1.479 Meldungen von rassistischen Vorfällen hat ZARA für das Jahr 2022 statistisch erfasst. Das ist ein deutlicher Rückgang gegenüber 2021 (1.977), 2020 (3.039), 2019 (1.950) und 2018 (1.920). 2017 lag die Zahl der gemeldeten Vorfälle deutlich niedriger (1.162). Gibt der Report eine Erklärung für diese Entwicklung? Nicht wirklich. Eigentlich gar nicht, denn als einziger, wenn auch indirekter Hinweis wird die Konzentration der Arbeit auf direkt von Rassismus Betroffene genannt: 24 % der Meldungen stammten 2022 von Betroffenen, 76 % von Zeug*innen. 2021 kamen „nur“ 22 % von Betroffenen, 2020 waren es gar nur 14 %. Das wirkt wie eine positive Entwicklung, ist aber nicht wirklich eine, wenn dazu die absoluten Zahlen in Rechnung gestellt werden. Danach stammten 2020 425 Meldungen von Betroffenen, 2022 aber nur 354.
Was also könnte den Rückgang an gemeldeten Vorfällen wirklich erklären? Vermutlich sind zwei Faktoren ausschlaggebend. Zum einen die öffentliche (mediale) Wahrnehmung von ZARA. Je öffentlich präsenter, desto mehr Wahrnehmungen durch Betroffene und Zeug*innen bzw. auch Meldungen. Der zweite Faktor ist sicher noch wesentlicher: Es gibt keine Meldepflicht für rassistische Vorfälle an ZARA. Es ist die Aufmerksamkeit oder Betroffenheit, die zu Meldungen führen kann, aber nicht muss. Warum diese Sensibilität 2022 möglicherweise zurückgegangen ist, wäre eine spannende Frage an die Sozialwissenschaft, aber nicht an die Mitarbeiter*innen von ZARA. Die haben mit ihrer Arbeit genug zu tun. Apropos: Wie verteilt sich diese Arbeit eigentlich? Vielleicht sind wir da zu neugierig, aber es wäre wichtig zu wissen, wie viele (bezahlte und unbezahlte) Arbeitsstunden für die überaus wichtige Arbeit von ZARA aufgewandt werden?
Zurück zum Bericht für das Jahr 2022: Gut zwei Drittel aller gemeldeten Vorfälle (999) fanden im Internet statt. Noch vor wenigen Jahren war es ein Drittel. 2020 waren es sogar 2.148 bzw. 70 Prozent. In früheren Jahren haben die Mitarbeiter*innen von ZARA auch eigene Beobachtungen gemeldet bzw. gab es auch Angaben über die Verteilung der Vorfälle auf die verschiedenen sozialen Medien bzw. Messenger-Dienste. Täuscht unser Eindruck, dass Messenger-Dienste wie WhatsApp und Telegram mittlerweile gar nicht mehr auf dem Radar auftauchen, obwohl bei denen rassistische, sexistische und rechtsextreme Vorfälle rasant zugenommen haben? Es ist mit Sicherheit keine gewagte Aussage: Würde man diese Messenger-Dienste in den Fokus nehmen, dann würde die Zahl von Meldungen explodieren und nicht rückläufig sein. Wäre das eine Aufgabe von ZARA? Vermutlich nicht, aber in diesen Messenger-Diensten wird rassistischer Müll in Potenzen produziert! Aus Österreich.
Die Arbeit von ZARA, auch der Rassismus-Report, ist auch ohne diese Beobachtungen unverzichtbar und extrem wichtig. Man würde sich nach Lektüre der Beispielsberichte (nur 29 diesmal – bitte mehr!) wünschen, dass die Kompetenzen von ZARA deutlich erweitert werden, damit es in Zukunft nicht vorkommen kann, dass öffentliche Einrichtungen – auch wenn es sich um die üblichen Verdächtigen wie MA 35 und Polizei handelt – auf die gut begründeten Beschwerden mit dem Stinkefinger antworten, was unerträglich und beschämend ist. Das gilt natürlich auch für jene anderen Interventionen, bei denen ZARA bzw. die Betroffenen mit der dokumentierten Vorgangsweise wegen der Ignoranz, dem Rassismus der gemeldeten Verdächtigen keinen Erfolg erzielen konnte.
Was wir uns vom Bericht noch wünschen:
– vergleichbare statistische Kriterien über die Jahre hinweg. Wenn Kriterien immer wieder verändert oder weggelassen werden (ohne Begründung), dann erschwert das Les- und Nutzbarkeit.
– Erwähnung und Beschreibung des Abzeichengesetzes. So verdienstvoll es ist, dass Verbotsgesetz, EGVG und Symbolegesetz als rechtliche Instrumente gegen Rassismus beschrieben werden, es fehlt das Abzeichengesetz.
Ausgewählte Fallbeschreibungen: