Das bedeutsamste Wort der Anfragebeantwortung ist „derzeit“. Auf die Frage, ob es Hinweise gäbe, dass Johann Neumüller in rechten Kreisen verkehrt habe, antwortete die Ministerin: „Den Ermittlungsbehörden liegen derzeit keine diesbezüglichen Hinweise vor.“ Diese Antwort lässt offen, ob sich der Ermittlungsstand noch ändern könnte. Allerdings: Neumüller ist seit 26.10.2011 tot, weil er sich am Nationalfeiertag in seiner Zelle erhängt hat. Ermittelt wurde gegen ihn wegen Mord und Mordversuch – bis er tot war. Gegen Tote wird in der Regel nicht ermittelt. Und ob er Kontakte in die rechte Szene hatte, wird sich wohl auch deshalb nicht ermitteln lassen, weil der Verfassungsschutz „zu den Ermittlungen nicht hinzugezogen“ wurde. Warum eigentlich nicht?
Die Innenministerin spricht auch an anderer Stelle von laufenden Ermittlungen: „Nach den derzeit vorliegenden Ermittlungsergebnissen (…) ist von einem Einzeltäter auszugehen.“ Und noch einmal tut das Innenministerium so, als ob es gerade mitten in den Ermittlungen stecken würde: „Den Ermittlungsbehörden liegen derzeit keine Hinweise über Ankündigungen der Tat vor.“
Woher kommt es eigentlich, dass man nach Auskünften des Innenministeriums so oft den Eindruck hat, es bemühe sich krampfhaft darum, etwas zu verbergen? „Derzeit“ scheint jedenfalls möglich, dass die Behörde nie wirklich untersucht hat, ob es ein rechtsextremes Umfeld bei Neumüller gab. „Derzeit“ scheint auch möglich, dass die Behörde vielleicht irgendwann noch „diesbezügliche Hinweise“ erhält. Wenn sie ermitteln würde!