Die Wiener Philharmoniker sind ein Spitzenorchester – keine Frage. Aber sie haben zwei große Probleme: die Aufarbeitung ihrer NS-Vergangenheit und die Frauen. Mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit setzt sich der Gastkommentar von Harald Walser auseinander. Das Problem, das die Philharmoniker mit Frauen haben, wurde in mehreren parlamentarischen Anfragen thematisiert. Der frühere Vorstand der Wiener Philharmoniker, Werner Resel, hat 1997 nach der Bestellung der ersten Frau zur Harfinistin seine Funktion zurückgelegt. Im Jahr zuvor erklärte er: „Die Wiener Philharmoniker sind ein Orchester von weißen Männern, die von weißen Männern geschriebene Musik für weiße Männer spielen.”
Bildquelle: orf.at
Hängt das eine Problem vielleicht mit dem anderen zusammen? Fast naheliegend, wenn man die Aussendungen der beiden einsamen freiheitlichen Verteidiger liest. Heidemarie Unterreiner, Kultursprecherin der FPÖ, sieht in dem Kommentar von Walser „Hetze“, „absurde Nazi-Vorwürfe“ und „übelste Diffamierung“: „Offenbar passen konservativ-elegant gekleidete Frauen und Männer (…) nicht in das krude linke Weltbild Walsers.“ (OTS 19.12.12). Frauen? Wo sieht sie Frauen bei den Philharmonikern und wieviele? Ihr gefällt auch nicht, dass die Kritik von einem Bildungssprecher kommt.
Walter Rosenkranz, der FPÖ-Bildungssprecher, holt da schon breiter aus: „Es ist skandalös, wie die Grünen systematisch – ob aus Genderfragen, Subventionsfragen oder eben wegen einer Vergangenheitsbewältigung – eine der renommiertesten kulturellen Institutionen des Landes wie die Wiener Philharmoniker anpatzen.” (OTS 19.12.12)
Der Satz ist eine Offenbarung! Renommierte Institutionen wie die Wiener Philharmoniker dürfen wegen der fehlenden Aufarbeitung ihrer NS-Vergangenheit, ihres nach wie vor extrem niedrigen Frauenanteils und auch nicht wegen ihrer Subventionen offenbar nicht kritisiert werden. Aber: Ist es nicht die FPÖ, die gerne staatliche Subventionen an Kunst- und Kulturschaffende kritisiert?
Ist der Umkehrschluss zulässig, dass man weniger renommierte Institutionen schon kritisieren darf? Dann fangen wir doch bei der Burschenschaft Libertas an, der Rosenkranz angehört: Der Frauenanteil dort ist noch niedriger als bei den Philharmonikern – nämlich bei null. Und wie sieht’s mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und der ebenfalls trüben Vorgeschichte aus? War nicht die Burschenschaft Libertas Wien die erste, die den Arierparagrafen 1878 einführte? Bei der auch der rabiate Antisemit Georg Schönerer Mitglied war?
Warum lesen wir auf der Seite der Burschenschaft Libertas über diese Periode was völlig anderes?: „Viele Bundesbrüder zeichneten sich im Völkerkerker der Donaumonarchie mit seinen zahlreichen antagonistischen Nationalitäten in hervorragenden politischen Funktionen durch besonnenes aber entschlossenes Ringen um die deutsche Sache aus.“
Und weil Rosenkranz auch „Subventionsfragen“ angesprochen hat: Warum hat die Burschenschaft Libertas ausgerechnet die neonazistische Gruppe Bund freier Jugend mit dem „Carl von Hochenegg“-Preis für ihre „volkstreuen Aktivitäten“ bedacht? Ein Geldpreis an eine Neonazi-Gruppe für deren „volkstreue Aktivitäten“ – darüber würden wir gerne eine Erklärung hören!
➡️ Harald Walser: Wiener Philharmoniker und NS-Zeit — Historienmalerei statt Aufklärung!