Massenmord von Norwegen: ÖVP-FPÖ-Opfermythos zur Rechtfertigung von Gewalt

Das Hass-Man­i­fest des Atten­täters von Nor­we­gen gibt tiefen Ein­blick in eine Welt­sicht, die nicht allein von recht­sex­trem­istis­chen Parteien in viel­er Hin­sicht geteilt wird. Mus­lime, Frauen, Patch­work-Fam­i­lien und „Linke“ als Feind­bilder find­en sich nicht nur in diesem Mach­w­erk. Sie sind fix­er Bestandteile eines beängsti­gend weit ver­bre­it­eten Sets von men­schen­ver­ach­t­en­den Vorurteilen. Der klare Unter­schied zwis­chen Parteien wie der FPÖ, der Front Nation­al, der nor­wegis­chen Fortschrittspartei und ver­gle­ich­baren, recht­sex­trem­istis­chen oder recht­spop­ulis­tis­chen Organ­i­sa­tio­nen ein­er­seits und dem Mörder von Nor­we­gen ander­er­seits beste­ht jedoch in dessen offen­em Beken­nt­nis zu Gewalt.

Und den­noch stellt der Unter­schied in gewiss­er Weise auch ein Bindeglied zwis­chen dem Massen­mörder von Nor­we­gen und jen­em Set von Welt­bildern, die er mit der FPÖ teilt. Grund genug, sich diesen „verbinden­den“ Unter­schied genauer anzusehen.

Österreichischer „Opfermythos“ als Rechtfertigung für Massenmord

Worte wie „Gewalt“ oder „Angriff“ dienen im Has­s­man­i­fest des Oslo-Atten­täters vornehm­lich der Darstel­lung der ange­blichen „Islamisierung“ Europas. Gewalt­tätig sind immer „Mus­lime“ oder Poli­tik­erIn­nen und Behör­den, die etwa für Tol­er­anz wer­ben und sich gegen Ras­sis­mus aussprechen. Erst in der Mitte seines 1500-Seit­en-Mach­w­erks kommt Breivik über­haupt dazu, an ver­gle­ich­sweise weni­gen Stellen die eigene Gewalt im von ihm aus­gerufe­nen „Befreiungskampf“ zu behan­deln: „An increas­ing num­ber of peo­ple will come to realise that a demo­c­ra­t­ic vic­to­ry in Europe is not pos­si­ble. The “Austria/Haider inci­dent” is a good illus­tra­tion. As soon as a gov­ern­ment is elect­ed which oppos­es the “EU’s Eura­bia project/European mul­ti­cul­tur­al­ism” they are imme­di­ate­ly and effec­tive­ly neu­tralised. In Austria’s exam­ple, EU imposed 7 months of sanc­tions and ral­lied the worlds cul­tur­al Marxist/multiculturalist media organ­i­sa­tions. There is ample evi­dence by review­ing the cov­er­age dur­ing these events that the EU lead­ers and the Euro­pean main­stream media delib­er­ate­ly launched a cam­paign of psy­cho­log­i­cal war­fare with the strat­e­gy of ter­ror­is­ing the Aus­tri­an pop­u­la­tion in order to achieve the goal of turn­ing them against their lead­er­ship. The Aus­tri­an pop­u­la­tion was effec­tive­ly coerced into chang­ing their views as it is unbear­able to be por­trayed as “a coun­try full of Nazis” by the world press“ (Seite 801). Um daraus zu fol­gern: „A new era has come — the time for dia­logue is now over“. Und: „We did not want this but we are left no choice. Armed strug­gle is the only ratio­nal approach“ (Seite 802).

Öster­re­ich als Opfer „psy­chol­o­gis­ch­er Kriegs­führung“ sowie die ange­blich „ter­ror­isierte Bevölkerung“ wer­den nicht nur ein­mal bemüht: „They launched a cam­paign of polit­i­cal and psy­cho­log­i­cal war­fare against Aus­tria when our brethren there man­aged to mount a demo­c­ra­t­ic alter­na­tive“ (Seite 826). Im Ver­such, sein Welt­bild zu kon­so­li­dieren geht Breivik sog­ar so weit, den USA im Jahr 2000 eine Inter­ven­tion in Öster­re­ich zu unter­stellen, die in ein­er Rei­he mit dem Krieg in Viet­nam oder dem Ein­marsch in Grena­da 1983 gestellt wird (Seite 1297).

Ein­mal abge­se­hen davon, dass der Massen­mörder von Oslo die FPÖ an dieser Stelle als „Brüder“ beze­ich­net: Wed­er hat es im Jahr 2000 eine US-Inter­ven­tion in Öster­re­ich gegeben noch wurde die öster­re­ichis­che Bevölkerung Opfer poli­tis­ch­er bzw. psy­chol­o­gis­ch­er Kriegs­führung oder gar „ter­ror­isiert“. Die Bedeu­tung dieser Recht­fer­ti­gungskon­struk­tion Breiviks wird aber umso größer, als er neben Öster­re­ich nur ein einziges weit­eres Beispiel zur Recht­fer­ti­gung des „bewaffneten Kampfs“ anführt: Ser­bi­en unter Milosevic.


Screen­shot: Liste der „US-Inter­ven­tio­nen“ nach Breivik nach1945
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Weinerliches Selbstmitleid mutiert zur Rechtfertigung von Massenmord

Ähn­lich wie bei der „Niko­lo-Lüge“ bezieht sich der Massen­mörder von Nor­we­gen mit dem Ver­weis auf den Regierungswech­sel 2000 und seinen „Fol­gen“ auf eine in Öster­re­ich kon­stru­ierte, sach­lich nicht begründ­bare Räu­bers­geschichte. Absurd ist dabei nicht nur Breiviks Schlussfol­gerung (die Gewal­trecht­fer­ti­gung), son­dern schon die Kon­struk­tion der „Sank­tio­nen“, die von ÖVP und FPÖ im Jahr 2000 vorgenom­men wurde. Diese „Sank­tio­nen“ – das Wort wurde in Öster­re­ich erfun­den und kommt in inter­na­tionalen Doku­menten nicht vor – waren selb­stver­ständlich nicht gegen die öster­re­ichis­che Bevölkerung gerichtet, son­dern betrafen einzig die bilat­erale Koop­er­a­tion auf Regierungsebene, wie auch die von der dama­li­gen EU-Präsi­dentschaft veröf­fentlichte Erk­lärung deut­lich macht: „Die Regierun­gen der 14 Mit­gliedsstaat­en wer­den kein­er­lei offizielle bilat­erale Kon­tak­te auf poli­tis­ch­er Ebene mit ein­er öster­re­ichis­chen Regierung unter Ein­bindung der FPÖ betreiben oder akzep­tieren; Es wird keine Unter­stützung für öster­re­ichis­che Kan­di­dat­en geben, die Posi­tio­nen in inter­na­tionalen Organ­i­sa­tio­nen anstreben; Öster­re­ichis­che Botschafter wer­den in den EU-Haupt­städten nur noch auf tech­nis­ch­er Ebene empfangen.”

Auch wenn ÖVP und FPÖ dies im Jahr 2000 nach­haltig anders in die Welt set­zten: Es gab keine Schritte gegen Öster­re­ich, die in irgen­dein­er Weise den Gebrauch des Wortes „Sank­tio­nen“ recht­fer­tigte. Wenn öster­re­ichis­che Regierungsmit­glieder nicht in andere Län­der ein­ge­laden wer­den und keine Min­is­terIn­nen aus anderen EU-Staat­en auf Besuch nach Öster­re­ich kom­men, mag das für die Regierungsmit­glieder ver­let­zend sein, es trifft aber wed­er die Bevölkerung noch hat es irgen­det­was mit „Sank­tio­nen“ zu tun. Der Begriff „Sank­tio­nen“ beschreibt wirtschaftliche oder juris­tis­che Maß­nah­men (z.B. Ein­rei­se­ver­bote, Exportver­bote, Kon­tensper­run­gen,…), wie sie etwa den Irak unter Sad­dam Hus­sein, Nord­ko­rea oder den Iran betr­e­f­fen. Zu keinem Zeit­punkt jedoch war Öster­re­ich auch nur irgend­wie von der­ar­ti­gen Maß­nah­men betroffen.

„Sanktionen“ gegen Österreich? Wehleidiges Kampfvokabular einer gekränkten ÖVP-FPÖ-Regierung

Die Beze­ich­nung „Sank­tio­nen“ waren eine Erfind­ung von ÖVP und FPÖ, um inner­halb Öster­re­ichs eine nation­alchau­vin­is­tis­che Stim­mung ent­fachen zu kön­nen. Nicht umson­st bracht­en diese Parteien auch das Kampf­vok­ab­u­lar „nationaler Schul­ter­schluss“ in die Diskus­sion ein. Tat­sache ist, dass keinem einzi­gen Men­schen mit öster­re­ichis­ch­er Staats­bürg­er­schaft aus diesen ange­blichen „Sank­tio­nen gegen Öster­re­ich“ ein wirtschaftlich­er oder gar ein physis­ch­er Schaden erwuchs.

Die ange­blichen „Sank­tio­nen“ gegen Öster­re­ich ende­ten mit einem umfassenden Bericht im Sep­tem­ber 2000, in dem unter anderem die FPÖ als „recht­spop­ulis­tis­che Partei mit radikalen Ele­menten“ klas­si­fiziert wurde, die „frem­den­feindliche Stim­mungen… genützt und gefördert“ sowie „eine Atmo­sphäre geschaf­fen“ hat, durch die „Äng­ste her­vorgerufen wur­den“.

Obwohl es nie „Sank­tio­nen gegen Öster­re­ich“, son­dern allen­falls eine Ein­schränkung der Koop­er­a­tion mit öster­re­ichis­chen Regierungsmit­gliedern gab, zählt das Märchen von den ange­blichen „Sank­tio­nen“ bis heute zum Stan­dard­reper­toire von ÖVP und FPÖ. Ein Stan­dard­reper­toire, das dem Massen­mörder von Nor­we­gen zu ein­er bil­li­gen Begrün­dung von Gewalt verhalf.

Richtigstellung als Mittel gegen Rechtfertigung von Gewalt, Terror und Massenmord

Wed­er ÖVP noch FPÖ kommt damit unmit­tel­bare Schuld am Mas­sak­er von Nor­we­gen zu. Bei­de haben aber Grund genug, die Kon­struk­tion des Opfermythos „Sank­tio­nen“ öffentlich zu kor­rigieren. Nicht etwa, um damit Ver­ant­wor­tung zu übernehmen, son­dern um ein­er Weit­er­ver­bre­itung der Gewal­trecht­fer­ti­gung zuvorzukom­men. Diese hat es näm­lich ganz schön in sich…

„The time for dia­logue is over. We gave peace a chance. The time for armed resis­tance has come. PCCTS, Knights Tem­plar on behalf of the free peo­ples of Europe, here­by declare a pre-emp­tive war against the cul­tur­al Marxist/ mul­ti­cul­tur­al­ist regimes of West­ern Europe“ (Seite 816).

Der vom Massen­mörder aus­gerufene „Präven­tivkrieg“ gegen alle und jeden, die ihm nicht passen, macht sein­er Ansicht nach eine Vor­bere­itung zum Töten notwendig:

„We train to kill but that doesn’t mean we love vio­lence. We use vio­lence only for self defence, as pre-emp­tive actions and as a last option. … They bombed the Ser­bian peo­ple, our broth­ers and sis­ters, and are cur­rent­ly occu­py­ing Ser­bia. They launched a cam­paign of polit­i­cal and psy­cho­log­i­cal war­fare against Aus­tria when our brethren there man­aged to mount a demo­c­ra­t­ic alter­na­tive“ (Seite 826).

An Massenmord gewöhnen?

In diesem Kampf gibt es eine Verpflich­tung zur Grausamkeit. Der Verzicht auf Grausamkeit stellt einen Ver­rat an der Sache dar. Dabei ist es bess­er, zu viele Men­schen zu töten als zu wenige, denn Moral hat in diesem Kampf für Breivik seine Bedeu­tung ver­loren: „As a Jus­ti­ciar Knight you are oper­at­ing as a jury, judge and exe­cu­tion­er on behalf of all free Euro­peans. Nev­er for­get that it is not only your right to act against the tyran­ny of the cul­tur­al Marxist/multiculturalist elites of Europe, it is your duty to do so. There are sit­u­a­tions in which cru­el­ty is nec­es­sary, and refus­ing to apply nec­es­sary cru­el­ty is a betray­al of the peo­ple whom you wish to pro­tect. The pre­ferred method is to attack in a vio­lent and decep­tive form (shock attack), usu­al­ly with lim­it­ed forces (1–2 individuals).Once you decide to strike, it is bet­ter to kill too many than not enough, or you risk reduc­ing the desired ide­o­log­i­cal impact of the strike. Explain what you have done (in an announce­ment dis­trib­uted pri­or to oper­a­tion) and make cer­tain that every­one under­stands that we, the free peo­ples of Europe, are going to strike again and again. Do not apol­o­gise, make excus­es or express regret for you are act­ing in self-defence or in a pre­emp­tive man­ner. In many ways, moral­i­ty has lost its mean­ing in our strug­gle. The ques­tion of good and evil is reduced to one sim­ple choice. For every free patri­ot­ic Euro­pean, only one choice remains: Sur­vive or per­ish. Some inno­cent will die in our oper­a­tions as they are sim­ply at the wrong place at the wrong time. Get used the idea. The needs of the many will always sur­pass the needs of the few“ (Seit­en 837/838).

Eine demokratis­che Gesellschaft muss demokratis­che Antworten sowohl auf recht­sex­trem­istis­che Has­spro­pa­gan­da wie auch auf jene find­en, bei denen dieser Hass auf frucht­baren Boden fällt. Ein erster, aber nicht unwesentlich­er Schritt ist es, die Pro­pa­gan­damythen, die hin­ter der Has­spro­pa­gan­da ste­hen, zu ent­lar­ven und zu dekonstruieren.