Planlos durchs Mittelmeer

Es gehört nicht zu Mar­tin Sell­ners Konzept der Iden­titären und dem Bild, das er ver­mit­teln will, sich gröbere Fehler oder Schwächen einzugeste­hen. Das wurde vor allem in den let­zten Wochen rund um die men­schen­ver­ach­t­ende „Mit­telmeer-Mis­sion” der recht­sex­tremen Gruppe deut­lich, die sie noch immer als Erfolg zu verkaufen ver­sucht. Warum davon keine Rede sein kann, wer­den wir ver­suchen, hier darzulegen.

Als die Iden­titären Anfang Juli ver­laut­baren ließen, dass sie es geschafft hät­ten, ein hochsee­tauglich­es Schiff für ihre Aktion zu char­tern, war die Aufre­gung bei allen groß. Nach­dem sich bere­its Außen­min­is­ter Sebas­t­ian Kurz für das Been­den des „NGO-Wahnsinns” im Mit­telmeer aus­ge­sprochen hat­te, wirk­te die geplante Aktion der Iden­titäre” wie eine Fahrt auf dem Trit­tbrett und eine kon­se­quente Fort­führung der EU-Außenpolitik.

Bere­its der Teas­er der Aktion ließ erah­nen, dass „Defend Europe” eine weit­ere PR-Aktion mit großen Bildern wer­den sollte. Damals (Mitte Mai) ver­sucht­en fünf Iden­titäre, mit einem Schlauch­boot und Ban­nern eines der zahlre­ichen Ret­tungss­chiffe am Ein­laufen in den Hafen von Cata­nia in Sizilien zu hindern.

Das ihnen nun knapp einen Monat später ein richtiges Schiff zur Ver­fü­gung ste­hen würde, schienen die recht­sex­tremen Aktivist_innen in ihren Ankündi­gun­gen über den Start der Aktion selb­st nicht glauben zu kön­nen. Immer wieder wurde betont, dass sie nun das machen kön­nten, was sie von Anfang an geplant hat­ten, eine Iden­titäre-Search and Res­cue-Mis­sion (SAR-Mis­sion) vor der libyschen Küste. Man werde den NGOs genau auf die Fin­ger schauen, deren Ein­sätze doku­men­tieren und, wenn nötig, auch selb­st Seenotret­tung leis­ten, die Migrant_innen dann aber in einen afrikanis­chen Hafen über­führen. Einzig das nötige Klein­geld fehle noch, um das gechar­terte Schiff aus Dji­bouti ins Mit­telmeer über­führen zu lassen, aber auch die Finanzierung ein­er etwa zehn Tage dauern­den „Mis­sion”.

Das (inter­na­tionale) Medi­en­in­ter­esse brachte aber auch gewisse Nachteile mit sich. So wur­den sämtliche Pay­pal- und Bankkon­ten der Gruppe ges­per­rt, und sie musste auf einen, der Alt-Right nah­este­hen­den, Crowd­fund­ing-Ser­vice aus den USA zurück­greifen. Über diesen schafften sie es, bis jet­zt knapp 170.000 US-Dol­lar zu lukrieren.

Auf die Schwierigkeit­en, mit denen sich die “Iden­titären” in den let­zten zwei Wochen kon­fron­tiert sahen, haben wir bere­its hier und hier hingewiesen. Was uns hier beson­ders inter­essiert, ist die Tat­sache, dass der recht­sex­tremen Gruppe ihre Aktion in einem Anflug von Größen­wahn in den Kopf gestiegen zu sein scheint. Ein Ver­gle­ich, der sich auf­drängt, ist der zum per­plex­en Don­ald Trump, der jet­zt, da er tat­säch­lich Präsi­dent der USA gewor­den ist, auch wirk­lich Präsi­dent der USA sein muss. Ähn­lich scheint es den Iden­titären mit ihrem Schiff und ihrer „Mis­sion” zu gehen. Anfang dieser Woche gab es eine verdächtig lange und ungewöhn­liche Social-Media Pause von Sell­ner und seinen Kamerad_innen. Wahrschein­lich mussten sie erst ein­mal real­isieren, dass sie es trotz des her­beiphan­tasierten „Schlep­per­net­zw­erks” und der Anstren­gun­gen von George Soros geschafft hat­ten, auf ihr Schiff zu gelan­gen und dem zahlen­den Pub­likum nun auch etwas für sein Geld etwas bieten zu müssen. Die Iden­titäre-SAR-Mis­sion kann nun also endlich beginnen.

Michael Bon­va­l­ot, CC BY-NC

Die Berlin­er Mor­gen­post, die den iden­titären Robert Timm ans Tele­fon bekom­men hat­te, veröf­fentlichte am 1.8. ein sehr lesenswertes Inter­view, das die unzulängliche Pla­nung der Aktion noch ein­mal betonte. Der Inter­view­er eröffnete dem Region­alleit­er Berlin-Bran­den­burg Timm, dass Ret­tung­sein­sätze auf See nach genau fest­gelegten Regeln ablaufen und die zuständi­ge Leit­stelle, das Mar­itime Res­cue Coor­di­na­tion Cen­tre (MRCC) in Rom, die Koor­di­na­tion dieser Ein­sätze übern­immt und fes­tlegt, welch­es Schiff vor Ort die Ein­sat­zleitung innehat. Timm zeigte sich über­rascht und merk­lich schlecht informiert. Dass die Iden­titären, soll­ten sie jemals tat­säch­lich vorge­habt haben, sich an Ret­tung­sein­sätzen zu beteili­gen, die Regeln der NGOs vor Ort befol­gen müssen und möglicher­weise Migrant_innen auf das europäis­che Fes­t­land brin­gen müssen, da sie son­st gegen UN-Recht ver­stoßen wür­den, schien Timm eben­falls neu zu sein. Auf weit­ere unan­genehme Fra­gen reagierte er nicht, und nach mehreren Sekun­den Stille brach die Tele­fon­verbindung ab. Er blieb unerr­e­ich­bar, eine weit­ere Stel­lung­nahme gab es nicht.

Es ist fraglich, ob über­haupt jemand bei den Iden­titären eine Ahnung hat, was zu tun ist, soll­ten sie tat­säch­lich Men­schen in Seenot ret­ten müssen. Viel mehr erweckt die ganze “Mis­sion” den Anschein, ein äußerst kost­spieliger PR-Gag zu wer­den und, viel wichtiger, eine aktive Gefahr für Men­schen in Seenot.