„Alles roger?“ ist nicht clean

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Vor kur­zem ist die Nr. 5 eines Maga­zins erschie­nen, das Öster­reich bis­her sicher nicht gefehlt hat. „alles roger?“ – in sei­ner Selbst­be­schrei­bung ein „Quer­den­ker­ma­ga­zin“ im „Quer­for­mat“ – ist eine Hoch­glanz­ver­si­on ver­schie­de­ner im Netz kur­sie­ren­der Ver­schwö­rungs­theo­rien, gemischt mit einer Dosis Anti­se­mi­tis­mus, Wer­bung für ein Duty-Free-Shop­ping-Cen­ter und kräf­ti­gen Rechtsaußentönen.

Das Impres­sum von „alles roger?“ nennt die „Exca­li­bur Hol­ding“ mit einer Pra­ger Adres­se als Medi­en­in­ha­be­rin der merk­wür­di­gen Hoch­glan­zil­lus­trier­ten. „Exca­li­bur“ ist das Shop­ping-Cen­ter, das vor 20 Jah­ren im Nie­mands­land an der tsche­chisch-öster­rei­chi­schen Gren­ze von Ron­nie Seunig, der bis­her haupt­säch­lich als gro­ßer Fal­co-Bewun­de­rer auf­ge­fal­len ist, gegrün­det wurde.

Seunig ist auch bekannt als Samm­ler von Juke-Boxen und „Schu­co“- Blech­spiel­zeug. Poli­tisch hat er sich im Jahr 2002 durch sei­nen Aus­tritt aus der FPÖ nach dem Son­der­par­tei­tag von Knit­tel­feld als Fan von Hai­der geoutet: „Ich war FPÖ-Mit­glied, aber ich wer­de heu­te noch aus­tre­ten. Ich wür­de mir wün­schen, dass die Zurück­ge­tre­te­nen eine eige­ne Par­tei grün­den, und glau­be, dass sie mehr Stim­men bekä­men als die ande­ren. Aber ver­ste­he, dass sie sich das nicht antun wol­len“, erklär­te er der Zeit­schrift „News“ (Nr. 37/2002).

Nicht alle Wün­sche von damals gin­gen in Erfül­lung. Das BZÖ, die Grün­dung eini­ger Zurück­ge­tre­te­ner, ist mitt­ler­wei­le schon wie­der Staub der Geschich­te, aber bei „alles roger?“ dür­fen sie mit den „ande­ren“ wie­der unter eine Hau­be. Peter Wes­ten­tha­ler, dem 2002 nicht nur Knit­tel­feld auf den Kopf fiel, son­dern gemein­sam mit Riess-Pas­ser, Gor­bach und Gras­ser auch ein FPÖ-Pla­kat bei einer Pres­se­kon­fe­renz, darf jetzt sei­nen dama­li­gen Par­tei­freund Karl-Heinz Gras­ser zu des­sen depri­mie­ren­den Erfah­run­gen mit der öster­rei­chi­schen Jus­tiz inter­view­en. Der „Kolum­nist“ von „alles roger?“ fällt auch durch schar­fe Fra­gen an sei­nen Du-Freund Erwin Pröll auf. Nach­dem der im Inter­view mit Wes­ten­tha­ler, dem „alten Polit­hau­de­gen und Wirt­schafts­pro­fi“, zunächst die wich­ti­ge poli­ti­sche Bot­schaft absetz­te, dass er im „Hit­ze­som­mer“ 2015 „viel Zeit mit mei­ner Fami­lie und mei­nen Enkel­kin­dern ver­bracht“ habe, durf­te Wes­ten­tha­ler die ent­schei­den­de Fra­ge stel­len: „Also voll fit für neue Her­aus­for­de­run­gen?”, wor­auf der bein­hart ant­wor­te­te: „Das kann man sagen.”

Wes­ten­tha­ler, der von „alles roger?“ auch als „Wirt­schafts­pro­fi“ aus­ge­lobt wur­de, wird noch an sei­ner Inter­view-Tech­nik fei­len müs­sen – er ist ja eigent­lich nur als Kolum­nist und nicht als Inter­view­er bzw. Redak­teur ver­pflich­tet wor­den. Was aber soll man mit den „Top­jour­na­lis­ten“ Andrea Feh­rin­ger und Tho­mas Köpf machen, die laut Chef­re­dak­teur nicht nur einen Medi­zin­skan­dal auf­ge­deckt, son­dern auch den Fort­set­zungs­ro­man „Eis­tag” für „alles roger?“ geschrie­ben haben? Gene­ra­tio­nen von Ger­ma­nis­tIn­nen wer­den sich wei­nend an dem Satz abar­bei­ten: „Der Abend hat­te sich über Wien gelegt wie ein Sei­den­schlei­er über eine Witwe.“

Chef­re­dak­teur von „alles roger?“ ist übri­gens ein gewis­ser Roland Hof­bau­er. In der Num­mer 5 beschäf­tigt er sich mit der „Gesin­nungs­dik­ta­tur und der zuneh­men­den Ver­blö­dung der Mei­nung durch unse­re lie­ben Gut­men­schen. Laut auf­schrei­en und sel­ber sehr wenig bis gar nix leis­ten.“ Zufall, dass die­ser prä­zi­sen Beschrei­bung ein Inter­view mit Heinz-Chris­ti­an Stra­che folgt?

„Alles roger?“ ist auf ver­schie­de­ne Arten pein­lich, schlecht und rechts. Etwa, wenn Stra­che schon in der Fra­ge das Hölz­chen zuge­wor­fen wird: „Die Gefahr der Isla­mi­sie­rung von Öster­reich ist da, auch wenn sie tot­ge­schwie­gen wird. Wie gehen Sie mit dem The­ma um?“ Die wenig span­nen­de Ant­wort von Stra­che ken­nen wir schon zur Genü­ge. Was wir ger­ne etwas genau­er gewusst hät­ten: Was meint der Her­aus­ge­ber Ron­nie Seunig mit sei­ner Behaup­tung, dass Deutsch­land „als GmbH geführt wird“? Die Ver­tre­ter der Auf­fas­sung, dass die BRD eine GmbH sei, sind alle­samt im rechts­extre­men, reichs­bür­ger­li­chen Eck zu fin­den. Übri­gens, auch die Repu­blik Öster­reich ist für die eine GmbH.

Der Her­aus­ge­ber von „alles roger?“ ver­tritt aber nicht nur die obsku­re Posi­ti­on von Reichs­bür­gern und ande­ren Rechts­extre­men zu Staa­ten, die angeb­lich GmbHs sind, son­dern auch anti­se­mi­ti­sches und anti­ame­ri­ka­ni­sches Geschwur­bel, das einem die Haa­re zu Ber­ge ste­hen lässt: „Inter­nes Ziel (der USA, SDR) ist es ‚die Euro­pä­er so zu ver­mi­schen, dass der IQ deut­lich sinkt und die Iden­ti­tät ver­lo­ren geht. So hofft man in diver­sen Krei­sen, Euro­pa vom Anti­se­mi­tis­mus zu säu­bern.“ („alles roger?“ Nr. 4)

Aber es geht noch tie­fer und auch noch ein­deu­ti­ger anti­se­mi­tisch: In der Num­mer 4 von „alles roger?“ gibt’s etwa den Bei­trag „Ver­an­stal­ten die Roth­schilds okkul­te Zere­mo­nien?“ In der vor­he­ri­gen Aus­ga­be wur­de schon fest­ge­stellt „Wie die Roth­schilds Afri­ka zer­stö­ren“ und in der aktu­el­len Nr. 5. wird in dem Bei­trag „Der Zynis­mus des Zio­nis­mus“ den Roth­schilds nicht nur unter­stellt, die aktu­el­len Flücht­lings­be­we­gun­gen zu steu­ern, um von ihnen zu pro­fi­tie­ren, son­dern indi­rekt auch Ähn­li­ches auch für die Juden im Natio­nal­so­zia­lis­mus behaup­tet: „In Wahr­heit sind Men­schen für die Roth­schilds nur Ver­schie­be­mas­se, die belie­big zur Ver­wirk­li­chung ihrer Plä­ne bewegt wer­den kann. Zwei­fel­los sind die heu­ti­gen Flücht­lings­strö­me auch Teil des Plans der Roth­schilds“ („alles roger?“ Nr. 5)

Im Übri­gen domi­nie­ren alle Vari­an­ten von Ver­schwö­rungs­ge­schich­ten, natür­lich auch die zum 11. Sep­tem­ber 2001: „Wie vie­le Exper­ten bestä­ti­gen, wur­den die Tür­me gesprengt um einen Krieg recht­fer­ti­gen zu können.“ 

Bei der Prä­sen­ta­ti­on von „alles roger?“ im Som­mer waren nicht nur Ada­beis wie Chris­ti­na Lug­ner, Robin­son, ATV-Boss Mar­tin Gastin­ger, der Anwalt Wer­ner Toma­nek, Peter Wes­ten­tha­ler (ehe­mals FPÖ, dann BZÖ) und Chris­ti­an Höbart (FPÖ) zu Gast, son­dern auch Jus­tiz­mi­nis­ter Wolf­gang Brand­stet­ter, der sich gemein­sam mit Ron­nie Seunig ablich­ten ließ. Ob die bei­den auch über die Deutsch­land GmbH oder die Roth­schilds dis­ku­tiert haben?