Mit Politik hat er nichts am Hut, Politik interessiert ihn nicht, darüber diskutiert er auch weder mit Freunden noch mit Familie – La Famiglia, wie die WhatsApp-Gruppe heißt. Ein Blick in sein Facebook-Profil belehrt eine/n eines Besseren. Stimmt schon, sein Hauptinteresse scheinen Harleys und Oldtimer zu sein, aber auch politisch deklariert er sich hier eindeutig, mit durchaus regelmäßigen Posts, ca. 20 davon politischen Inhalts in den vergangenen zwei Monaten.
Herr F. kommt aus einer Familie mit sechs Kindern. Der Vater, Jahrgang 1920, war in russischer Kriegsgefangenschaft, hat aber nie darüber geredet. Es wurde überhaupt nicht viel geredet in der Familie, schon gar nicht über Politik. Er möchte auch nicht über seine Kindheit reden, sie sei nicht schön gewesen. Nach der Hauptschule macht er eine Lehre als Maler und Anstreicher, arbeitet danach in verschiedenen Berufen, als Chauffeur, Autoverkäufer, als Drucker bei Zeitungen. Mit 58 geht er in Pension. Er hat keine Schulden, besitzt ein Eigenheim, mehrere Oldtimer, eine Harley, eine Rolex („eine billige, ca. 6000.-“), seine Pension beträgt 2500.-.
Herr F. mit Hitlerfrisur
Sein Leben verlief nach seiner Aussage in geregelten Bahnen, bis die Staatsanwaltschaft Anklage erhob. Auf seinem WhatsApp Account wurden Bild- und Textdateien gefunden, die Folgendes darstellen: Herr F. mit Hitlerfrisur und Bärtchen, einmal beim Genuss von Eiernockerln mit grünem Salat, verschickt am 19.4.2021 mit Hinweisen auf bevorstehende Geburtstage, an mehrere private Adressen bzw. Gruppen, ebenso Ende August 2022. Am 26.5.21 wurde dieses Foto als Profilbild auf WhatsApp installiert.
Herr F. bekennt sich nicht schuldig im Sinn der Anklage. Die Tatsache des Postens bleibt unbestritten, aber die Absicht dahinter sei nicht im Sinne der Anklage. Er habe mit Politik absolut nichts am Hut, es sei laut Verteidiger nur ein provozierender Spaß gewesen. Das sei eben sein Sinn für Humor, er habe im Internet als verschiedene Persönlichkeiten posiert: als Kaiser Franz Joseph, als Trump, als Irokese, als „wie-heißt-die-mit-die-Zopferl“? Nein, nicht die Pippi Langstrumpf, die Greta Thunberg. Er verkleide sich eben gern. Geburtsdatum und Lieblingsspeise kennt er allerdings nur von Hitler. Aber: „Das weiß doch jeder!“
Vom Richter mit diversen am Handy gespeicherten Posts konfrontiert, kann er nur die Schultern zucken. Die habe er nie gelesen, die seien ihm völlig unbekannt. Man kann ja nicht alles lesen, was man geschickt bekommt. Bilddateien wie die eines afrikanischen Sklaven in Ketten mit der Überschrift „Opas erster Traktor“ oder die Definition von Nazi 2022, „Denkt selbst, hat eigene Meinung, gendert nicht, hat keine Angst vor Corona etc.“, seien ihm ebenso unbekannt wie das Bild einer afrikanischen Großfamilie mit der Überschrift: „Arbeiten können wir nicht, aber ficken können wir.“
Was er über Hitler wisse? Dass er früher einmal an der Macht war, am 20.4. irgendwann gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Braunau geboren ist, aber das wisse doch jeder. Österreichische Politik sei ihm vollkommen egal, ihn würden nur die Spritpreise stören.
Sein Facebook-Profil spricht eine andere Sprache. Gerald Grosz wird mehrmals verlinkt, auch Kickl kommt zu Wort, die Grünen sind ein besonderes Feindbild (Ein Beispiel von mehreren: Was ist seltener als ein Sechser im Lotto? Ein Grüner mit Berufsausbildung), auch die SPÖ wird bedacht (Was ist der Unterschied zwischen Österreich und Ägypten? Ägypten liegt am Roten Meer, in Österreich gibt’s bald keine Roten mehr), ebenso Klimaaktivisten (Is da Klimakleber flach wie Teller, war der LKW a bissl schneller). Dass ihm das Verbotsgesetz nicht bekannt sei, wird durch die Verlinkung eines NÖN-Artikels widerlegt: „Foto-Posting von Hitlers Leibgericht an dessen Geburtstag blieb ohne Folgen in Baden.“ Dass „Russland nicht mein Feind“ ist, samt Posts, die der Schmähung Selenskyjs dienen, passt auch ins Bild. Ebenso wie: „Andere Länder, andere Sitten. Nur in Österreich haben wir die Sitten anderer Länder.“ Um das Bild abzurunden, sei seine Einstellung zu Frauen noch kurz erwähnt. Ein Post auf FB: „Heute ist Weltfrauentag. 50% auf alle.“
Eiernockerl-Warnung
Am letztwöchigen Eiernockerloffensive-Tag beteiligte sich Rudolf F. allerdings warnend, wenn auch zu den Angeklagepunkten etwas verkürzt: „Löscht den ganzen Hitlerschaß wurde wegen meinen Profilbild und wegen einen Teller Eiernockerl am 18.04. zu 13 Monaten auf 3 Jahre auf Bewährung Verurteilt !!!”
Befragt zum Geburtstag seines Sohnes, weiß er wie aus der Pistole geschossen Tag und Jahr („Da habe ich gewettet, wenn’s ein Bub wird, kauf ich mir eine Harley, bei einem Mädel a Strickmaschine“), bei den Töchtern wird es schwieriger: „Den Geburtstag von dem Mensch weiß ich nicht auswendig.“ Strickmaschine hat er übrigens noch immer keine.
Die Beratung der Geschworenen fällt verhältnismäßig kurz aus; nach knappen zwei Stunden wird das Urteil verkündet: 13 Monate bedingt auf drei Jahre. Das Handy des Angeklagten wird konfisziert, er hat die Prozesskosten zu tragen. Der Angeklagte nimmt das Urteil an. Nachdem er seinem Verteidiger in der Pause mitgeteilt hatte, dass er mit Sicherheit mit einem Freispruch rechne, müssen die Argumente des Anwalts doch überzeugend gewesen sein.