Ein blaues Gerücht und ein blaues Opfer

Am 1. 10.2015 behaup­te­te der Kärnt­ner FPÖ-Lan­­des­rat Chris­ti­an Rag­ger, dass es in einem Flücht­lings­heim in Tref­fen einen mys­te­riö­sen Todes­fall gege­ben habe und dazu Nach­rich­ten­sper­re ver­hängt wor­den sei. Die Quel­le für das Gerücht war zunächst unklar, dann stell­te sich her­aus: Der FPÖ-Vize­­bür­­ger­­meis­­ter war es. Und der klag­te jetzt eine ehren­amt­li­che Deutsch­leh­re­rin, weil sie ihm „infa­me Lüge“ […]

6. Jun 2016

Der FPÖ-Lan­des­rat ist schon län­ger fein her­aus. Er hat­te zunächst im Brust­ton der Über­zeu­gung die Öffent­lich­keit in einer Pres­se­aus­sendung dar­über „infor­miert“ , dass es in einem Flücht­lings­heim in Tref­fen einen mys­te­riö­sen Todes­fall eines syri­schen Chris­ten gege­ben habe, der unver­ständ­li­cher­wei­se als Sui­zid aus­ge­ge­ben wür­de. „Zwei Zeu­gen haben mir von dem Todes­fall erzählt. Die wer­den sich das nicht aus der Nase zie­hen“, empör­te sich Rag­ger gegen­über der „Klei­nen Zei­tung“ (2.10.2015). Der Lan­des­rat woll­te auch von Zeu­gen wis­sen, dass „das Opfer Stich­ver­let­zun­gen im Rücken gehabt habe“ (OTS Rag­ger). Er fabu­lier­te von dem Ver­dacht, „dass die­ser Flücht­ling Opfer von Reli­gi­ons­strei­tig­kei­ten inner­halb der Migran­ten gewor­den ist“. Die angeb­li­che Nach­rich­ten­sper­re der Poli­zei bezeich­ne­te er zwar als „nicht nach­voll­zieh­bar“, aber eigent­lich pass­te sie in sein Gerau­ne von selek­ti­ver Infor­ma­ti­ons­po­li­tik und Fil­te­rung von Mel­dun­gen durch das Innenministerium.

Wir haben damals unse­ren Bericht mit dem Titel ver­se­hen: “Erstun­ken und erlo­gen!“ So war es auch. Die Poli­zei hat­te zunächst auf­grund der Anschul­di­gun­gen des Lan­des­rats intern wegen des Ver­dachts auf Amts­miss­brauch und Unter­drü­ckung von Beweis­mit­teln ermit­telt. Da sich aber rasch her­aus­stell­te, dass es weder einen Sui­zid, noch einen Mord und über­haupt kei­nen Toten im Flücht­lings­heim gab, daher auch kein Opfer von Reli­gi­ons­strei­tig­kei­ten und kei­ne Nach­rich­ten­sper­re, kam der Lan­des­rat ins Visier der Ermitt­ler. Weil dem FPÖ-Lan­des­rat aber kein Vor­satz zur Ver­leum­dung nach­ge­wie­sen wer­den konn­te, gab es kei­ne Ermitt­lun­gen gegen ihn (Klei­ne Zei­tung, 13.10.2015).

Wie sich her­aus­stell­te, war der FPÖ-Vize­bür­ger­meis­ter von Tref­fen, Bern­hard Gas­s­ler, die Info-„Quelle“ von Rag­ger. Auch der FPÖ-Vize war kein Augen­zeu­ge für den ver­meint­li­chen Mord im Flücht­lings­heim, son­dern will dar­über infor­miert wor­den sein: „Er sei ledig­lich von einem besorg­ten, seriö­sen Bür­ger über den angeb­li­chen Mord infor­miert wor­den.“ (Klei­ne Zei­tung, 1.6.2016)

Der „besorg­te, seriö­se Bür­ger“ ist ver­mut­lich der, der weni­ge Tage zuvor an die rechts­extre­me Gerüch­te­bör­se „hartgeld.com“ einen Leser­brief geschrie­ben hat, in dem er angibt, eine „Info“ erhal­ten zu haben, die von den Behör­den ver­schwie­gen wer­de: „Die Wahr­heit sieht aber eher fol­gend aus — der Tote war christ­li­chen Glau­bens (Kop­te) und dürf­te von den ande­ren Asy­lan­ten so miss­han­delt wor­den sein das er an den Ver­let­zun­gen ver­starb.“ (hartgeld.com)


Hartgeld.com – Quel­le des Gerüchts?

Der FPÖ-Vize­bür­ger­meis­ter von Tref­fen infor­mier­te damals jeden­falls den FPÖ-Lan­des­rat über die unglaub­li­chen Vor­fäl­le im Flücht­lings­heim: über den Mord, die Reli­gi­ons­strei­tig­kei­ten, die von oben ange­ord­ne­te Nach­rich­ten­sper­re. Einer Frau, die ehren­amt­lich Deutsch­un­ter­richt für Flücht­lin­ge leis­tet, platz­te der Kra­gen wegen die­ser halt­lo­sen Unter­stel­lun­gen und Gerüch­te und auch, weil es kei­ne Ermitt­lun­gen gegen die Ver­brei­ter des Gerüchts gab.

Sie schreibt einen Leser­brief an die „Kro­ne“ (20.10.2015), stellt sich dar­in öffent­lich Fra­gen, die sich wohl fast alle stel­len: „Rechts­staat wo bist du? Offen­sicht­lich darf man unge­straft Lügen in alle Welt posau­nen und dann so tun, als ob nichts gewe­sen wäre.“ Sie fragt auch „nach den Moti­ven für die­se infa­me Lüge und Beschul­di­gun­gen“ und lädt bei­de Her­ren zu einem Tref­fen mit den Flücht­lin­gen im Haus der Dia­ko­nie ein.

Das hät­te sie nicht tun sol­len. Nein, nicht die Ein­la­dung, son­dern die Fra­ge nach den Moti­ven für die infa­me Lüge stel­len: Der FPÖ-Vize­bür­ger­meis­ter klag­te näm­lich wegen übler Nach­re­de. Der Leser­brief der Frau habe ihm „gro­ße Pro­ble­me“ berei­tet. Er sei näm­lich auch Leh­rer und Gerichts­sach­ver­stän­di­ger. Daher sei er das Opfer des Leser­brie­fes. „Ich habe nie jeman­den beschul­digt oder etwas öffent­lich behaup­tet“, zitiert ihn die „Klei­ne Zei­tung“ in ihrem Bericht von der Ver­hand­lung. Er habe nur die Infor­ma­ti­on eines „besorg­ten, seriö­sen Bür­gers“ gemel­det – an das Gemein­de­amt und an Rag­ger. War­um an Rag­ger, will der Rich­ter wis­sen. „Weil er Lan­des­rat für Recht ist“, so der FPÖ-Vize­bür­ger­meis­ter. Ja schon, aber nur für recht­li­che Ange­le­gen­hei­ten bei Jagd, Tier­schutz, Gewer­be und Straßenverkehr.

Die Ver­hand­lung wur­de zur Ein­ver­nah­me wei­te­rer Zeu­gen vertagt.

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