Wiener Neustadt: Der Eiernockerl-Biker

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Grau­er Pfer­de­schwanz, grau­er Voll­bart, Jeans, Karo­hemd, Kapu­zen­shirt, locker und selbst­si­cher im Auf­tre­ten – ein Biker wie aus dem Bil­der­buch. Am 18.4. stand Rudolf F. wegen Wie­der­be­tä­ti­gung vor dem Lan­des­ge­richt Wie­ner Neu­stadt. Dass ihm poli­ti­sche Moti­ve unter­stellt wer­den, bloß weil er Fotos von sich mit Hit­ler­fri­sur und Bärt­chen gepos­tet hat, ein­mal auch Eier­no­ckerl essend, da ver­steht er die Welt nicht mehr. Hat denn nie­mand mehr einen Sinn für Humor? Ein Prozessbericht.

Mit Poli­tik hat er nichts am Hut, Poli­tik inter­es­siert ihn nicht, dar­über dis­ku­tiert er auch weder mit Freun­den noch mit Fami­lie – La Fami­glia, wie die Whats­App-Grup­pe heißt. Ein Blick in sein Face­book-Pro­fil belehrt eine/n eines Bes­se­ren. Stimmt schon, sein Haupt­in­ter­es­se schei­nen Har­leys und Old­ti­mer zu sein, aber auch poli­tisch dekla­riert er sich hier ein­deu­tig, mit durch­aus regel­mä­ßi­gen Posts, ca. 20 davon poli­ti­schen Inhalts in den ver­gan­ge­nen zwei Monaten.

Zur Vor­ge­schich­te:

Herr F. kommt aus einer Fami­lie mit sechs Kin­dern. Der Vater, Jahr­gang 1920, war in rus­si­scher Kriegs­ge­fan­gen­schaft, hat aber nie dar­über gere­det. Es wur­de über­haupt nicht viel gere­det in der Fami­lie, schon gar nicht über Poli­tik. Er möch­te auch nicht über sei­ne Kind­heit reden, sie sei nicht schön gewe­sen. Nach der Haupt­schu­le macht er eine Leh­re als Maler und Anstrei­cher, arbei­tet danach in ver­schie­de­nen Beru­fen, als Chauf­feur, Auto­ver­käu­fer, als Dru­cker bei Zei­tun­gen. Mit 58 geht er in Pen­si­on. Er hat kei­ne Schul­den, besitzt ein Eigen­heim, meh­re­re Old­ti­mer, eine Har­ley, eine Rolex („eine bil­li­ge, ca. 6000.-“), sei­ne Pen­si­on beträgt 2500.-.

Sein Leben ver­lief nach sei­ner Aus­sa­ge in gere­gel­ten Bah­nen, bis die Staats­an­walt­schaft Ankla­ge erhob. Auf sei­nem Whats­App Account wur­den Bild- und Text­da­tei­en gefun­den, die Fol­gen­des dar­stel­len: Herr F. mit Hit­ler­fri­sur und Bärt­chen, ein­mal beim Genuss von Eier­no­ckerln mit grü­nem Salat, ver­schickt am 19.4.2021 mit Hin­wei­sen auf bevor­ste­hen­de Geburts­ta­ge, an meh­re­re pri­va­te Adres­sen bzw. Grup­pen, eben­so Ende August 2022. Am 26.5.21 wur­de die­ses Foto als Pro­fil­bild auf Whats­App installiert.

Herr F. bekennt sich nicht schul­dig im Sinn der Ankla­ge. Die Tat­sa­che des Pos­tens bleibt unbe­strit­ten, aber die Absicht dahin­ter sei nicht im Sin­ne der Ankla­ge. Er habe mit Poli­tik abso­lut nichts am Hut, es sei laut Ver­tei­di­ger nur ein pro­vo­zie­ren­der Spaß gewe­sen. Das sei eben sein Sinn für Humor, er habe im Inter­net als ver­schie­de­ne Per­sön­lich­kei­ten posiert: als Kai­ser Franz Joseph, als Trump, als Iro­ke­se, als „wie-heißt-die-mit-die-Zop­ferl“? Nein, nicht die Pip­pi Lang­strumpf, die Gre­ta Thun­berg. Er ver­klei­de sich eben gern. Geburts­da­tum und Lieb­lings­spei­se kennt er aller­dings nur von Hit­ler. Aber „das weiß doch jeder!“

Vom Rich­ter mit diver­sen am Han­dy gespei­cher­ten Posts kon­fron­tiert, kann er nur die Schul­tern zucken. Die habe er nie gele­sen, die sei­en ihm völ­lig unbe­kannt. Man kann ja nicht alles lesen, was man geschickt bekommt. Bild­da­tei­en wie die eines afri­ka­ni­schen Skla­ven in Ket­ten mit der Über­schrift „Opas ers­ter Trak­tor“ oder die Defi­ni­ti­on von Nazi 2022, „Denkt selbst, hat eige­ne Mei­nung, gen­dert nicht, hat kei­ne Angst vor Coro­na etc.“, sei­en ihm eben­so unbe­kannt wie das Bild einer afri­ka­ni­schen Groß­fa­mi­lie mit der Über­schrift: „Arbei­ten kön­nen wir nicht, aber ficken kön­nen wir.“

Was er über Hit­ler wis­se? Dass er frü­her ein­mal an der Macht war, am 20.4. irgend­wann gegen Ende des 19. Jahr­hun­derts in Brau­nau gebo­ren ist, aber das wis­se doch jeder. Öster­rei­chi­sche Poli­tik sei ihm voll­kom­men egal, ihn wür­den nur die Sprit­prei­se stören.

Sein Face­book-Pro­fil spricht eine ande­re Spra­che. Gerald Grosz wird mehr­mals ver­linkt, auch Kickl kommt zu Wort, die Grü­nen sind ein beson­de­res Feind­bild (Ein Bei­spiel von meh­re­ren: Was ist sel­te­ner als ein Sech­ser im Lot­to? Ein Grü­ner mit Berufs­aus­bil­dung), auch die SPÖ wird bedacht (Was ist der Unter­schied zwi­schen Öster­reich und Ägyp­ten? Ägyp­ten liegt am Roten Meer, in Öster­reich gibt’s bald kei­ne Roten mehr), eben­so Kli­ma­ak­ti­vis­ten (Is da Kli­makle­ber flach wie Tel­ler, war der LKW a bissl schnel­ler). Dass ihm das Ver­bots­ge­setz nicht bekannt sei, wird durch die Ver­lin­kung eines NÖN-Arti­kels wider­legt: „Foto-Pos­ting von Hit­lers Leib­ge­richt an des­sen Geburts­tag blieb ohne Fol­gen in Baden“. Dass „Russ­land nicht mein Feind“ ist, samt Posts, die der Schmä­hung Selen­sky­js die­nen, passt auch ins Bild. Eben­so wie: „Ande­re Län­der, ande­re Sit­ten. Nur in Öster­reich haben wir die Sit­ten ande­rer Län­der“. Um das Bild abzu­run­den, sei sei­ne Ein­stel­lung zu Frau­en noch kurz erwähnt. Ein Post auf FB: „Heu­te ist Welt­frau­en­tag. 50% auf alle.“ 

Am letzt­wö­chi­gen Eier­no­ckerl­of­fen­si­ve-Tag betei­lig­te sich Rudolf F. aller­dings war­nend, wenn auch zu den Ange­kla­ge­punk­ten etwas ver­kürzt: „Löscht den gan­zen Hit­ler­sch­aß wur­de wegen mei­nen Pro­fil­bild und wegen einen Tel­ler Eier­no­ckerl am 18.04. zu 13 Mona­ten auf 3 Jah­re auf Bewäh­rung Verurteilt !!!”

Der bekehrte Rudolf auf FB am 20.4.23: "Löscht den ganzen Hitlerschaß wurde wegen meinen Profilbild und wegen einen Teller Eiernockerl am 18.04. zu 13 Monaten auf 3 Jahre auf Bewährung Verurteilt !!!" (Screenshot FB)

Der bekehr­te Rudolf auf FB am 20.4.23: „Löscht den gan­zen Hit­ler­sch­aß wur­de wegen mei­nen Pro­fil­bild und wegen einen Tel­ler Eier­no­ckerl am 18.04. zu 13 Mona­ten auf 3 Jah­re auf Bewäh­rung Ver­ur­teilt !!!” (Screen­shot FB)

Befragt zum Geburts­tag sei­nes Soh­nes, weiß er wie aus der Pis­to­le geschos­sen Tag und Jahr („Da habe ich gewet­tet, wenn’s ein Bub wird, kauf ich mir eine Har­ley, bei einem Mädel a Strick­ma­schi­ne“), bei den Töch­tern wird es schwie­ri­ger: „Den Geburts­tag von dem Mensch weiß ich nicht aus­wen­dig.“ Strick­ma­schi­ne hat er übri­gens noch immer keine.

Die Bera­tung der Geschwo­re­nen fällt ver­hält­nis­mä­ßig kurz aus; nach knap­pen zwei Stun­den wird das Urteil ver­kün­det: 13 Mona­te bedingt auf drei Jah­re. Das Han­dy des Ange­klag­ten wird kon­fis­ziert, er hat die Pro­zess­kos­ten zu tra­gen. Der Ange­klag­te nimmt das Urteil an. Nach­dem er sei­nem Ver­tei­di­ger in der Pau­se mit­ge­teilt hat­te, dass er mit Sicher­heit mit einem Frei­spruch rech­ne, müs­sen die Argu­men­te des Anwalts doch über­zeu­gend gewe­sen sein.