„Bürgermut stoppt Asylflut“, stand auf den Transparenten, die vor der Bürgerversammlung am 24. Februar in Prägraten aufgehängt wurden: „Entlang der Straße und auch am Pensionsgebäude selbst fanden sich große Anti-Asyl-Transparente wieder. Der Wirt erstattete Anzeige, die Polizei rückte aus und entfernte die Plakate.” (Tiroler Tageszeitung, 26.2.2015)
Das hetzerische Bild einer Asylflut, die über einen Ort, ein Land hereinbricht, ist ein rechtsextremer Topos. Mit ihm soll zunächst einmal Angst erzeugt werden. Die politischen Rattenfänger, die dann mit den Ängsten Musik machen, stehen schon bereit. In Deutschland geht die NPD mit dem Bild einer Asylflut, die gestoppt werden muss, hausieren, in Österreich macht die FPÖ erste Versuche. Als heuer im Jänner 1.000 Kosovaren in Österreich um Asyl ansuchten, sprach das FPÖ-Parteiblatt von einer „Kosovo-Asylflut“.
Für Prägraten reicht schon ein gutes Dutzend AsylwerberInnen aus, um das Bild mit der Asylflut zu inszenieren. Wer es inszeniert hat, wer die Plakate geschrieben hat, ist bislang unbekannt. Aber die, die jetzt die Ängste abholen wollen, die kennt man. Gerald Hauser von der FPÖ spricht davon, dass die Bevölkerung überfahren worden sei: „Die Bevölkerung fühlt sich zu Recht überfahren, sie wurde nicht informiert.” (Tiroler Tageszeitung, 26.2.)
Eine Informationsveranstaltung mit über 400 TeilnehmerInnen ist ihm zu wenig. Der „Krone“ auch. Die machte aus der Bürgerversammlung, die von der Bezirkshauptmannschaft auf Anordnung des Landes organisiert wurde, gleich die Versammlung von „Hunderte(n) Prägratener Bürger im Rahmen eines wilden Protestes, bei dem auch Polizei aufmarschierte“ und sah in Prägraten den „Schauplatz eines Bürgeraufstandes“ (Krone ‚28.2.2015). Auch dieses Bild hat wenig mit der Realität zu tun.
Ob nun die Prägratener zum ersten Mal über eine Gemeinderatssitzung vor zwei Wochen davon erfahren haben, dass ein Gasthausbesitzer mit dem Land wegen der Unterbringung von bis zu 16 AsylwerberInnen verhandelt, oder ob es den Leuten bei der Sonntagspredigt in der Kirche verkündet wurde, ist allenfalls für eine politikwissenschaftliche Arbeit interessant. Fakt ist, dass die Bürgerversammlung bald danach stattfand. In einer bereits durch Gerüchte, Bilder und Ängste aufgeladenen Stimmung kochten die Emotionen in der Versammlung zu „Hasstiraden” hoch, berichtete der ORF. Das Meinungsbild war offensichtlich sehr eindeutig in der Versammlung.
Aber es gibt auch die anderen Stimmen in Prägraten, ja sogar aus der Bürgerversammlung. Das Online-Magazin „Dolomitenstadt.at“ berichtet darüber:
Unter dem Gebot, niemanden zu zitieren, reden dann aber doch einige. So ist zu erfahren, dass auch zwei Flüchtlinge bei der Informationsveranstaltung gesprochen haben. Sie erzählten aus ihrem Leben – und plötzlich wurde das, wie Flüchtlinge leben, plastisch und vorstellbar. Der Prägratener Vizebürgermeister, Anton Hatzer, meinte dann auch, dass sie “sehr sympathisch” seien; irgendwie sagt sich das leichter über zwei Menschen, die vor einem sitzen und sprechen, als über die, die man noch nie gesehen hat, dafür aber viele negative Bilder über einseitige Berichte bekommen hat. Angst ist oft undefinierbar. Die beiden Flüchtlinge fühlten sie in Anbetracht der Überzahl an Asylgegnern vielleicht ganz deutlich.
Doch noch etwas erfährt man hinter vorgehaltener Hand und mit dem Versprechen, niemanden zu zitieren: Es gab gestern auch die, die fanden, dass 16 Flüchtlinge bei fast 1.200 Bewohnern kein Problem seien, dass man helfen solle und das auch wolle.
Und noch etwas gibt es seit wenigen Tagen: die Facebook-Gemeinschaft „Prägraten: Es gibt genug Platz für alle“. Mit ihrer Unterstützung kann man dem menschen- und gastfreundlichen Prägraten den Rücken stärken.