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Mauthausen Komitee und Antifa-Netzwerk: Scharfe Kritik an Skandalurteil in Wiener Neustadt

Gericht bestell­te äußerst rechts­las­ti­gen Gut­ach­ter: Frei­spruch für NVP-Ideo­lo­gen. Wien (OTS) — Schar­fe Kri­tik üben das Maut­hau­sen Komi­tee Öster­reich (MKÖ) und das Anti­­fa-Net­z­­werk an einem Skan­dal­ur­teil in Wie­ner Neu­stadt: Der Ver­fas­ser des Pro­gramms der rechts­extre­men „Natio­na­len Volks­par­tei” (NVP) wur­de am Diens­tag von den Geschwo­re­nen im Zwei­fel — mit vier gegen vier Stim­men — vom Vor­wurf der […]

20. Mrz 2014

Wien (OTS) — Schar­fe Kri­tik üben das Maut­hau­sen Komi­tee Öster­reich (MKÖ) und das Anti­fa-Netz­werk an einem Skan­dal­ur­teil in Wie­ner Neu­stadt: Der Ver­fas­ser des Pro­gramms der rechts­extre­men „Natio­na­len Volks­par­tei” (NVP) wur­de am Diens­tag von den Geschwo­re­nen im Zwei­fel — mit vier gegen vier Stim­men — vom Vor­wurf der NS-Wie­der­be­tä­ti­gung frei­ge­spro­chen. Dabei stamm­te ein Teil des Pro­gramms wort­wört­lich aus einem Lehr­plan der SS!

„Die Schuld an die­sem Skan­dal­ur­teil trifft aller­dings nicht die Geschwo­re­nen, son­dern das Gericht, das einen äußerst rechts­las­ti­gen Gut­ach­ter aus Deutsch­land bestellt hat”, stellt Wil­li Mer­nyi, Vor­sit­zen­der des Maut­hau­sen Komi­tees Öster­reich (MKÖ), fest. „Eck­hard Jes­se hat die offen­kun­di­ge brau­ne Ten­denz des NVP-Pro­gramms ein­fach geleug­net und den SS-Teil als „wun­den Punkt” verharmlost!”

Wie der renom­mier­te Jour­na­list Heri­bert Prantl in der „Süd­deut­schen Zei­tung” geschrie­ben hat, ist Jes­se schon frü­her durch die Baga­tel­li­sie­rung rechts­extre­mer Umtrie­be auf­ge­fal­len. 1990 schoss sich Jes­se in einem Auf­satz auf Heinz Galin­ski, den dama­li­gen Vor­sit­zen­den des Zen­tral­ra­tes der Juden in Deutsch­land, ein: „Auf Dau­er dürf­te Juden­feind­lich­keit nicht zuletzt gera­de wegen man­cher Ver­hal­tens­wei­sen von Reprä­sen­tan­ten des Juden­tums an Bedeu­tung gewin­nen”. Kri­tik an übels­tem Anti­se­mi­tis­mus — ein deut­scher Bür­ger­meis­ter hat­te gemeint, zum Aus­gleich des Stadt­bud­gets müss­te man schon „eini­ge rei­che Juden erschla­gen” — beklag­te Jes­se als „hys­te­ri­sche Reak­ti­on”. Jes­se wei­ter: „Jüdi­sche Orga­ni­sa­tio­nen brau­chen Anti­se­mi­tis­mus in einer gewis­sen Grö­ßen­ord­nung, um für ihre Anlie­gen Gehör zu fin­den.” Der genann­te Auf­satz erschien in dem von ihm gemein­sam mit Uwe Backes und Rai­ner Zitel­mann her­aus­ge­ge­be­nen Sam­mel­band „Die Schat­ten der Ver­gan­gen­heit. Impul­se zur His­to­ri­sie­rung des Natio­nal­so­zia­lis­mus”, das als Stan­dard­werk des gemä­ßig­ten Geschichts­re­vi­sio­nis­mus gilt.

„Die Straf­jus­tiz in Wie­ner Neu­stadt ver­schwen­det Steu­er­geld an einen Ewig­gest­ri­gen. Man fragt sich: Ist das gro­be Schlam­pe­rei oder Absicht?”, sagt Netz­werk-Spre­cher Robert Eiter. „Dabei hät­te das Gericht nur auf jene seriö­sen Wis­sen­schaft­ler zurück­grei­fen müs­sen, die in frü­he­ren Ver­fah­ren gegen die NVP zu kla­ren Schlüs­sen gekom­men sind.”

So beton­te der His­to­ri­ker Ger­hard Botz als Sach­ver­stän­di­ger in einem Lin­zer Pro­zess, dass die NVP Anlei­hen bei der Bild­spra­che des NS-Regimes genom­men habe: „Da gibt’s kei­nen Genie­rer, in die NSDAP-Kis­te zu grei­fen.” Der Pro­zess ende­te mit rechts­kräf­ti­gen Ver­ur­tei­lun­gen wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung. Der Lin­zer Ver­fas­sungs­ju­rist Andre­as Jan­ko bestä­tig­te in einem Gut­ach­ten die Ent­schei­dung der oö. Lan­des­wahl­be­hör­de, die NVP wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung von der Land­tags­wahl 2009 auszuschließen.

„Das Skan­dal­ur­teil von Wie­ner Neu­stadt zeigt lei­der ein­mal mehr, dass unse­re Kri­tik am häu­fig laxen und feh­ler­haf­ten Umgang der Jus­tiz mit rechts­extre­men Straf­ta­ten höchst berech­tigt ist”, so Mer­nyi. „Ange­sichts der rapi­den Zunah­me die­ser Straf­ta­ten ist das ein kata­stro­pha­les Signal.”

Eiter: „Wir appel­lie­ren an den neu­en Jus­tiz­mi­nis­ter, gegen die­se gra­vie­ren­den Miss­stän­de vor­zu­ge­hen und im Rah­men sei­nes Res­sorts für eine wirk­sa­me Bekämp­fung des Rechts­extre­mis­mus zu sorgen!”