NVP (III): Nationalsozialistisches Brainstorming

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Der zwei­te Tag des NS-Wie­der­be­tä­ti­gungs­pro­zes­ses in Linz mit den Ange­klag­ten Robert Fal­ler (ehe­ma­li­ger Gene­ral­se­kre­tär der NVP) und Ste­fan Rup­rechts­ber­ger (Jugend­be­auf­trag­ter) brach­te nicht nur das Urteil, son­dern auch neue Erkennt­nis­se, wie ein Par­tei­pro­gramm bei den Neo­na­zis entsteht.

Wie abzu­se­hen war, muss­te der bereits abge­straf­te Ehren­ob­mann, Ex-Obmann und Ex-Bil­dungs­be­auf­trag­te Chris­ti­an Hay­er aus­rü­cken, um Robert Fal­ler zu ent­las­ten. Er schil­der­te den Ent­ste­hungs­pro­zess für die Par­tei­grün­dung und das Par­tei­pro­gramm so: Fal­ler hat­te die Idee für eine Par­tei, Hay­er habe sich mit ihm getrof­fen und gemein­sam habe man das Pro­gramm in Brain­stor­mings erar­bei­tet. Die Hir­ne der bei­den müs­sen tat­säch­lich von Stür­men umtost wor­den sein, denn Hay­er will zwar zusam­men­ge­fasst haben, aber dabei sei­en ihm die Tex­te aus dem SS-Schu­lungs­pro­gramm, die er bereits frü­her notiert und an deren Quel­le er nicht mehr gedacht habe, hin­ein­ge­rutscht: „Wenn er damals noch gewusst hät­te, dass Pas­sa­gen aus einer SS-Schrift stam­men, hät­te er sie nicht ver­wen­det”, heißt es in der APA-Mel­dung zum Prozess.

Das Par­tei­pro­gramm der NVP ist also aus dem plötz­li­chen Gedächt­nis­ver­lust zumin­dest eines Betei­lig­ten ent­stan­den. Dumm gelau­fen, aber Amne­sie ist eine weit­ver­brei­te­te Erkran­kung unter Neo­na­zis. Die ist manch­mal so umfas­send, dass sogar wei­te­re Betei­lig­te am Pro­gramm­pro­zess aus­ge­blen­det blei­ben. Waren da nicht noch ande­re NVP-Geis­tes­rie­sen betei­ligt? Oder wur­den sie gna­den­los missbraucht?

Uns liegt jeden­falls eine Ver­si­on des NVP-Par­tei­pro­gramms vor, die auf einen ande­ren „Zusam­men­fas­ser“ des Par­tei­pro­gramms hin­weist. Karl G. ist zwar den vie­len „schwe­ren Span­nun­gen“ in der NVP zum Opfer gefal­len, aber das PDF-File, Ver­si­on 6 des Par­tei­pro­gramms, das schon die Pas­sa­gen aus dem SS-Schu­lungs­pro­gramm ent­hält, weist ihn gna­den­los als „Ver­fas­ser“ aus. Das wür­de nicht nur auf eine wei­te­re Amne­sie, son­dern auf eine fal­sche Zeu­gen­aus­sa­ge hin­wei­sen. Jeden­falls wis­sen wir nun, dass Neo­na­zis ihre Par­tei­pro­gram­me im Zustand der Amne­sie, den sie fälsch­li­cher­wei­se Brain­stor­ming nen­nen, verfassen.

Im Pro­zess selbst hat die Ent­las­tungs­of­fen­si­ve des Ex-Obmanns für den Ex-Gene­ral­se­kre­tär nicht viel gefruch­tet. Das Geschwo­re­nen­ge­richt plä­dier­te bei bei­den Ange­klag­ten auf schul­dig. Das Urteil, jeweils 18 Mona­te beding­te Haft, ist noch nicht rechts­kräf­tig, da sich die Ver­tei­di­gung Bedenk­zeit aus­be­dun­gen hat.

➡️ NVP (I): Mit der SS in die Zukunft?
➡️ NVP (II): Wei­te­re Verschlankung