Die „Wiener Zeitung“ berichtet in ihrer heutigen Ausgabe über die „Oma von rechts“, die früher nicht Burtscher, sondern Orlich bzw. Kölbl hieß. Als Gertraud Orlich war sie eine der wichtigsten Frauen in der österreichischen Neonazi-Szene in den 80er- und beginnenden 90er-Jahren. Orlich fungierte zunächst als zweite Landessprecherin der NDP Vorarlberg und war auch in der Bundesleitung der NDP des Norbert Burger vertreten. 1983 wechselte sie zu einer Abspaltung der NDP, der „Österreichischen Bürgerpartei“ (ÖBP), wo sie die Leiterin des Landesverbandes Vorarlberg und die Stellvertreterin des Obmannes Walter Nepras wurde.
Ihren Wechsel und ihre Kandidatur für die ÖBP erklärte Gertraud Orlich alias Burtscher so: „Ich kandidiere für die ÖBP, weil ich nicht mehr mitansehen kann, wie in Österreich der eigene ungeborene Nachwuchs getötet wird und die fehlenden Arbeitskräfte dann ganz einfach durch Ausländer ersetzt werden. Dies kommt zweifellos einem Selbstmord unsere Heimat gleich.“
Dieses Zitat von Orlich stammt aus der Arbeit von Franz Valandro über den „Rechtsextremismus in Vorarlberg nach 1945“, die als Print und kostenloser Download bei der Johann-August-Malin-Gesellschaft erhältlich bzw. abrufbar ist.
Gegenüber der NDP-Publikation „Klartext“ begründete Gertraud Orlich ihre Kinderzahl (Orlich hatte damals schon sechs Kinder) ideologisch:
Die NDP ist die einzige Partei, die ohne Wenn und Aber die Fristenlösung ablehnt. Für mich war das mit ein Grund, mich dieser Bewegung anzuschließen. (…) Politiker, die heute noch glauben, Zukunftsprobleme durch Reduzierung der Kinderzahl lösen zu können, handeln wie gewissenlose Verbrecher. Ihnen gehört das Handwerk gelegt. Die Zukunft darf nicht verhütet werden, sondern wir müssen sie meistern. Grundlage dafür war und ist eine genügend große Zahl gesunder Kinder.
Jenseits ihrer Aktivitäten für die NDP des Südtirol-Terroristen Norbert Burger und die weitgehend bedeutungslose ÖBP fungierte Orlich aber als „zeitweiliges Bindeglied zwischen Rechtsextremisten in Vorarlberg und den anderen Bundesländern“ (Valandro, Rechtsextremismus in Vorarlberg, S. 48). Wolfgang Purtscheller, einer der besten Kenner der österreichischen Neonazi-Szene der 1990er-Jahre, ortete in einem Interview mit den „Vorarlberger Nachrichten“ im Dezember 1994 in „einer sehr kinderreichen Frau in Nüziders“ diese Scharnierfunktion und outete gleichzeitig einen ihrer Söhne als Aktivist von Küssels Volkstreuer Außerparlamentarischer Opposition (VAPO).
Mit ihren vielen Kindern und der fehlenden Anerkennung von Kindererziehungszeiten im Pensionssystem bei Frauen, die vor 1955 geboren wurden, begründete Burtscher alias Orlich auch ihre Erzählung von der „spät Erwachten“, die jetzt die „Oma-Revolte“ (Vorarlberger Nachrichten) und die „Mütterpension“ auf die Straße trägt.
Seit März dieses Jahres ist Gertraud Burtscher für dieses Anliegen öffentlich und mit großer medialer Sympathie unterwegs. Die selbstgestrickte, aber ziemlich unvollständige Erzählung von der alten Frau mit dem späten Erweckungserlebnis hat überall verfangen. Niemand fragte genauer nach, auch nicht wegen der ziemlich „eigenartigen” Parolen. Im Mai dieses Jahres organisierte die „Wutoma“ eine Demo in Bregenz, an der 200 Personen teilnahmen. Burtscher marschierte mit dem Transparent „Herdprämie = Müttergehalt . Wertschätzung Familienarbeit . Was brauchen Kinder wirklich?“ (Vorarlberger Nachrichten, 10.8.2017).
Von der „Wiener Zeitung“ wurde Gertraud Burtscher befragt, wie sie es heute mit dem Holocaust hält. Im Jahr 1990 hatte sie nämlich als Gertraud Orlich dem Dokumentationsarchiv (DÖW) einen Text über „Davir, der Weise, ein orientalisches Märchen, frei erfunden von Gertraud Orlich, gewidmet Herrn Prof. Faurisson und Herrn Major Lachout“ geschickt. Faurisson und Lachout sind als Holocaustleugner bzw. „Revisionisten“ bekannt. „Das Märchen strotzt von neonazistischen Codes“, urteilt die Wiener Zeitung und bringt dazu ein längeres Zitat, in dem Gertraud Burtscher Orlich den Holocaust als „Badehäusermorde“ tarnt, über die es keinen einzigen Sachbeweis gebe.
Von der „Wiener Zeitung“ auf den Text angesprochen, will sich Burtscher nicht mehr daran erinnern. Die Frage der Redakteurin, wie sie heute den Holocaust sieht, beantwortet die Juristin so: „Selbstverständlich. Das wird schon alles so sein. Ich beschäftige mich nicht damit.“ Heute findet in Wien eine Demo der „Wutoma“ und ihrer UnterstützerInnen statt.