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D: Die unzähligen Gewalttaten der braunen Terror-Fraktionen

Noch gibt es mehr Fra­gen als Ant­wor­ten. Der bis­he­ri­ge Ermitt­lungs­stand weist zumin­dest zehn Mor­de bzw. zwölf Tote (inkl. der bei­den toten Neo­na­zis) auf dem Kon­to des „Natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Unter­grund“ aus. Der „Spie­gel“ (Nr. 467 2011) spricht von einer brau­nen Armee-Frak­­ti­on. Tat­säch­lich gibt es aber vie­le brau­ne Ter­ror-Frak­­tio­­nen. Seit der Wie­der­ver­ei­ni­gung sind in Deutsch­land min­des­tens 150 Menschen […]

14. Nov 2011

Mitt­ler­wei­le gibt es einen wei­te­ren Ver­haf­te­ten. Hol­ger G. soll aus dem Milieu des „Thü­rin­ger Hei­mat­schutz“ kom­men und dem Mord-Trio Füh­rer­schein und Rei­se­pass zur Ver­fü­gung gestellt und Wohn­mo­bi­le ange­mie­tet haben.

Der „Spie­gel“ spricht in sei­ner neu­en Print-Aus­ga­be von einer brau­nen Armee-Frak­ti­on, spiegel.online berich­tet nur knapp über das zyni­sche Beken­ner-Video der Grup­pe „Natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Unter­grund“, das in der aus­ge­brann­ten Woh­nung des Neo­na­zi-Tri­os gefun­den wurde.


Beken­ner­vi­deo des „Natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Untergrund”

Von einer brau­nen Armee-Frak­ti­on wur­de in Deutsch­land schon mehr­mals gespro­chen. Zuletzt 2003, als in Mün­chen Plä­ne für ein Spreng­stoff­at­ten­tat bei der Grund­stein­le­gung für das Jüdi­sche Kul­tur­zen­trum bekannt wur­den und zur Ver­haf­tung von drei Neo­na­zis führ­ten. Bay­erns Innen­mi­nis­ter Gün­ther Beck­stein sprach damals von einer brau­nen Armee-Frak­ti­on, wider­rief aber sei­ne Ein­schät­zung ein Jahr spä­ter. Was hat den kon­ser­va­ti­ven Innen­mi­nis­ter zu die­ser neu­en Erkennt­nis gebracht? „Neue Erkennt­nis­se“ des Ver­fas­sungs­schut­zes!? Egal, ob die mör­de­ri­schen Akti­vi­tä­ten der Wehr­sport­grup­pe Hoff­mann oder die Gewalt­ta­ten der Frei­heit­li­chen Deut­schen Arbei­ter­par­tei (FAP) bzw. der Wiking-Jugend in den 90er-Jah­ren oder die der Neo­na­zi-Kame­rad­schaf­ten spä­ter: Brau­ne Ter­ror-Zel­len waren und sind nicht gera­de sel­ten in Deutsch­land. Und häu­fig spiel­ten dabei infor­mel­le Mit­ar­bei­ter des Ver­fas­sungs­schut­zes bzw. ande­rer „Diens­te“ eine unrühm­li­che Rolle.

Seit Mona­ten gibt es einen hef­ti­gen Streit über die Zahl der aus rechts­extre­men Moti­ven ver­üb­ten Mor­de. Auf der einen Sei­te ste­hen anti­fa­schis­ti­sche und anti­ras­sis­ti­sche Initia­ti­ven, die (je nach Defi­ni­ti­on) auf min­des­tens 137 bzw. 150 Mor­de für den Zeit­raum 1990 bis 2010 kom­men; Regie­rung und Ver­fas­sungs­schutz wol­len jedoch nur rund 40 Mor­de in die­sem Zeit­raum als rechts­extrem wahr­neh­men. Sicher ist jeden­falls, dass die „Döner“-Morde und der Mord an der 27-jäh­ri­gen Poli­zis­tin bis­her in allen Mord­sta­tis­ti­ken nicht ent­hal­ten waren. Die „Döner“-Morde wur­den, obwohl alle mit einer ein­zi­gen Tat­waf­fe durch­ge­führt, unter den Rubri­ken tür­ki­sche Mafia, Ban­den- oder Fami­li­en­aus­ein­an­der­set­zun­gen abgelegt.

Der Umstand, dass der „Thü­rin­ger Hei­mat­schutz“, also jene Dach­or­ga­ni­sa­ti­on von Neo­na­zis, bei der das Mord­trio bis zu sei­nem Unter­tau­chen 1998 orga­ni­siert war, von einem Spit­zel des Ver­fas­sungs­schut­zes geführt wur­de, das pro­blem­lo­se Unter­tau­chen des Mord­tri­os und die bemer­kens­wer­ten Umstän­de sei­nes Auf­tau­chens jetzt las­sen mitt­ler­wei­le selbst CSU-Poli­ti­ker wie den bay­ri­schen Innen­mi­nis­ter Her­mann an der Ahnungs­lo­sig­keit der Ver­fas­sungs­schüt­zer zwei­feln. In der Ver­gan­gen­heit war vor allem beim geplan­ten Ver­bot der NPD bekannt­ge­wor­den, dass sich in der Par­tei die infor­mel­len Mit­ar­bei­ter, die von den ver­schie­de­nen Diens­ten bezahlt wur­den, gegen­sei­tig auf die Zehen tra­ten und von­ein­an­der nichts wussten.


Die Orte der Morde

Ange­sichts der noch vie­len offe­nen Fra­gen rücken natür­lich auch wei­te­re unge­klär­te Atten­ta­te mit ver­mut­lich rechts­extre­men Moti­ven wie z.B. der unge­klär­te Mord­an­schlag auf den Pas­sau­er Poli­zei­di­rek­tor Man­nichl wie­der in das Zen­trum der Aufmerksamkeit.

Wenn stimmt, was diver­se Medi­en berich­ten, dann wur­den in der Woh­nung des Mord­tri­os auch soge­nann­te „lega­le ille­ga­le Papie­re” gefun­den, also Aus­weis­do­ku­men­te mit Ali­as-Namen, wie sie nur ver­deck­te Mit­ar­bei­ter, die für Nach­rich­ten­diens­te arbei­ten, erhalten.

Diver­se Neo­na­zis gehen auf Distanz zum „NSU“, bezeich­nen sei­ne Mtglie­der als „Berufs­kri­mi­nel­le“ und üben sich bereits in wil­den Ver­schwö­rungs­theo­rien: Der „NSU“ wird als vom Ver­fas­sungs­schutz insze­nier­te bzw. gesteu­er­te Grup­pie­rung gese­hen, mit der man der Neo­na­zi-Sze­ne scha­den wol­le. Bedau­ern über die min­des­tens zehn Mord­op­fer des „NSU“ gibt es nicht. Für die unge­zähl­ten Gewalt­ta­ten der Neo­na­zis in den letz­ten Jah­ren schon gar nicht.

Wei­te­re inter­es­san­te Infos:

↳ spiegel.de — Ler­nen mit Rudolf Heß
↳ publikative.org — Der Paul Pan­ther von Zwickau
↳ netz-gegen-nazis.de — Rechts­extre­mes Mord-Trio erschüt­tert die Republik
↳ taz.de — Der uner­kann­te Terror