Freiheitlicher Kummerkasten für Rechtsextreme

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Einst hieß die Par­tei­zei­tung der FPÖ noch „Neue Front”, seit 1973 läuft sie unter dem Titel „Neue Freie Zei­tung“ (NFZ). Ein Blick auf die Zusam­men­set­zung der kärg­li­chen Schar ihrer Leser­brief­schrei­be­rIn­nen lässt ver­mu­ten, dass der alte Name doch der tref­fen­de­re war.

Die FPÖ ver­steht sich inzwi­schen, wie ihre Füh­rungs­spit­ze nicht müde wird zu beto­nen, als ein­zi­ge ech­te Volks­par­tei Öster­reichs – als die „neue Mit­te“, die die Bevöl­ke­rung in ihrer gesam­ten Brei­te reprä­sen­tie­re. Wer dar­an zwei­felt, wird von der Par­tei­zei­tung NFZ kaum eines Bes­se­ren belehrt wer­den. Inter­es­sant sind dabei weni­ger die übli­chen Lob­hu­de­lei­en auf das eige­ne Per­so­nal oder Ankün­di­gun­gen des Span­fer­kel­gril­lens der Orts­grup­pe Vor­der­hin­ter­ach, son­dern die Sei­te, auf der die Stamm­kund­schaft per Leser­brief zu Wort kommt.

Was sie cha­rak­te­ri­siert, ist Über­schau­bar­keit: sowohl hin­sicht­lich der welt­an­schau­li­chen Brei­te als auch der per­so­nel­len Viel­falt. So erschie­nen in den letz­ten zehn Aus­ga­ben der NFZ ins­ge­samt 50 Zuschrif­ten – die aller­dings einem nur 15 Indi­vi­du­en umfas­sen­den Per­so­nen­kreis ent­stam­men. Gan­ze sie­ben Per­so­nen zeich­ne­ten für 42 der 50 Brie­fe ver­ant­wort­lich. Eini­ge von ihnen wären eher als Kolum­nis­ten denn als Leser­brief­schrei­ber zu bezeich­nen, allen vor­an Ste­phan Pes­tit­schek, einem brei­te­ren Publi­kum bekannt als lang­jäh­ri­ger Akkord-Leser­brief­schrei­ber der „Kro­nen Zei­tung“ (und pro­to­ty­pi­scher „klei­ner Mann“ in der vom ORF lei­der ein­ge­stell­ten Polit­sa­ti­re­sen­dung „Die 4 da“): Er war in jeder ein­zel­nen der zehn jüngs­ten Aus­ga­ben mit einem Schrei­ben ver­tre­ten. Eben­falls Kolum­nis­ten­sta­tus bean­spru­chen kön­nen Chris­ti­an Staff­lin­ger (Linz) mit neun, Ste­fan Scharl (Klos­ter­neu­burg) mit sie­ben und Ernst Pit­lik (Wien) mit sechs Brie­fen in den zehn jüngs­ten Ausgaben.

Nicht nur die über­schau­ba­re Brei­te der Schrei­be­rIn­nen ist bemer­kens­wert – auch die Per­so­nen selbst sind es, jeden­falls zum Teil. Pes­tit­schek etwa schreibt regel­mä­ßig Tex­te für die rechts­extre­men „Fak­ten“ von Horst-Jakob Rosen­kranz (Gat­te der Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ten Bar­ba­ra Rosen­kranz). Im dazu­ge­hö­ri­gen Ver­lag erschien auch ein Buch von ihm, das kürz­lich im Rund­brief der neo­na­zis­ti­schen Akti­ons­ge­mein­schaft für demo­kra­ti­sche Poli­tik (AfP) bewor­ben wur­de. In der jüngs­ten „Fakten“-Ausgabe offen­bart er eine, gelin­de gesagt, eigen­wil­li­ge Inter­pre­ta­ti­on der Ursa­chen und Urhe­ber des Zwei­ten Weltkriegs:

Mit dem 2. Welt­krieg woll­te man den wirt­schaft­li­chen Erfolg des 1. Welt­krie­ges wie­der­ho­len und es gab wie­der Krieg. Der Krieg wur­de schlau ein­ge­fä­delt – durch Ter­ror gegen Deutsch­land in den besetz­ten bzw. nach dem 1. Welt­krieg abge­tre­te­nen Gebie­ten – und als sich Deutsch­land nach vie­len Gewalt­ta­ten zu weh­ren begann – offi­zi­ell ist das der deut­sche Über­fall auf Polen – hat Eng­land Deutsch­land den Krieg erklärt.


Alte Bekann­te

Wenn der­lei „revi­sio­nis­ti­scher“, übli­cher­wei­se nur in Neo­na­zi-Krei­sen ver­zapf­ter Unsinn nicht aus­reicht, um sich als Leser­brief­schrei­ber für die FPÖ-Zei­tung zu dis­qua­li­fi­zie­ren, dann wohl auch nicht, was Pes­tit­schek eine „Fakten“-Nummer davor zum Bes­ten gege­ben hat­te. Dort rich­te­te sich sein hei­li­ger Zorn gegen eine ihm zufol­ge „völ­lig über­zo­ge­ne Tole­ranz gegen­über Schwu­len, Ver­bre­chern, radi­ka­len Isla­mis­ten, Pädo­phi­len, Schma­rot­zern usw.” Die­sel­be Aus­ga­be ent­hält außer­dem einen Leser­brief des Wie­ner FPÖ-Bezirks­rats Hel­wig Leib­in­ger: Es sind also nicht nur Rechts­rech­te, die der FPÖ schrei­ben – der Brief­ver­kehr ver­läuft mit­un­ter auch umgekehrt.

Ein wei­te­rer NFZ-Leser­brief­ler, Armin Fitz­ka aus Salz­burg, schreibt neben­her auch ger­ne an die neo­na­zis­ti­sche „PHOENIX“ des Vor­arl­ber­gers Wal­ter Ochens­ber­ger. In deren aktu­el­ler Aus­ga­be führt er etwa aus:

Wenn nicht schleu­nigst (…) die hor­mon­ge­steu­er­ten Ein­dring­lin­ge [gemeint: Asyl­su­chen­de aus Afri­ka und Asi­en, Anmk. SdR] wie­der in ihre Her­kunfts­län­der zurück­be­för­dert wer­den, gibt es Krieg“„[D]er ter­ri­to­ri­al-tri­ba­le Reflex (…) zur Ver­tei­di­gung des eige­nen Reviers, ist viel stär­ker als irgend­wel­che All­machts- und Umvol­kungs­be­stre­bun­gen der Welt­len­ker. (…) Wir wer­den sie­gen, weil wir sie­gen müs­sen. Unse­re Frau­en und Töch­ter und unser Revier sind uns heilig.

Dass die hier genann­ten und vie­le wei­te­re wie­der­keh­ren­de NFZ-Leser­brief­au­torIn­nen (u.a. Karl Blumauer/Krieglach, Maria Klingler/Kirchdorf, Dag­mar Leitner/Lieboch und Sieg­fried Pichl/Linz) regel­mä­ßig auch Leser­brie­fe in der Möl­zer­schen „Zur Zeit“ und/oder der bur­schen­schaft­li­chen „Aula“ abge­druckt erhal­ten, ver­weist nicht nur auf das Aus­maß ver­füg­ba­rer Tages­frei­zeit die­ser Leu­te, son­dern legt auch eine all­ge­mei­ne­re Erkennt­nis nahe: Es ist ein über­schau­ba­rer Zir­kel von Viel­schrei­be­rIn­nen, der die rechts­extre­me Medi­en­land­schaft in Öster­reich mit Leser­brie­fen beliefert.