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Massenmord von Norwegen: ÖVP-FPÖ-Opfermythos zur Rechtfertigung von Gewalt

Das Hass-Mani­­fest des Atten­tä­ters von Nor­we­gen gibt tie­fen Ein­blick in eine Welt­sicht, die nicht allein von rechts­extre­mis­ti­schen Par­tei­en in vie­ler Hin­sicht geteilt wird. Mus­li­me, Frau­en, Patch­­work-Fami­­li­en und „Lin­ke“ als Feind­bil­der fin­den sich nicht nur in die­sem Mach­werk. Sie sind fixer Bestand­tei­le eines beängs­ti­gend weit ver­brei­te­ten Sets von men­schen­ver­ach­ten­den Vor­ur­tei­len. Der kla­re Unter­schied zwi­schen Par­tei­en wie […]

12. Aug 2012

Und den­noch stellt der Unter­schied in gewis­ser Wei­se auch ein Bin­de­glied zwi­schen dem Mas­sen­mör­der von Nor­we­gen und jenem Set von Welt­bil­dern, die er mit der FPÖ teilt. Grund genug, sich die­sen „ver­bin­den­den“ Unter­schied genau­er anzusehen.

Österreichischer „Opfermythos“ als Rechtfertigung für Massenmord

Wor­te wie „Gewalt“ oder „Angriff“ die­nen im Hass­ma­ni­fest des Oslo-Atten­tä­ters vor­nehm­lich der Dar­stel­lung der angeb­li­chen „Isla­mi­sie­rung“ Euro­pas. Gewalt­tä­tig sind immer „Mus­li­me“ oder Poli­ti­ke­rIn­nen und Behör­den, die etwa für Tole­ranz wer­ben und sich gegen Ras­sis­mus aus­spre­chen. Erst in der Mit­te sei­nes 1500-Sei­ten-Mach­werks kommt Brei­vik über­haupt dazu, an ver­gleichs­wei­se weni­gen Stel­len die eige­ne Gewalt im von ihm aus­ge­ru­fe­nen „Befrei­ungs­kampf“ zu behan­deln: „An incre­asing num­ber of peo­p­le will come to rea­li­se that a demo­cra­tic vic­to­ry in Euro­pe is not pos­si­ble. The “Austria/Haider inci­dent” is a good illus­tra­ti­on. As soon as a govern­ment is elec­ted which oppo­ses the “EU’s Eura­bia project/European mul­ti­cul­tu­ra­lism” they are imme­dia­te­ly and effec­tively neu­tra­li­sed. In Austria’s exam­p­le, EU impo­sed 7 months of sanc­tions and ral­lied the worlds cul­tu­ral Marxist/multiculturalist media orga­ni­sa­ti­ons. The­re is amp­le evi­dence by revie­w­ing the covera­ge during the­se events that the EU lea­ders and the Euro­pean main­stream media deli­bera­te­ly laun­ched a cam­paign of psy­cho­lo­gi­cal war­fa­re with the stra­tegy of ter­ro­ri­sing the Aus­tri­an popu­la­ti­on in order to achie­ve the goal of tur­ning them against their lea­der­ship. The Aus­tri­an popu­la­ti­on was effec­tively coer­ced into chan­ging their views as it is unbe­ara­ble to be por­tray­ed as “a coun­try full of Nazis” by the world press“ (Sei­te 801). Um dar­aus zu fol­gern: „A new era has come — the time for dia­lo­gue is now over“. Und: „We did not want this but we are left no choice. Armed strugg­le is the only ratio­nal approach“ (Sei­te 802).

Öster­reich als Opfer „psy­cho­lo­gi­scher Kriegs­füh­rung“ sowie die angeb­lich „ter­ro­ri­sier­te Bevöl­ke­rung“ wer­den nicht nur ein­mal bemüht: „They laun­ched a cam­paign of poli­ti­cal and psy­cho­lo­gi­cal war­fa­re against Aus­tria when our breth­ren the­re mana­ged to mount a demo­cra­tic alter­na­ti­ve“ (Sei­te 826). Im Ver­such, sein Welt­bild zu kon­so­li­die­ren geht Brei­vik sogar so weit, den USA im Jahr 2000 eine Inter­ven­ti­on in Öster­reich zu unter­stel­len, die in einer Rei­he mit dem Krieg in Viet­nam oder dem Ein­marsch in Gre­na­da 1983 gestellt wird (Sei­te 1297).

Ein­mal abge­se­hen davon, dass der Mas­sen­mör­der von Oslo die FPÖ an die­ser Stel­le als „Brü­der“ bezeich­net: Weder hat es im Jahr 2000 eine US-Inter­ven­ti­on in Öster­reich gege­ben noch wur­de die öster­rei­chi­sche Bevöl­ke­rung Opfer poli­ti­scher bzw. psy­cho­lo­gi­scher Kriegs­füh­rung oder gar „ter­ro­ri­siert“. Die Bedeu­tung die­ser Recht­fer­ti­gungs­kon­struk­ti­on Brei­viks wird aber umso grö­ßer, als er neben Öster­reich nur ein ein­zi­ges wei­te­res Bei­spiel zur Recht­fer­ti­gung des „bewaff­ne­ten Kampfs“ anführt: Ser­bi­en unter Milosevic.


Screen­shot: Lis­te der „US-Inter­ven­tio­nen“ nach Brei­vik nach1945
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Weinerliches Selbstmitleid mutiert zur Rechtfertigung von Massenmord

Ähn­lich wie bei der „Niko­lo-Lüge“ bezieht sich der Mas­sen­mör­der von Nor­we­gen mit dem Ver­weis auf den Regie­rungs­wech­sel 2000 und sei­nen „Fol­gen“ auf eine in Öster­reich kon­stru­ier­te, sach­lich nicht begründ­ba­re Räu­bers­ge­schich­te. Absurd ist dabei nicht nur Brei­viks Schluss­fol­ge­rung (die Gewalt­recht­fer­ti­gung), son­dern schon die Kon­struk­ti­on der „Sank­tio­nen“, die von ÖVP und FPÖ im Jahr 2000 vor­ge­nom­men wur­de. Die­se „Sank­tio­nen“ – das Wort wur­de in Öster­reich erfun­den und kommt in inter­na­tio­na­len Doku­men­ten nicht vor – waren selbst­ver­ständ­lich nicht gegen die öster­rei­chi­sche Bevöl­ke­rung gerich­tet, son­dern betra­fen ein­zig die bila­te­ra­le Koope­ra­ti­on auf Regie­rungs­ebe­ne, wie auch die von der dama­li­gen EU-Prä­si­dent­schaft ver­öf­fent­lich­te Erklä­rung deut­lich macht: „Die Regie­run­gen der 14 Mit­glieds­staa­ten wer­den kei­ner­lei offi­zi­el­le bila­te­ra­le Kon­tak­te auf poli­ti­scher Ebe­ne mit einer öster­rei­chi­schen Regie­rung unter Ein­bin­dung der FPÖ betrei­ben oder akzep­tie­ren; Es wird kei­ne Unter­stüt­zung für öster­rei­chi­sche Kan­di­da­ten geben, die Posi­tio­nen in inter­na­tio­na­len Orga­ni­sa­tio­nen anstre­ben; Öster­rei­chi­sche Bot­schaf­ter wer­den in den EU-Haupt­städ­ten nur noch auf tech­ni­scher Ebe­ne empfangen.”

Auch wenn ÖVP und FPÖ dies im Jahr 2000 nach­hal­tig anders in die Welt setz­ten: Es gab kei­ne Schrit­te gegen Öster­reich, die in irgend­ei­ner Wei­se den Gebrauch des Wor­tes „Sank­tio­nen“ recht­fer­tig­te. Wenn öster­rei­chi­sche Regie­rungs­mit­glie­der nicht in ande­re Län­der ein­ge­la­den wer­den und kei­ne Minis­te­rIn­nen aus ande­ren EU-Staa­ten auf Besuch nach Öster­reich kom­men, mag das für die Regie­rungs­mit­glie­der ver­let­zend sein, es trifft aber weder die Bevöl­ke­rung noch hat es irgend­et­was mit „Sank­tio­nen“ zu tun. Der Begriff „Sank­tio­nen“ beschreibt wirt­schaft­li­che oder juris­ti­sche Maß­nah­men (z.B. Ein­rei­se­ver­bo­te, Export­ver­bo­te, Kon­ten­sper­run­gen,…), wie sie etwa den Irak unter Sad­dam Hus­sein, Nord­ko­rea oder den Iran betref­fen. Zu kei­nem Zeit­punkt jedoch war Öster­reich auch nur irgend­wie von der­ar­ti­gen Maß­nah­men betroffen.

„Sanktionen“ gegen Österreich? Wehleidiges Kampfvokabular einer gekränkten ÖVP-FPÖ-Regierung

Die Bezeich­nung „Sank­tio­nen“ waren eine Erfin­dung von ÖVP und FPÖ, um inner­halb Öster­reichs eine natio­nal­chau­vi­nis­ti­sche Stim­mung ent­fa­chen zu kön­nen. Nicht umsonst brach­ten die­se Par­tei­en auch das Kampf­vo­ka­bu­lar „natio­na­ler Schul­ter­schluss“ in die Dis­kus­si­on ein. Tat­sa­che ist, dass kei­nem ein­zi­gen Men­schen mit öster­rei­chi­scher Staats­bür­ger­schaft aus die­sen angeb­li­chen „Sank­tio­nen gegen Öster­reich“ ein wirt­schaft­li­cher oder gar ein phy­si­scher Scha­den erwuchs.

Die angeb­li­chen „Sank­tio­nen“ gegen Öster­reich ende­ten mit einem umfas­sen­den Bericht im Sep­tem­ber 2000, in dem unter ande­rem die FPÖ als „rechts­po­pu­lis­ti­sche Par­tei mit radi­ka­len Ele­men­ten“ klas­si­fi­ziert wur­de, die „frem­den­feind­li­che Stim­mun­gen… genützt und geför­dert“ sowie „eine Atmo­sphä­re geschaf­fen“ hat, durch die „Ängs­te her­vor­ge­ru­fen wur­den“.

Obwohl es nie „Sank­tio­nen gegen Öster­reich“, son­dern allen­falls eine Ein­schrän­kung der Koope­ra­ti­on mit öster­rei­chi­schen Regie­rungs­mit­glie­dern gab, zählt das Mär­chen von den angeb­li­chen „Sank­tio­nen“ bis heu­te zum Stan­dard­re­per­toire von ÖVP und FPÖ. Ein Stan­dard­re­per­toire, das dem Mas­sen­mör­der von Nor­we­gen zu einer bil­li­gen Begrün­dung von Gewalt verhalf.

Richtigstellung als Mittel gegen Rechtfertigung von Gewalt, Terror und Massenmord

Weder ÖVP noch FPÖ kommt damit unmit­tel­ba­re Schuld am Mas­sa­ker von Nor­we­gen zu. Bei­de haben aber Grund genug, die Kon­struk­ti­on des Opfer­my­thos „Sank­tio­nen“ öffent­lich zu kor­ri­gie­ren. Nicht etwa, um damit Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men, son­dern um einer Wei­ter­ver­brei­tung der Gewalt­recht­fer­ti­gung zuvor­zu­kom­men. Die­se hat es näm­lich ganz schön in sich…

„The time for dia­lo­gue is over. We gave peace a chan­ce. The time for armed resis­tance has come. PCCTS, Knights Tem­plar on behalf of the free peo­p­les of Euro­pe, her­eby decla­re a pre-emp­ti­ve war against the cul­tu­ral Marxist/ mul­ti­cul­tu­ra­list regimes of Wes­tern Euro­pe“ (Sei­te 816).

Der vom Mas­sen­mör­der aus­ge­ru­fe­ne „Prä­ven­tiv­krieg“ gegen alle und jeden, die ihm nicht pas­sen, macht sei­ner Ansicht nach eine Vor­be­rei­tung zum Töten notwendig:

„We train to kill but that doesn’t mean we love vio­lence. We use vio­lence only for self defence, as pre-emp­ti­ve actions and as a last opti­on. … They bom­bed the Ser­bi­an peo­p­le, our brot­hers and sis­ters, and are curr­ent­ly occu­py­ing Ser­bia. They laun­ched a cam­paign of poli­ti­cal and psy­cho­lo­gi­cal war­fa­re against Aus­tria when our breth­ren the­re mana­ged to mount a demo­cra­tic alter­na­ti­ve“ (Sei­te 826).

An Massenmord gewöhnen?

In die­sem Kampf gibt es eine Ver­pflich­tung zur Grau­sam­keit. Der Ver­zicht auf Grau­sam­keit stellt einen Ver­rat an der Sache dar. Dabei ist es bes­ser, zu vie­le Men­schen zu töten als zu weni­ge, denn Moral hat in die­sem Kampf für Brei­vik sei­ne Bedeu­tung ver­lo­ren: „As a Jus­ti­ci­ar Knight you are ope­ra­ting as a jury, judge and exe­cu­tio­ner on behalf of all free Euro­peans. Never for­get that it is not only your right to act against the tyran­ny of the cul­tu­ral Marxist/multiculturalist eli­tes of Euro­pe, it is your duty to do so. The­re are situa­tions in which cruel­ty is neces­sa­ry, and refu­sing to app­ly neces­sa­ry cruel­ty is a betra­y­al of the peo­p­le whom you wish to pro­tect. The pre­fer­red method is to attack in a vio­lent and decep­ti­ve form (shock attack), usual­ly with limi­t­ed forces (1–2 individuals).Once you deci­de to strike, it is bet­ter to kill too many than not enough, or you risk redu­cing the desi­red ideo­lo­gi­cal impact of the strike. Explain what you have done (in an announce­ment dis­tri­bu­ted pri­or to ope­ra­ti­on) and make cer­tain that ever­yo­ne under­stands that we, the free peo­p­les of Euro­pe, are going to strike again and again. Do not apo­lo­gi­se, make excu­ses or express reg­ret for you are acting in self-defence or in a pre­emp­ti­ve man­ner. In many ways, mora­li­ty has lost its mea­ning in our strugg­le. The ques­ti­on of good and evil is redu­ced to one simp­le choice. For every free patrio­tic Euro­pean, only one choice remains: Sur­vi­ve or peri­sh. Some inno­cent will die in our ope­ra­ti­ons as they are sim­ply at the wrong place at the wrong time. Get used the idea. The needs of the many will always sur­pass the needs of the few“ (Sei­ten 837/838).

Eine demo­kra­ti­sche Gesell­schaft muss demo­kra­ti­sche Ant­wor­ten sowohl auf rechts­extre­mis­ti­sche Hass­pro­pa­gan­da wie auch auf jene fin­den, bei denen die­ser Hass auf frucht­ba­ren Boden fällt. Ein ers­ter, aber nicht unwe­sent­li­cher Schritt ist es, die Pro­pa­gan­da­my­then, die hin­ter der Hass­pro­pa­gan­da ste­hen, zu ent­lar­ven und zu dekonstruieren. 

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