Roth, der Ramadan und die Rechten

Die frühere Grün-Poli­tik­erin Sigi Mau­r­er wurde in den let­zten Tagen nicht nur das Ziel ein­er unglaublich prim­i­tiv­en sex­u­al­isierten Has­sat­tacke, son­dern auch noch ange­grif­f­en und geklagt, weil sie sich durch Veröf­fentlichung dage­gen wehrte. Die am häu­fig­sten durch (sex­u­al­isierte) Has­sat­tack­en ange­grif­f­ene Poli­tik­erin im deutschsprachi­gen Raum ist zweifel­los Angela Merkel. Nach und mit ihr Clau­dia Roth – die haben wir dazu auch befragt.

Die deutsche Bun­deskan­z­lerin Angela Merkel hat sich dafür entsch­ieden, die unzäh­li­gen wider­lichen sex­u­al­isierten Has­sat­tack­en auf sie zu ignori­eren. Zumin­d­est ist uns kein ziv­il- oder strafrechtlich­es Ver­fahren bekan­nt, in dem sie sich gegen die mil­lio­nen­fache Ver­bre­itung zumeist prim­i­tivster Fotomon­ta­gen, in denen sie in den diversen recht­en Has­s­grup­pen in den sozialen Net­zw­erken wahlweise mit nack­ten Brüsten, völ­lig nackt und/oder kop­ulierend her­abgewürdigt wird. Ver­mut­lich hat sie als Bun­deskan­z­lerin und damit mächtige Frau gar keine andere Wahl, als diese tausend­fachen zumeist sex­uellen Has­sat­tack­en hinzunehmen.

Eine Poli­tik­erin, die sich dage­gen wehrt, muss näm­lich auch noch damit rech­nen, dass sie dafür heftig kri­tisiert wird (siehe Sigi Mau­r­er). Kla­gen sind nicht nur mit einem hohen finanziellen Risiko, son­dern auch mit viel Energie und lan­gen Fris­ten bis zu defin­i­tiv­en Entschei­dun­gen ver­bun­den. Ver­gle­iche oder gar Nieder­la­gen aus for­malen Grün­den wer­den von der recht­en Het­zmeute als Freib­rief für noch ärg­ere Het­ze interpretiert.

Clau­dia Roth, grüne Vizepräsi­dentin des Deutschen Bun­destages, ist nach und mit Merkel die mit Abstand am meis­ten durch Has­sat­tack­en ange­grif­f­ene deutsche Poli­tik­erin. Was auf­fällt: Bei Roth gibt es deut­lich mehr „inhaltliche“ Has­sat­tack­en als bei Merkel. Roth wird neben sex­u­al­isierten Attack­en häu­fig mit gefak­ten Zitat­en oder auch Bildern verunglimpft, als „Tram­pel“, „Geis­teskranke“, Islam-Pro­pa­gan­dis­tin, Deutschen-Has­serin oder – wie erst jüngst – gar als Halb­nazi dargestellt.

Beispiele für Fake- und Hass-Postings

Auf­fäl­lig ist auch, dass Roth mit Fake- und Hass-Post­ings häu­fig durch öster­re­ichis­che rechte Foren durchgere­icht wird. Da herrscht wohl die berechtigte Erwartung vor, dass sich nie­mand die Mühe macht, die gefälscht­en Zitate zu über­prüfen – und so greift dann auch der Tirol­er FPÖ-Lan­deschef Markus Abw­erzger in die Schmutzk­iste. Ver­mut­lich nicht nur, um Roth damit zu tre­f­fen, son­dern auch die heimis­chen Grünen.

Die Zitate, die Abw­erzger Clau­dia Roth in den Mund gelegt hat, sind jeden­falls falsch. Roth war zwar – wie viele andere auch – gegen eine rasche deutsche Wiedervere­ini­gung, aber nicht gegen DDR-Flüchtlinge. Noch deut­lich­er sind die Fak­ten beim zweit­en ihr von Abw­erzger unter­schobe­nen Zitat, wonach sie gegen geregelte Zuwan­derung mit dem Spruch „Du Nazis­chwein!“ polemisiert habe. Roth hat schon im Jahr 2000 eine geregelte Zuwan­derung ver­langt und erst im Vor­jahr wieder den Entwurf für ein Ein­wan­derungs­ge­setz dem Bun­destag vorgelegt.

Aber um Argu­mente geht es den recht­en Het­zern auch bei ihren neuesten Has­sat­tack­en gegen Roth sich­er nicht. Eines der jüng­sten Beispiele ist die ver­meintliche Forderung von Roth, wonach ein Verkaufsver­bot für Alko­hol während des Ramadan ein „wichtiges Zeichen für die Tol­er­anz“ der nicht­mus­lim­is­chen Bevölkerung sein sollte. Natür­lich war auch diese Forderung Roths erfun­den und erlogen, dies­mal von ein­er recht­sex­tremen „Satire“-Seite, um die wir uns an ander­er Stelle noch küm­mern werden.

Die öster­re­ichis­che FB-Het­z­seite „Wir fordern Poli­tik für Öster­re­ich“ schert sich nicht darum, ob es sich bei dem Alko­holver­bot um „Satire“ han­delt, son­dern het­zt drauf los und mit ihr ihre Fans, die – wie so häu­fig – Satire ohne­hin nie von der Wirk­lichkeit unter­schei­den kön­nen und wollen.

Unter den Het­zerIn­nen war auch dies­mal wieder Eri­ka Stein­bach, die frühere CDU-Abge­ord­nete, die jet­zt für die AfD Stim­mung macht. Weil sie im Vor­jahr ein Fake-Zitat von Clau­dia Roth ver­bre­it­et hat, das schon längst wider­legt war, wurde sie von Roth auf Unter­las­sung und Wider­ruf geklagt und musste dem auch nachkommen.

Der ARD-„Faktenfinder“ greift noch ein anderes Beispiel der Het­ze gegen Roth aus den let­zten Wochen auf, wo ihr unter­stellt wird, dass sie sich bei ein­er Rede der AfD–Abgeordneten Alice Wei­del ganz bewusst wegge­dreht und den Rück­en gezeigt habe – wie das 1931 Nazi-Abge­ord­nete gemacht haben. Das Film­ma­te­r­i­al der ARD beweist das fak­tis­che Gegen­teil, näm­lich eine kurze, nur sekun­den­lange Drehung zu ein­er Kol­le­gin, was die Het­zer aber nicht weit­er stören wird.

Roth ist nicht nur mit Hass- und Fake-Attack­en, son­dern häu­fig auch mit Verge­wal­ti­gungsphan­tasien und Mord­dro­hun­gen von Recht­sex­tremen kon­fron­tiert. Als die deutschen Grü­nen ein Rauchver­bot auch in Biergärten gefordert hat­ten, schrieb Lutz Bach­mann, der spätere Pegi­da-Grün­der: „VOLLSPINNER! Gehören stan­drechtlich erschossen diese Öko-Ter­ror­is­ten! … allen voran Clau­dia Fati­ma Roth!“. Die ange­blichen Beschützer der (heimis­chen ) Frauen haben kein Prob­lem mit ihren irren Fick- und Mordphantasien!

Von stoppt­dierecht­en zu den Attack­en auf sie befragt, gab uns Clau­dia Roth fol­gende Stellungnahme:

Mit dem Einzug ein­er in weit­en Teilen völkisch-recht­sex­trem­istis­chen Partei in den Deutschen Bun­destag, die eine Strate­gie der Ver­ro­hung des gesellschaftlichen Kli­mas ver­fol­gt und gezielt rechte Hass-Trolle im Inter­net als ihre Social-Media-Sol­dat­en organ­isiert, müssen wir uns als Akteur*innen und auch gesamt­ge­sellschaftlich ver­stärkt mit der Frage befassen, wo die Gren­ze liegt zwis­chen Mei­n­ungs­frei­heit ein­er­seits, Het­ze und Has­srede ander­er­seits. „Du gehörst ver­gast zusam­men mit Mut­ti und allen, die das deutsche Volk nach Strich und Faden ver­arschen.“ „Clau­dia, ich würd dich verge­walti­gen aber du bist zu alt dafür.“ Das sind nur zwei Beispiele von vie­len, die eine gezielte Über­schre­itung sprach­lich­er und gesellschaftlich­er Gren­zen illus­tri­eren. Nun werde ich immer wieder gefragt, wie ich auf all den Hass reagiere. Nun, man lernt mit der Zeit, damit umzuge­hen. Manche Angriffe beant­worten mein Büro und ich, manche ignori­eren wir, die schlimm­sten Belei­di­gun­gen wer­den auch zur Anzeige gebracht. Vor allem aber betone ich stets, was mir per­sön­lich am wichtig­sten ist: Diese Men­schen kön­nen mich noch so sehr belei­di­gen oder Unwahrheit­en über mich ver­bre­it­en – wed­er schenke ich ihnen meine Angst, noch lasse ich mir den Mut und die Freude an mein­er poli­tis­chen Arbeit nehmen. (Clau­dia Roth an SdR)