Die Vorgeschichte ist ja bekannt: Die FPÖ provoziert mit einem Comic, um im Wiener Wahlkampf Aufmerksamkeit zu erregen und ihre Klientel „aufzumuntern“. Superman mit Schwert stachelt einen Jugendlichen auf: „Wennst dem Mustafa ane aufbrennst, kriagst a Hasse spendiert!” Der Jugendliche zieht seine Steinschleuder auf und frohlockt: „Leiwand, voll auf’s Nudelaug …“
Rund 800 Anzeigen langten dazu bei der Staatsanwaltschaft Wien ein, und die versucht zunächst einmal, die Ermittlung loszuwerden. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt soll ermitteln, „weil dort zu diesem Zeitpunkt ein weiteres Verfahren gegen eine angezeigte Person anhängig war“. Bei dem weiteren Verfahren könnte es sich entweder um das Verfahren gegen den ORF-Redakteur Ed Moschitz handeln oder auch um die Anzeige gegen Heinz-Christian Strache, die in diesem Zusammenhang eingebracht wurde. Jedenfalls hätte weder die eine noch die andere Sache etwas mit dem Vorwurf der Verhetzung zu tun.
Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt hat jedenfalls das Ermittlungsverfahren zum FPÖ-Comic „umgehend“ nach Wien retourniert. Das alles geht aus der Anfragebeantwortung von Justizministerin Bandion-Ortner an Karl Öllinger hervor, die jetzt erfolgte: Anfragebeantwortung (pdf)
Eine Beantwortung, die es in sich hat, denn die Justizministerin bzw. die Staatsanwaltschaft Wien konnte in der Aufforderung, dem Mustafa eine aufzubrennen, „ein Auffordern oder Aufreizen zu einer feindseligen Handlung gegen eine bestimmte Gruppe im Sinne des § 283, Abs. 1 StGB “ nicht erkennen.
Der § 283 StGB betrifft die Verhetzung. Der Absatz 1 lautet:
Wer öffentlich auf eine Weise, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu gefährden, zu einer feindseligen Handlung gegen eine im Inland bestehende Kirche oder Religionsgesellschaft oder gegen eine durch ihre Zugehörigkeit zu einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft, zu einer Rasse, zu einem Volk, einem Volksstamm oder einem Staat bestimmte Gruppe auffordert oder aufreizt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
Die Justizministerin und die Staatsanwaltschaft Wien sind also der Meinung, dass der Aufforderung von „Superman” „zumindest im Zweifel – die Eignung, bei anderen den Entschluss zu einer feindseligen Handlung gegen türkischstämmige Migranten zu erwecken, nicht zukommt.“
Zumindest im Zweifel keine Aufforderung zu einer Handlung: Der Einsatz einer Steinschleuder! Auch wenn’s weh tut, ist das für das Justizministerium höchstens „die Aufforderung oder Aufreizung zu einer feindseligen Gesinnung“, die aber für den Tatbestand nach § 283 Abs.1 nicht ausreiche.
Und was den § 283 Abs.2 betrifft, so ist man bei Justizministerium und Staatsanwaltschaft Wien der Meinung, dass bei dem Comic „zwar eine in einem Appell an Gefühle und Leidenschaften bestehende tendenziöse Aufreizung zu Hass und Verachtung nicht zwingend auszuschließen“ sei, aber der „Aussagekern“, die Zuwanderung und den EU-Beitritt der Türkei zu stoppen (mit der Steinschleuder!) eben der Programmatik der FPÖ entspreche. Der Durchschnittsbetrachter könne diesen „Aussagekern“ durchaus herausfiltern, „ohne daraus Hass und Verachtung“ gegen die „Türken“ abzuleiten.
Der Durchschnittsbetrachter, hinter dem sich Justizministerin und Staatsanwaltschaft verstecken, das sind die Jugendlichen, an die der Comic adressiert ist. Eine bemerkenswerte Analyse, die die Justiz da vorlegt!