der Natio­nal­rats­wahl im Okto­ber 2017 hat das Maut­hau­sen Komi­tee Öster­reich (MKÖ) für einen Zeit­raum von rund vier­ein­halb Jah­ren ins­ge­samt 68 rechts­extre­me Akti­vi­tä­ten von FPÖ-Poli­ti­kern dar­ge­stellt. Die Doku­men­ta­ti­on „Lau­ter Ein­zel­fäl­le?“ fand ein enor­mes Medi­en­echo und führ­te zu einer brei­ten Debat­te. Die Bezeich­nung „Ein­zel­fäl­le“ für die dau­ern­den demo­kra­tie­feind­li­chen Umtrie­be der FPÖ ist seit­her all­ge­mein gebräuchlich.

Die FPÖ-Spit­ze reagier­te nicht etwa betrof­fen, son­dern scharf ableh­nend. Ihr Ver­such, die Glaub­wür­dig­keit des Maut­hau­sen Komi­tees zu erschüt­tern, schei­ter­te aber bla­ma­bel. Als der ober­ös­ter­rei­chi­sche FPÖ-Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te Ger­hard Deimek die Doku­men­ta­ti­on auf Twit­ter als „Fake und gelo­gen“ ver­un­glimpf­te, ging das Maut­hau­sen Komi­tee recht­lich dage­gen vor. Deimek konn­te kei­nen ein­zi­gen kon­kre­ten Punkt nen­nen, in dem die Doku­men­ta­ti­on unrich­tig gewe­sen wäre. Er muss­te eine Unter­las­sungs­er­klä­rung abge­ben, auf Twit­ter einen Wider­ruf ver­öf­fent­li­chen und die gesam­ten Anwalts­kos­ten des Maut­hau­sen Komi­tees tragen.

Jetzt ist das Maut­hau­sen Komi­tee den Ein­zel­fäl­len seit der Natio­nal­rats­wahl nach­ge­gan­gen. Immer­hin wur­de die FPÖ im Dezem­ber 2017 Regie­rungs­par­tei. Nimmt sie ihre dies­be­züg­li­che Ver­ant­wor­tung wahr? Hat sie sich gemä­ßigt? Ist die Zahl der rechts­extre­men Akti­vi­tä­ten in ihren Rei­hen gesun­ken? Hat sich zumin­dest die Par­tei­spit­ze vom Rechts­extre­mis­mus befreit? Und bekämpft sie wirk­lich den Antisemitismus?

„Die Fak­ten, die in der Doku­men­ta­ti­on ‚Ein­zel­fäl­le und Seri­en­tä­ter’ knapp und über­sicht­lich dar­ge­stellt sind, geben auf die­se Fra­gen eine kla­re Ant­wort”, stellt MKÖ-Vor­sit­zen­der Wil­li Mer­nyi fest.

  • Die Zahl der rechts­extre­men Akti­vi­tä­ten von FPÖ-Poli­ti­kern hat stark zuge­nom­men. Für die rund vier­ein­halb Jah­re vor der Natio­nal­rats­wahl konn­te das Maut­hau­sen Komi­tee ins­ge­samt 68 Ein­zel­fäl­le ein­wand­frei doku­men­tie­ren. Für das gute hal­be Jahr seit­her waren es 38. Von einer Mäßi­gung der FPÖ als Regie­rungs­par­tei kann also kei­ne Rede sein – im Gegenteil.
  • Auch die neu­en Ein­zel­fäl­le kom­men auf allen Ebe­nen der FPÖ vor. Acht von 38 sind Mit­glie­dern der Par­tei­spit­ze bzw. Mit­glie­dern der Bun­des­re­gie­rung zuzu­ord­nen, vier wei­te­re engen Mit­ar­bei­tern von FPÖ-Ministern.
  • Der Anti­se­mi­tis­mus in der FPÖ tritt wie­der wesent­lich offe­ner zuta­ge. 14 neue Ein­zel­fäl­le haben anti­se­mi­ti­sche Bezü­ge, dar­un­ter die Lie­der­buch-Affä­ren, die Über­nah­me der gegen Geor­ge Sor­os gerich­te­ten Ver­schwö­rungs­theo­rie durch Johann Gude­nus und Heinz-Chris­ti­an Stra­che sowie die För­de­rung von Medi­en mit anti­se­mi­ti­schen Inhalten.
  • Die FPÖ zeigt wei­ter­hin eine star­ke Nähe zur NS-Ideo­lo­gie. 15 neue Ein­zel­fäl­le haben natio­nal­so­zia­lis­ti­sche oder neo­na­zis­ti­sche Bezüge.
  • Die FPÖ hetzt wei­ter­hin gegen Flücht­lin­ge und Min­der­hei­ten. 19 neue Ein­zel­fäl­le haben ent­spre­chen­de Bezüge.
  • Die FPÖ arbei­tet wei­ter­hin eng mit rechts­extre­men Kräf­ten im In- und Aus­land zusam­men. So gehö­ren vie­le und gera­de füh­ren­de FPÖ-Poli­ti­ker rechts­extre­men Bur­schen­schaf­ten an. Bes­te Kon­tak­te bestehen auch zu den „Iden­ti­tä­ren“, gegen deren Füh­rungs­rie­ge im Mai 2018 Ankla­ge wegen Bil­dung einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung, Ver­het­zung und ande­rer Straf­ta­ten erho­ben wur­de. Auf EU-Ebe­ne hat sich die FPÖ mit Par­tei­en wie dem Front Natio­nal zur Frak­ti­on „Euro­pa der Natio­nen und der Frei­heit“ zusam­men­ge­schlos­sen. Es gibt kei­nen Hin­weis dar­auf, dass die Regie­rungs­par­tei FPÖ die engen Ver­bin­dun­gen zu rechts­extre­men Kräf­ten im In- und Aus­land been­den will.
  • Kon­se­quen­zen haben demo­kra­tie­feind­li­che Umtrie­be in der FPÖ nur, wenn sie öffent­lich bekannt wer­den und die Par­tei­spit­ze Nach­tei­le befürch­tet. Dann kann es – wie das Bei­spiel der von der FPÖ jahr­zehn­te­lang unter­stütz­ten Zeit­schrift „Aula“ zeigt – auch zu inner­par­tei­li­chen Kon­flik­ten kom­men. Sofern irgend­wie mög­lich, wird aber geleug­net oder verharmlost.
  • Wie­der­hol­te Beteue­run­gen der FPÖ-Spit­ze, sie dul­de weder Neo­na­zis­mus noch Anti­se­mi­tis­mus, sind ange­sichts der stän­di­gen Ein­zel­fäl­le völ­lig unglaub­wür­dig. Durch­aus mög­lich ist, dass Vize­kanz­ler Heinz-Chris­ti­an Stra­che das hoch­be­las­te­te Feind­bild „Jude“ gern zur Gän­ze durch ein bes­ser ver­mit­tel­ba­res wie „Flücht­ling“ oder „Mus­lim“ erset­zen wür­de. Doch einer­seits ändert der Umbau von Feind­bil­dern nichts an der zugrun­de­lie­gen­den men­schen­feind­li­chen Gesin­nung. Und ande­rer­seits wird eben­die­ser Umbau durch die in der FPÖ und in den Bur­schen­schaf­ten tief ver­wur­zel­ten anti­se­mi­ti­schen sowie NS-nahen Denk­mus­ter verhindert.

„Der Wider­spruch zwi­schen der Selbst­dar­stel­lung der FPÖ und den beleg­ten Fak­ten könn­te nicht grö­ßer sein”, betont MKÖ-Vor­sit­zen­der Mer­nyi. „Die FPÖ setzt als Regie­rungs­par­tei stän­dig rechts­extre­me, ras­sis­ti­sche und anti­se­mi­ti­sche Akti­vi­tä­ten. Das ist unver­ein­bar mit der Demo­kra­tie und den Men­schen­rech­ten. Außer­dem scha­det es natür­lich Öster­reich. Was tun die demo­kra­ti­schen Par­tei­en dagegen?”

Pres­se­aus­sendung SPÖ: Schatz über FPÖ-‚Einzelfälle‘: NS-Lie­der­bü­cher und Hit­ler-Bild­chen waren nur Spit­ze des Eisbergs