Der alte und der neue Antisemitismus

Am 9. Jän­ner 2015, zwei Tage nach dem Mor­dan­schlag auf Char­lie Heb­do, stürmt Ame­dy Coulibaly den koscheren Super­markt Hyper Cacher an der Avenue de la Porte de Vin­cennes in Paris. Er nahm mehr als ein Dutzend Kun­den als Geiseln und erschoss vier jüdis­che Fran­zosen. Einem TV-Sender erk­lärt er, dass er „wegen der Juden“ den Super­markt über­fall­en habe.

Schon vor dem Anschlag auf den jüdis­chen Super­markt gab es in Frankre­ich eine stark steigende Anzahl von Attack­en auf jüdis­che Ein­rich­tun­gen und (Mord) Anschlä­gen auf jüdis­che Per­so­n­en. Der alte poli­tis­che Anti­semitismus der extremen Recht­en (verkör­pert durch Jean Marie Le Pen) ist nicht ver­schwun­den, aber durch einen neuen Anti­semitismus, der sich seine Legit­i­ma­tion vorder­gründig über die Poli­tik Israels holen will und vor allem bei jun­gen mus­lim­is­chen Zuwan­der­ern ver­bre­it­et ist, in den Hin­ter­grund gedrängt worden.

Obwohl dieser neue Anti­semitismus in Frankre­ich beson­ders mas­siv und gewalt­tätig in Erschei­n­ung tritt, gibt es ihn auch in Öster­re­ich, wie die anti­semi­tis­chen Het­z­post­ings auf der Face­book-Seite von Außen­min­is­ter Kurz oder gegen die ORF-Mod­er­a­torin Lisa Gaden­stät­ter, aber auch die tätliche Attacke auf die Fußballer von Mac­cabi Haifa in Bischof­shofen belegen.

Der „alte” Anti­semitismus ist aber nicht min­der lebendig. Als Oskar Deutsch, Präsi­dent der Israelitis­chen Kul­tus­ge­meinde, kri­tisierte, dass bei der Gedenkkundge­bung für die Opfer der Ter­ro­ran­schläge von Paris am Ball­haus­platz in Wien die jüdis­chen Opfer bzw. der gezielte Angriff auf Juden aus­ge­blendet wurde („Alle sind Char­lie, kein­er ist Jude“), ern­tete er öffentlich Unver­ständ­nis (Vizekan­zler Mit­tler­lehn­er meinte etwa zunächst, es wäre nicht sin­nvoll gewe­sen, nach Reli­gion oder son­sti­gen Zuge­hörigkeit­en zu dif­feren­zieren) und Schweigen, abseits der medi­alen Öffentlichkeit aber zahlre­iche Stel­lung­nah­men, die zum Großteil anti­semi­tis­ch­er Natur waren. Das „Forum gegen Anti­semitismus“ hat einige dieser Zuschriften veröf­fentlicht.