Seit Tagen macht die Meldung, die durch ein (gefälschtes) Schreiben an das Bezirksgericht Innere Stadt, das mit (gefälschtem ) Amtsstempel versehen ist, quasi offiziösen Charakter erhalten soll, die Runde. In dem Schreiben wird eine Sachwalterschaft für Alexander van der Bellen angeregt, weil sein „ psychopathologischer Status“ – dabei wird aus einer (fingierte) Diagnose zitiert – eingeschränkte „Kritikfähigkeit und Krankheitseinsicht“, beeinträchtigte „Gedächtnisleistungen“ und „erhöhte Beeinflussbarkeit“ bedeuten könne.
Noch nicht genug des Drecks, wird dem Präsidentschaftskandidaten auch noch eine frei erfundene Krebserkrankung mit zahlreichen Metastasen angedichtet. Um diese Lüge glaubhafter zu machen, wird darauf zurückgegriffen, dass Van der Bellen Raucher ist. Das angebliche Dokument ist mit einer Unterschrift signiert, aber namenlos.
Das besonders Widerliche an den Lügen, die da breit verteilt werden, ist, dass immer etwas hängen bleibt – auch bei einem Dementi. Die Vermengung von Fakten (Raucher) und Fiktion (Krebs) ist fies und letztklassig, aber wirkungsvoll. Mit dem ebenso falschen Hinweis auf eine Chemotherapie im Rudolfinerhaus wird auch noch Klassenmedizin unterstellt.
Erschienen ist die Meldung über die „Demenz-Gerüchte“ auf der News-Seite von „Politically incorrect“ (PI) am 27.6.2016. Der deutsche Blog, der mittlerweile klar rechtsextrem ist, läuft über eine britische Adresse. Ein geschickter Schachzug, diesen Blog für das Einschleusen der Meldung nach Österreich zu benutzen. Erfolgreiche straf- und zivilrechtliche Schritte gegen die Urheber werden dadurch schwierig gemacht, jedenfalls verzögert.
„Politically incorrect“ und die Falschmeldung
Noch am gleichen Tag wird die Facebook-Userin „Michaela Jaskova“ aktiv, die angeblich in Šopron (Ungarn) wohnt, aber bei den diversen rechtsextremen Seiten in Österreich bestens beheimatet ist. Schon merkwürdig: Die Person mit mutmaßlich slowakischem Namen und Wohnsitz in Ungarn hat faktisch nur österreichische und einige deutsche rechtsextreme Freundschaften auf ihrem FB-Profil, aber keine ungarischen. Christian Höbart, Elmar Podgorschek, Hans Jörg Jenewein, Barbara Rosenkranz, auch Martin Graf und Robert Lugar (Team Stronach) finden sich darunter. Natürlich auch sehr, sehr viele weitere FPÖ-Funktionäre. Ja, sogar der „Heil Hitler“–Mann aus Graz und einige Deutsche, die – so wie Andre Dobe Dobermann – keine Rücksicht auf das österreichische NS-Verbotsgesetz nehmen .
Rechtsextreme Freundschaften
Um 17h10 am 27.6. lädt „Michaela Jaskova” die Meldung von PI-News auf ihr Konto hoch, und dann beginnt die eigentliche Dreckarbeit. Binnen kurzem wird die Meldung auf viele blaue und braune Gruppen und natürlich auch an einzelne Personen fein verteilt und in deren Chronik gestellt: „Freiheitlich für Österreich“, „Rücktritt Bundesregierung“, „NPÖ“ (National Partei Österreich), „Österreicher zuerst“, „AfÖ“ (Alternative für Österreich), „Club 3 Kornblume Österreich“, „Wir wollen Norbert Hofer als Bundespräsident“, „Unsere Blaue Seite“ und „Scharia Nein Danke“. Fast alle dieser Gruppen haben zwischen 10.000 und 30.000 Mitgliedern. Mittlerweile (1.7.16, 21 Uhr) ist der Müll von „Jaskova” 504 mal geteilt worden.
Jaskova und der Club 3 Kornblume Österreich
Man muss also davon ausgehen, dass schon alleine über die bisherigen Teilungen von „Jaskova” Hunderttausende Menschen erreicht wurden. Und sie ist sicher nicht die einzige, die die Meldung von PI-News weiterverbreitet hat. Auch über „hartgeld.com“ wurde der PI-Dreck an österreichische Adressaten weitergeleitet und in geschlossenen Gruppen wie etwa „Ich wohne auf der richtigen Seite der Donau (21./22.Bezirk)“ verbreitet.
Falschmeldung auf „Hartgeld”
Dort bringt Yvonne W. einen Teil der Lügen in Umlauf: „Krebs im Endstadium und den hatte er schon, als er angertreten [sic!] ist. Ziemlich geil, oder doch nicht?!“ Ein anderer User der geschlossenen Gruppe mit mehr als 12.000 Mitgliedern, Robert H., stellt Jaskovas Posting am 28.6. online. Am 1.7., nach der Urteilsverkündung durch den VfGH, fragt ein Alexander S. in der Gruppe nach: „Was passiert, wenn da wuff bis zur neuerlichen Wahl krepiert.“
„Michaela Jaskova”, das seltsame FB-Profil aus Šopron, hat noch anderes im Sinn: „Danke VFGH — und jetzt noch ab in den Knast mit den (mutmaßlichen) WAHLBETRÜGERN!“ Das mit dem Knast könnte funktionieren. Der zwölfte Abschnitt des Strafgesetzbuches (Strafbare Handlungen gegen die Zuverlässigkeit von Urkunden und Beweiszeichen) und auch der achtzehnte (Strafbare Handlungen bei Wahlen und Volksabstimmungen) sollten eigentlich zu Ermittlungen anregen.