In der nationalsozialistischen Ideologie und Propaganda waren es die Juden, denen mit der Zuschreibung als „schädlicher Bazillus“ und „Schmarotzer“ unterstellt wurde, das „Wirtsvolk“ zum „Absterben“ bringen zu wollen (Hitler, Mein Kampf).
Arnold Böcklins „Die Pest”. Böcklin personifiziert die Pest in seinem Bild als einen auf einem fliegenden Ungeheuer reitenden Sensenmann, vor dem es kein Entrinnen gibt. Mit solchen Ängsten spielt auch die FPÖ
Die Krankheitsmetaphorik hat sich in den neueren rechtsextremen Ideologiefragmenten nur bedingt verändert: Es sind nicht mehr die Juden, sondern die Fremden, die Zuwanderer, die Flüchtlinge, die das „Wirtsvolk“, das jetzt verschämt „die einheimische Bevölkerung“ genannt wird, mit Seuchen und Krankheiten aller Art überziehen und so lebensbedrohlich schwächen. Je nachdem, ob die Krankheitsmetapher eingebettet wird in eine größere Erzählung, werden auch die Verursacher genannt: die heimischen politischen Eliten, die ihre (Wahl-)Bevölkerung austauschen wollen oder ausländische Kreise, die „internationale Wirtschaft“ (im Unterschied zur nationalen Wirtschaft) beispielsweise.
Als am 2. Oktober von den Behörden bekanntgegeben wurde, dass mehrere Fälle von Shigellen-Erkrankungen festgestellt wurden, erklärte sich Strache in einer Presseaussendung (OTS, 2.10.2015). „Ruhrfälle in Flüchtlingsheimen – Lage bald außer Kontrolle?“, titelte er.
Im Text sprach er dann – unter Berufung auf die Kronen Zeitung – von einem Ausbruch der „hoch-infektiösen Krankheit Ruhr mitten in Wien“ und ihrer „raschen Verbreitung“. Alles falsch: wieder einmal erstunken und erlogen!
Zum Zeitpunkt der Strache-Meldung (2.10.) waren die drei erkrankten Ruhr-Patienten schon fast wieder gesund. Die Krankheiten waren in Wien nicht ausgebrochen, sondern „im Rahmen der organisierten Betreuung von Flüchtlingen“ (APA, 2.10.15) erkannt worden – mehr als eine Woche zuvor. Die Ruhr holt man sich nicht in Wien, wie Strache meint, sondern man erkennt und kuriert sie hier. Zu berichten wäre also eigentlich über ein – auch unter besonderen Bedingungen – funktionierendes Gesundheitssystem.
Das aber interessiert Strache nicht: „… betonte Strache und fordert Lösungen von Bund und Land, bevor die Situation völlig außer Kontrolle gerät.” (Strache-OTS, 2.10.)
Wenige Tage zuvor – es war noch Wahlkampf in Oberösterreich – entwarf die Gesundheitssprecherin der FPÖ OÖ ein ähnliches Schreckens- und Seuchenszenario: „Ein Fall von Tuberkulose sei bereits in Europa festgestellt worden. Auch die Pest könne wieder eingeschleppt werden, warnt die Primaria. In diesem Zusammenhang fordert sie auch eine generelle Impfpflicht.“ (Neues Volksblatt, 17.9.15)
Mitte September wurde in Salzburg bei einem Flüchtling im Rahmen einer Routine-Kontrolle der Verdacht auf Lepra geäußert.
Die Zeitung „Österreich“ (16.9.) sprach zur gleichen Zeit von „Insider-Informationen“, wonach es im Krankenhaus Zams Tuberkulose-Alarm gegeben habe: „Hunderte Flüchtlinge sollen an TBC erkrankt sein.“
Und in Wien musste das Gesundheitsministerium am 17.9. mit einer Erklärung die Anweisung der Polizeidirektion unterstützen, die das Tragen von Mundschutz durch einige Polizisten untersagte. Mundschutz habe eine starke Signalwirkung und führe in der gegenwärtigen Situation zu falschen Ängsten in der Bevölkerung. Es werde ihn daher bei der Polizei nur nach ärztlicher Empfehlung geben, dann aber für alle, so die Polizeidirektion.
Zuvor hatten der FPÖ-Bundesrat Werner Herbert und die FPÖ-Gesundheitssprecherin Belakowitsch-Jenewein in Aussendungen vor einer Gefährdung der eingesetzten Polizisten und der gesamten Bevölkerung (!) durch das Mundschutz-Verbot bei der Wiener Polizei gewarnt. Tage später setzte die FPÖ- Gesundheitssprecherin noch einmal nach: „Nach den TBC-Verdachtsfällen haben wir in Österreich auch einen Lepra-Verdachtsfall unter den Asylwerbern. Wie viele und welche bisher unentdeckte ansteckende Krankheiten schlummern denn da noch?“ (OTS, 19.9.15)
Keine! Jedenfalls keine, die Anlass zu Verunsicherung geben würde.
- Der Tuberkulose- Alarm bei hunderten Flüchtlingen im Krankenhaus Zams war eine Zeitungs-Ente, wurde auch sofort vom Krankenhaus dementiert. Übrigens: Mitdenken schadet der Gesundheit nicht: Zams hat insgesamt etwas mehr als 300 Betten!
- Auch der Tuberkulose-Alarm bei der Wiener Polizei stellte sich als unbegründet heraus (Krone 22.9. 2015).
- Der Lepra-Verdacht in Salzburg wurde durch die Untersuchungen eines Hamburger Labors nicht bestätigt, meldete etwa der Kurier.
- Bleibt die Warnung der FPÖ-OÖ ‑Gesundheitssprecherin vor der Pest, die sie anscheinend mit einer Durchimpfung der Bevölkerung bekämpfen will. Absurd bzw. abzuraten, weiß Wiki.
Den freiheitlichen Seuchenpredigern geht es aber sowieso nicht um Therapie, sondern um die Vergrößerung des Schreckens, um Angst und Verunsicherung, um das Schüren von Urängsten.
Der Mundschutz für Polizisten, die Durchimpfung oder das Lungenröntgen der gesamten Bevölkerung sind nur Forderungen und Maßnahmen, mit denen weitere Schreckensbilder erzeugt werden können.
Königshofer und Ebola
Schon vor einem Jahr haben Rechtsextreme, auch die aus der FPÖ, die Ebola-Epidemie in Westafrika dazu benutzt, um in Europa Ängste zu schüren. Johann Gudenus, Straches Statthalter in Wien, der auch jetzt die Ruhr-Erkrankungen dazu benutzte, um darauf hinzuweisen, dass die FPÖ schon immer davor gewarnt habe, hat schon 2014 mit der Angst vor Ebola gespielt. (Übrigens: die Madrider Krankenschwester wurde komplett geheilt, der Salzburger Verdachtsfall war nie an Ebola erkrankt.)
Werner Königshofer war da ebenso dabei wie die mittlerweile geschlossene Hetzseite von Robert Faller, die mit Falschmeldung und Schreckensfoto den rechtsextremen Kontext deutlich zu begründen versucht: “Masseneinwanderung tötet“
Etwas zurückhaltender, aber durchaus ähnlich die bereits zitierte Stellungnahme von Strache: „Die Wiener Bevölkerung hat jedoch ein Recht darauf zu erfahren, welchen – auch gesundheitlichen – Gefahren sie durch die ungebremste Massenzuwanderung ausgesetzt ist.“