Lesezeit: 4 Minuten

Planlos durchs Mittelmeer

Es gehört nicht zu Mar­tin Sell­ners Kon­zept der Iden­ti­tä­ren und dem Bild, das er ver­mit­teln will, sich grö­be­re Feh­ler oder Schwä­chen ein­zu­ge­ste­hen. Das wur­de vor allem in den letz­ten Wochen rund um die men­schen­ver­ach­ten­de „Mit­­tel­­meer-Mis­­si­on” der rechts­extre­men Grup­pe deut­lich, die sie noch immer als Erfolg zu ver­kau­fen ver­sucht. War­um davon kei­ne Rede sein kann, werden […]

3. Aug 2017

Als die Iden­ti­tä­ren Anfang Juli ver­laut­ba­ren lie­ßen, dass sie es geschafft hät­ten, ein hoch­see­taug­li­ches Schiff für ihre Akti­on zu char­tern, war die Auf­re­gung bei allen groß. Nach­dem sich bereits Außen­mi­nis­ter Sebas­ti­an Kurz für das Been­den des „NGO-Wahn­sinns” im Mit­tel­meer aus­ge­spro­chen hat­te, wirk­te die geplan­te Akti­on der Iden­ti­tä­re” wie eine Fahrt auf dem Tritt­brett und eine kon­se­quen­te Fort­füh­rung der EU-Außenpolitik.

Bereits der Teaser der Akti­on ließ erah­nen, dass „Defend Euro­pe” eine wei­te­re PR-Akti­on mit gro­ßen Bil­dern wer­den soll­te. Damals (Mit­te Mai) ver­such­ten fünf Iden­ti­tä­re, mit einem Schlauch­boot und Ban­nern eines der zahl­rei­chen Ret­tungs­schif­fe am Ein­lau­fen in den Hafen von Cata­nia in Sizi­li­en zu hindern.

Das ihnen nun knapp einen Monat spä­ter ein rich­ti­ges Schiff zur Ver­fü­gung ste­hen wür­de, schie­nen die rechts­extre­men Aktivist_innen in ihren Ankün­di­gun­gen über den Start der Akti­on selbst nicht glau­ben zu kön­nen. Immer wie­der wur­de betont, dass sie nun das machen könn­ten, was sie von Anfang an geplant hat­ten, eine Iden­ti­tä­re-Search and Res­cue-Mis­si­on (SAR-Mis­si­on) vor der liby­schen Küs­te. Man wer­de den NGOs genau auf die Fin­ger schau­en, deren Ein­sät­ze doku­men­tie­ren und, wenn nötig, auch selbst See­not­ret­tung leis­ten, die Migrant_innen dann aber in einen afri­ka­ni­schen Hafen über­füh­ren. Ein­zig das nöti­ge Klein­geld feh­le noch, um das gechar­ter­te Schiff aus Dji­bou­ti ins Mit­tel­meer über­füh­ren zu las­sen, aber auch die Finan­zie­rung einer etwa zehn Tage dau­ern­den „Mis­si­on”.

Das (inter­na­tio­na­le) Medi­en­in­ter­es­se brach­te aber auch gewis­se Nach­tei­le mit sich. So wur­den sämt­li­che Pay­pal- und Bank­kon­ten der Grup­pe gesperrt, und sie muss­te auf einen, der Alt-Right nahe­ste­hen­den, Crowd­fun­ding-Ser­vice aus den USA zurück­grei­fen. Über die­sen schaff­ten sie es, bis jetzt knapp 170.000 US-Dol­lar zu lukrieren.

Auf die Schwie­rig­kei­ten, mit denen sich die “Iden­ti­tä­ren” in den letz­ten zwei Wochen kon­fron­tiert sahen, haben wir bereits hier und hier hin­ge­wie­sen. Was uns hier beson­ders inter­es­siert, ist die Tat­sa­che, dass der rechts­extre­men Grup­pe ihre Akti­on in einem Anflug von Grö­ßen­wahn in den Kopf gestie­gen zu sein scheint. Ein Ver­gleich, der sich auf­drängt, ist der zum per­ple­xen Donald Trump, der jetzt, da er tat­säch­lich Prä­si­dent der USA gewor­den ist, auch wirk­lich Prä­si­dent der USA sein muss. Ähn­lich scheint es den Iden­ti­tä­ren mit ihrem Schiff und ihrer „Mis­si­on” zu gehen. Anfang die­ser Woche gab es eine ver­däch­tig lan­ge und unge­wöhn­li­che Social-Media Pau­se von Sell­ner und sei­nen Kamerad_innen. Wahr­schein­lich muss­ten sie erst ein­mal rea­li­sie­ren, dass sie es trotz des her­bei­phan­ta­sier­ten „Schlep­per­netz­werks” und der Anstren­gun­gen von Geor­ge Sor­os geschafft hat­ten, auf ihr Schiff zu gelan­gen und dem zah­len­den Publi­kum nun auch etwas für sein Geld etwas bie­ten zu müs­sen. Die Iden­ti­tä­re-SAR-Mis­si­on kann nun also end­lich beginnen.

Micha­el Bon­va­lot, CC BY-NC

Die Ber­li­ner Mor­gen­post, die den iden­ti­tä­ren Robert Timm ans Tele­fon bekom­men hat­te, ver­öf­fent­lich­te am 1.8. ein sehr lesens­wer­tes Inter­view, das die unzu­läng­li­che Pla­nung der Akti­on noch ein­mal beton­te. Der Inter­view­er eröff­ne­te dem Regio­nal­lei­ter Ber­lin-Bran­den­burg Timm, dass Ret­tungs­ein­sät­ze auf See nach genau fest­ge­leg­ten Regeln ablau­fen und die zustän­di­ge Leit­stel­le, das Mari­ti­me Res­cue Coor­di­na­ti­on Cent­re (MRCC) in Rom, die Koor­di­na­ti­on die­ser Ein­sät­ze über­nimmt und fest­legt, wel­ches Schiff vor Ort die Ein­satz­lei­tung inne­hat. Timm zeig­te sich über­rascht und merk­lich schlecht infor­miert. Dass die Iden­ti­tä­ren, soll­ten sie jemals tat­säch­lich vor­ge­habt haben, sich an Ret­tungs­ein­sät­zen zu betei­li­gen, die Regeln der NGOs vor Ort befol­gen müs­sen und mög­li­cher­wei­se Migrant_innen auf das euro­päi­sche Fest­land brin­gen müs­sen, da sie sonst gegen UN-Recht ver­sto­ßen wür­den, schien Timm eben­falls neu zu sein. Auf wei­te­re unan­ge­neh­me Fra­gen reagier­te er nicht, und nach meh­re­ren Sekun­den Stil­le brach die Tele­fon­ver­bin­dung ab. Er blieb uner­reich­bar, eine wei­te­re Stel­lung­nah­me gab es nicht.

Es ist frag­lich, ob über­haupt jemand bei den Iden­ti­tä­ren eine Ahnung hat, was zu tun ist, soll­ten sie tat­säch­lich Men­schen in See­not ret­ten müs­sen. Viel mehr erweckt die gan­ze “Mis­si­on” den Anschein, ein äußerst kost­spie­li­ger PR-Gag zu wer­den und, viel wich­ti­ger, eine akti­ve Gefahr für Men­schen in Seenot.