Nach Einschätzung von ZARA war das Jahr 2016 „das Jahr des cyber-hate, des Hasses im Netz…. Die ‚gefühlte‘ Dominanz von Hass‑, Hetz- und Falschaussagen im Netz hat die Stimmung gegenüber Geflüchteten und anderen als fremd wahrgenommenen Personen endgültig zum Kippen gebracht“.
Eine Einschätzung, die wir weitgehend teilen. Allerdings – und da greift die Methode von ZARA mit den Einzelfall-Berichten vermutlich zu kurz, um das deutlicher sichtbar zu machen – verstecken sich hinter vielen Einzelfällen organisierte Strukturen: Medien, Parteien, große Facebook-Gruppen und die Facebook-Seiten von Politikern der FPÖ, die für die breite Verteilung sorgen.
Ein gutes Beispiel dafür liefert ZARA selbst: es ist der Einzelfall 22 „Hasskommentar auf Facebook-Seite eines Politikers“. Nein, ausnahmsweise handelt es sich nicht um die Facebook-Seite von HC Strache, sondern um die von Johann Gudenus. Der verlinkt am 5.September 2016 zu einem Beitrag von „unzensuriert.at“ („AKH-Mitarbeiterin packt aus: Asylwerber sollen bei Operation bevorzugt werden“) und stellt dazu seinen eigenen Kommentar: „Eine Sauerei. Die Österreicher sind zu Bürgern 2. Klasse degradiert worden. Zeit für einen Wandel! Zeit für Norbert Hofer!“
Die Meldung von „unzensuriert.at“ stützt sich auf die anonyme Aussage einer angeblichen Mitarbeiterin des AKH. Selbst nachdem Medien wie „Vice“ („Wie die FPÖ Lügen über die Benachteiligung von Österreichern verbreitet“) oder „Heimat ohne Hass” („Zweimal falsch macht’s auch nicht richtig!“) oder Mimikama akribisch den Vorwürfen nachgehen bzw. sie widerlegen, werden die Unwahrheiten nicht korrigiert.
Einem Herrn G. – und da setzt der Einzelfallbericht von ZARA ein – fallen wüst hetzerische Postings auf der Facebook-Seite von Johann Gudenus unter dessen Kommentar auf. Dokumentiert wird dieses: „Warum soll überhaupt ein Asylant im AKH behandelt werden, der soll erhängt werden oder am Elektrostuhl landen.“ Herr G. meldet an ZARA, ZARA meldet weiter an die NS-Meldestelle des Verfassungsschutzes. Im Jahresbericht schildert und erläutert ZARA ausführlich den Verhetzungsparagraphen § 283 StGB und stellt dazu exemplarisch die Frage „Was kann Herr G. tun?“
Die deprimierende Antwort wäre: Nicht viel! Wohl könnte es sein, dass sich der Verfasser des Hetzpostings vor Gericht verantworten muss, aber Herr G. und auch ZARA würden nur dann davon erfahren, wenn bei einem allfälligen Prozess eventuell eine mediale Berichterstattung stattfindet, in der das inkriminierte Posting erwähnt wird.
Was aber wohl gewichtiger ist: Die Falschmeldung von „unzensuriert.at“, die nicht nur von Johann Gudenus übernommen wurde, ist noch immer im Internet verfügbar. „unzensuriert.at“ hat die Kommentarfunktion zum Beitrag deaktiviert, was ein Indiz dafür ist, welche Postings dort erbrochen wurden. Johann Gudenus sieht überhaupt keinen Grund, die Falschmeldung inklusive seines aufhetzenden Kommentars zu korrigieren. Mehr als Tausendmal wurde sein Beitrag geteilt, Hetze und Falschmeldung breit gestreut – Zweck erfüllt!
Solange Hass, Hetze und Lüge ungestraft organisiert werden können und auch noch ein erfolgreiches Geschäftsmodell für (soziale) Medien und Parteien sein können, solange ist es ziemlich mühsam und wenig ‚nachhaltig‘, die Strafbehörden für die einzelnen kleinen Hetzer bemühen zu müssen – obwohl auch das notwendig ist.
Das wissen natürlich auch die MitarbeiterInnen von ZARA, die mit ihrem Jahresbericht 2016 eine gewichtige und erschreckende Dokumentation über den erstarkten Rassismus in Österreich erstellt haben. Nur noch so zum Drüberstreuen: die Tabelle von ZARA über die Verbreitung rassistischer Vorfälle im Internet bzw. sozialen Netzwerken. Wenn man sieht, dass sich die von ZARA gesammelten rassistischen Vorfälle in den sozialen Netzwerken im Jahr 2016 gegenüber dem Vorjahr faktisch verdoppelt haben, dann ist der Handlungsbedarf evident. Danke, ZARA!