Die FPÖ versteht sich inzwischen, wie ihre Führungsspitze nicht müde wird zu betonen, als einzige echte Volkspartei Österreichs – als die „neue Mitte“, die die Bevölkerung in ihrer gesamten Breite repräsentiere. Wer daran zweifelt, wird von der Parteizeitung NFZ kaum eines Besseren belehrt werden. Interessant sind dabei weniger die üblichen Lobhudeleien auf das eigene Personal oder Ankündigungen des Spanferkelgrillens der Ortsgruppe Vorderhinterach, sondern die Seite, auf der die Stammkundschaft per Leserbrief zu Wort kommt.
Was sie charakterisiert, ist Überschaubarkeit: sowohl hinsichtlich der weltanschaulichen Breite als auch der personellen Vielfalt. So erschienen in den letzten zehn Ausgaben der NFZ insgesamt 50 Zuschriften – die allerdings einem nur 15 Individuen umfassenden Personenkreis entstammen. Ganze sieben Personen zeichneten für 42 der 50 Briefe verantwortlich. Einige von ihnen wären eher als Kolumnisten denn als Leserbriefschreiber zu bezeichnen, allen voran Stephan Pestitschek, einem breiteren Publikum bekannt als langjähriger Akkord-Leserbriefschreiber der „Kronen Zeitung“ (und prototypischer „kleiner Mann“ in der vom ORF leider eingestellten Politsatiresendung „Die 4 da“): Er war in jeder einzelnen der zehn jüngsten Ausgaben mit einem Schreiben vertreten. Ebenfalls Kolumnistenstatus beanspruchen können Christian Stafflinger (Linz) mit neun, Stefan Scharl (Klosterneuburg) mit sieben und Ernst Pitlik (Wien) mit sechs Briefen in den zehn jüngsten Ausgaben.
Nicht nur die überschaubare Breite der SchreiberInnen ist bemerkenswert – auch die Personen selbst sind es, jedenfalls zum Teil. Pestitschek etwa schreibt regelmäßig Texte für die rechtsextremen „Fakten“ von Horst-Jakob Rosenkranz (Gatte der Nationalratsabgeordneten Barbara Rosenkranz). Im dazugehörigen Verlag erschien auch ein Buch von ihm, das kürzlich im Rundbrief der neonazistischen Aktionsgemeinschaft für demokratische Politik (AfP) beworben wurde. In der jüngsten „Fakten“-Ausgabe offenbart er eine, gelinde gesagt, eigenwillige Interpretation der Ursachen und Urheber des Zweiten Weltkriegs:
Mit dem 2. Weltkrieg wollte man den wirtschaftlichen Erfolg des 1. Weltkrieges wiederholen und es gab wieder Krieg. Der Krieg wurde schlau eingefädelt – durch Terror gegen Deutschland in den besetzten bzw. nach dem 1. Weltkrieg abgetretenen Gebieten – und als sich Deutschland nach vielen Gewalttaten zu wehren begann – offiziell ist das der deutsche Überfall auf Polen – hat England Deutschland den Krieg erklärt.
Alte Bekannte
Wenn derlei „revisionistischer“, üblicherweise nur in Neonazi-Kreisen verzapfter Unsinn nicht ausreicht, um sich als Leserbriefschreiber für die FPÖ-Zeitung zu disqualifizieren, dann wohl auch nicht, was Pestitschek eine „Fakten“-Nummer davor zum Besten gegeben hatte. Dort richtete sich sein heiliger Zorn gegen eine ihm zufolge „völlig überzogene Toleranz gegenüber Schwulen, Verbrechern, radikalen Islamisten, Pädophilen, Schmarotzern usw.” Dieselbe Ausgabe enthält außerdem einen Leserbrief des Wiener FPÖ-Bezirksrats Helwig Leibinger: Es sind also nicht nur Rechtsrechte, die der FPÖ schreiben – der Briefverkehr verläuft mitunter auch umgekehrt.
Ein weiterer NFZ-Leserbriefler, Armin Fitzka aus Salzburg, schreibt nebenher auch gerne an die neonazistische „PHOENIX“ des Vorarlbergers Walter Ochensberger. In deren aktueller Ausgabe führt er etwa aus:
Wenn nicht schleunigst (…) die hormongesteuerten Eindringlinge [gemeint: Asylsuchende aus Afrika und Asien, Anmk. SdR] wieder in ihre Herkunftsländer zurückbefördert werden, gibt es Krieg“, „[D]er territorial-tribale Reflex (…) zur Verteidigung des eigenen Reviers, ist viel stärker als irgendwelche Allmachts- und Umvolkungsbestrebungen der Weltlenker. (…) Wir werden siegen, weil wir siegen müssen. Unsere Frauen und Töchter und unser Revier sind uns heilig.
Dass die hier genannten und viele weitere wiederkehrende NFZ-LeserbriefautorInnen (u.a. Karl Blumauer/Krieglach, Maria Klingler/Kirchdorf, Dagmar Leitner/Lieboch und Siegfried Pichl/Linz) regelmäßig auch Leserbriefe in der Mölzerschen „Zur Zeit“ und/oder der burschenschaftlichen „Aula“ abgedruckt erhalten, verweist nicht nur auf das Ausmaß verfügbarer Tagesfreizeit dieser Leute, sondern legt auch eine allgemeinere Erkenntnis nahe: Es ist ein überschaubarer Zirkel von VielschreiberInnen, der die rechtsextreme Medienlandschaft in Österreich mit Leserbriefen beliefert.