ÖVP-Salzburg: „Kameradschaftsdilemma“ zwischen Geschichtsrevisionismus und Dummheit

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Für Bernd Huber, Miliz­of­fi­zier, Autor in der Zei­tung des Salz­bur­ger Kame­rad­schafts­bun­des und so neben­bei auch Büro­lei­ter des Salz­bur­ger ÖVP-Vize­bür­ger­meis­ters, war der kürz­lich ver­stor­be­ne Hajo Herr­mann ein „tadel­lo­ser Sol­dat, der (…)  gewür­digt wer­den soll: Ehre sei­nem Andenken!“

Hajo Herr­mann hat­te sich tat­säch­lich einen Namen gemacht: Sein Enga­ge­ment als Rechts­an­walt von Neo­na­zi-Grö­ßen wie etwa der Holo­caust­leug­ner David Irving und Fred A. Leuch­ter oder des Rabi­at-Alt-Nazis Otto Ernst Remer mach­te ihn zu einem gefrag­ten Pro­pa­gan­dared­ner auf Ver­an­stal­tun­gen der rechts­extre­mis­ti­schen NPD oder der DVU. Noch vor weni­gen Jah­ren ver­brei­te­te er Pam­phle­te, die sti­lis­tisch hoch­gra­dig pein­lich, inhalt­lich aber irgend­wo zwi­schen welt­ent­frem­de­ter chau­vi­nis­ti­scher Lar­moy­anz und Nazi-Apo­loge­tik zu lie­gen kamen. Nicht umsonst wur­de sei­nem via Inter­net ver­brei­te­ten Nach­ruf die Zei­le „Kein Offi­zier braucht sich von lin­ken Bes­ser­men­schen und Freun­den der Mau­er­schüt­zen etwas vor­wer­fen zu las­sen!“ vorangestellt.

Bernd Huber, bereits erwähn­ter ÖVP-Par­tei­sol­dat aus Salz­burg, meint aber – das sei hier ohne Ein­schrän­kung aner­kannt — ande­res als Andenken an Herr­mann hoch­hal­ten zu müs­sen. Hajo Herr­mann war näm­lich nicht nur nach 1945 ein Nazi, son­dern hat­te sich vor 1945 als Kampf­flie­ger mehr­fach bei der Durch­füh­rung von Nazi­ver­bre­chen einen Namen gemacht: Er war am Mas­sen­mord der „Legi­on Con­dor“ im Kampf gegen die spa­ni­sche Repu­blik mit meh­re­ren zehn­tau­send Bom­ben­op­fern eben­so betei­ligt wie etwa an der mili­tä­risch sinn­lo­sen voll­stän­di­gen Zer­stö­rung der zivi­len Infra­struk­tur War­schaus im Sep­tem­ber 1939 und den ter­ro­ris­ti­schen Bom­ben­an­grif­fen auf eng­li­sche Städ­te 1940/1941. Herr­mann war somit ganz wesent­lich an Ent­wick­lung und Umset­zung des ter­ro­ris­ti­schen Luft­kriegs betei­ligt. Als hoch­de­ko­rier­ter Luft­waf­fen­of­fi­zier und Göring-Ver­trau­ter erteil­te er bis in den April 1945 hin­ein mili­tä­risch völ­lig sinn­lo­se Befeh­le, die nicht nur die Tötung mög­lichst vie­ler alli­ier­ter Befrei­er zum Ziel, son­dern auch den Selbst­mord der ihm unter­ge­be­nen Angrei­fer zur Kon­se­quenz hat­ten. Herr­mann darf somit getrost als mora­li­scher wie geis­ti­ger Vor­fah­re Osa­ma Bin Ladens bezeich­net werden.

Bei ÖVP-Kame­rad Huber klingt das so: „Sein sol­da­ti­scher Wer­de­gang ist beein­dru­ckend“ oder „Trotz hoff­nungs­lo­ser Unter­le­gen­heit stell­ten sich die Jagd­flie­ger der Reichs­ver­tei­di­gung den Bom­ber­strö­men unter schwe­ren Opfern ent­ge­gen, um der geschun­de­nen Zivil­be­völ­ke­rung noch Schlim­me­res erspa­ren zu hel­fen.“ Huber macht damit einen wich­ti­gen Prot­ago­nis­ten des ter­ro­ris­ti­schen Luft­kriegs Deutsch­lands zur „beein­dru­cken­den“ Per­son und einen Mas­sen­mör­der zum Ver­tei­di­ger der Zivil­be­völ­ke­rung. Doch Huber über­schrei­tet auch noch die Gren­ze zwi­schen dem in Öster­reich nicht unüb­li­chen Zurecht­zim­mern eines mög­lichst unkri­ti­schen Geschichts­ver­ständ­nis­ses zum Geschichts­re­vi­sio­nis­mus und greift Pro­pa­gan­da des mili­tan­ten Rechts­extre­mis­mus auf: Ganz so wie etwa die NPD und deren gewalt­tä­ti­ger Entou­ra­ge unter­stellt Huber, ein nicht wei­ter erläu­ter­tes „Estab­lish­ment“ (mer­ke: Huber ist Büro­lei­ter des Salz­bur­ger Vize­bür­ger­meis­ters), habe die Opfer­zah­len des allier­ten Luft­an­griffs auf Dres­den vom 12./13. Febru­ar 1945 „kräf­tig fri­siert“.

Huber wischt damit nicht nur viel­fach über­prüf­te und unstrit­ti­ge Ergeb­nis­se der Geschichts­for­schung vom Tisch, son­dern bedient sich dabei eines erzäh­le­ri­schen Rah­mens, der ihm den Applaus auch von ganz Rechts­au­ßen sichert. Den Schritt von der typisch-öster­rei­chi­schen Tra­di­ti­on der ver­wei­ger­ten Aner­ken­nung his­to­ri­scher Rea­li­tä­ten, wie sie etwa in der Trau­er über die Nicht­an­er­ken­nung der „Leis­tun­gen“ von Sol­da­ten der Wehr­macht viel­fach (über fast alle Par­tei­en hin­weg) zum Aus­druck kommt, zum offen rechts­extre­mis­ti­schen Erzähl­rah­men setzt Huber mit der Kom­bi­na­ti­on einer (hin­sicht­lich der tat­säch­li­chen Ereig­nis­se bzw. Hand­lun­gen von Herr­mann sehr lücken­haf­ten) Fak­ten­auf­zäh­lung mit der Kon­struk­ti­on eines „Estab­lish­ments“, das offen­kun­dig fins­te­re Zie­le hat und „deut­sche“ Opfer relativiert.

Gut mög­lich, dass Bernd Huber gar nichts mit Rechts­extre­mis­mus am Hut haben will und ange­sichts der Nähe sei­ner Argu­men­ta­ti­on zur NPD erschrickt. Gut mög­lich auch, dass Huber nichts von Herr­manns Akti­vi­tät in Nazi-Krei­sen wuss­te (was aller­dings nur auf akti­ves und gewoll­tes Weg­se­hen zurück­zu­füh­ren sein kann). Viel­leicht hat er wirk­lich nur zur Feder gegrif­fen, weil er sich, wie er sagt, dar­über geär­gert habe, dass die FAZ den Abdruck einer Todes­an­zei­ge für Herr­mann (mit Nen­nung sei­ner Nazi-Orden) ver­wei­gert hat­te. Aber selbst wenn dem so ist, stellt sich umso mehr die Fra­ge, wie Huber dazu­kommt, Geschichts­klit­te­rung mit Argu­men­ta­ti­ons­mus­tern und Pro­pa­gan­da des akti­ven aktu­el­len Rechts­extre­mis­mus zu ver­brei­ten. Wel­che Bücher liest die­ser Mensch? Von wel­chen Men­schen lässt er sich indok­tri­nie­ren und zum Schrei­ben von Arti­keln überreden?

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