Als die Identitären Anfang Juli verlautbaren ließen, dass sie es geschafft hätten, ein hochseetaugliches Schiff für ihre Aktion zu chartern, war die Aufregung bei allen groß. Nachdem sich bereits Außenminister Sebastian Kurz für das Beenden des „NGO-Wahnsinns” im Mittelmeer ausgesprochen hatte, wirkte die geplante Aktion der Identitäre” wie eine Fahrt auf dem Trittbrett und eine konsequente Fortführung der EU-Außenpolitik.
Bereits der Teaser der Aktion ließ erahnen, dass „Defend Europe” eine weitere PR-Aktion mit großen Bildern werden sollte. Damals (Mitte Mai) versuchten fünf Identitäre, mit einem Schlauchboot und Bannern eines der zahlreichen Rettungsschiffe am Einlaufen in den Hafen von Catania in Sizilien zu hindern.
Das ihnen nun knapp einen Monat später ein richtiges Schiff zur Verfügung stehen würde, schienen die rechtsextremen Aktivist_innen in ihren Ankündigungen über den Start der Aktion selbst nicht glauben zu können. Immer wieder wurde betont, dass sie nun das machen könnten, was sie von Anfang an geplant hatten, eine Identitäre-Search and Rescue-Mission (SAR-Mission) vor der libyschen Küste. Man werde den NGOs genau auf die Finger schauen, deren Einsätze dokumentieren und, wenn nötig, auch selbst Seenotrettung leisten, die Migrant_innen dann aber in einen afrikanischen Hafen überführen. Einzig das nötige Kleingeld fehle noch, um das gecharterte Schiff aus Djibouti ins Mittelmeer überführen zu lassen, aber auch die Finanzierung einer etwa zehn Tage dauernden „Mission”.
Das (internationale) Medieninteresse brachte aber auch gewisse Nachteile mit sich. So wurden sämtliche Paypal- und Bankkonten der Gruppe gesperrt, und sie musste auf einen, der Alt-Right nahestehenden, Crowdfunding-Service aus den USA zurückgreifen. Über diesen schafften sie es, bis jetzt knapp 170.000 US-Dollar zu lukrieren.
Auf die Schwierigkeiten, mit denen sich die “Identitären” in den letzten zwei Wochen konfrontiert sahen, haben wir bereits hier und hier hingewiesen. Was uns hier besonders interessiert, ist die Tatsache, dass der rechtsextremen Gruppe ihre Aktion in einem Anflug von Größenwahn in den Kopf gestiegen zu sein scheint. Ein Vergleich, der sich aufdrängt, ist der zum perplexen Donald Trump, der jetzt, da er tatsächlich Präsident der USA geworden ist, auch wirklich Präsident der USA sein muss. Ähnlich scheint es den Identitären mit ihrem Schiff und ihrer „Mission” zu gehen. Anfang dieser Woche gab es eine verdächtig lange und ungewöhnliche Social-Media Pause von Sellner und seinen Kamerad_innen. Wahrscheinlich mussten sie erst einmal realisieren, dass sie es trotz des herbeiphantasierten „Schleppernetzwerks” und der Anstrengungen von George Soros geschafft hatten, auf ihr Schiff zu gelangen und dem zahlenden Publikum nun auch etwas für sein Geld etwas bieten zu müssen. Die Identitäre-SAR-Mission kann nun also endlich beginnen.
Die Berliner Morgenpost, die den identitären Robert Timm ans Telefon bekommen hatte, veröffentlichte am 1.8. ein sehr lesenswertes Interview, das die unzulängliche Planung der Aktion noch einmal betonte. Der Interviewer eröffnete dem Regionalleiter Berlin-Brandenburg Timm, dass Rettungseinsätze auf See nach genau festgelegten Regeln ablaufen und die zuständige Leitstelle, das Maritime Rescue Coordination Centre (MRCC) in Rom, die Koordination dieser Einsätze übernimmt und festlegt, welches Schiff vor Ort die Einsatzleitung innehat. Timm zeigte sich überrascht und merklich schlecht informiert. Dass die Identitären, sollten sie jemals tatsächlich vorgehabt haben, sich an Rettungseinsätzen zu beteiligen, die Regeln der NGOs vor Ort befolgen müssen und möglicherweise Migrant_innen auf das europäische Festland bringen müssen, da sie sonst gegen UN-Recht verstoßen würden, schien Timm ebenfalls neu zu sein. Auf weitere unangenehme Fragen reagierte er nicht, und nach mehreren Sekunden Stille brach die Telefonverbindung ab. Er blieb unerreichbar, eine weitere Stellungnahme gab es nicht.
Es ist fraglich, ob überhaupt jemand bei den Identitären eine Ahnung hat, was zu tun ist, sollten sie tatsächlich Menschen in Seenot retten müssen. Viel mehr erweckt die ganze “Mission” den Anschein, ein äußerst kostspieliger PR-Gag zu werden und, viel wichtiger, eine aktive Gefahr für Menschen in Seenot.