Es begann mit Infos eines Whistleblowers zur Finanz- und Spesenaffäre rund um Ex-Parteichef Mario Eustacchio und Ex-Klubchef Armin Sippel, die dann beide von der politischen Bühne abtreten mussten. Eustacchio ist inzwischen aus der FPÖ ausgetreten, über Sippel ist nichts dergleichen zu hören. Die FPÖ versprach Aufklärung, schweigt seither jedoch, war aber offenbar sehr bemüht, intern ausfindig zu machen, wer denn die mutmaßlich missbräuchliche Verwendung der Gelder nach außen getragen hat.
Während die Klagenfurter Staatsanwalt zur blauen Finanzaffäre ermittelt – die Grazer Behörde musste die Agenden wegen Befangenheit nach Kärnten abtreten –, wurde in einem Parteitag eine Neuaufstellung vollzogen. Ganz neu war sie dann doch nicht, und deshalb wird innerhalb der Partei mit harten Bandagen weitergefochten.
In der vergangenen Woche hatte der blaue Gemeinderatsklub Roland Lohr „wegen ‚schwerwiegender Verfehlungen‘ im Zusammenhang mit dem Finanzskandal“ (Kleine Zeitung, 27.9.22, S. 16) ausgeschlossen. Lohr werkte zuvor als Finanzreferent der Grazer Partei und war im März am Parteitag noch wegen seiner Aufklärungsarbeit explizit gelobt worden. Lohr dachte nicht daran, sein Mandat abzugeben und blieb wilder Gemeinderat, wodurch sich die blaue Fraktion auf magere vier Mitglieder dezimierte. Nur eine Woche später, am 26. September, wurde in der Sitzung der Grazer Stadtparteileitung der Beschluss des Gemeinderatsklubs overruled: Statt eines Parteiausschlusses gab’s „die Empfehlung, der FPÖ-Klub möge ihn wieder aufnehmen“ (Kl. Ztg.).
Doch damit nicht genug, denn die Stadtparteileitung sprach im Gegenzug der erst im März gekürten Parteichefin und Stadträtin Claudia Schönbacher mehrheitlich das Misstrauen aus. Schönbacher war zusammen mit dem FPÖ-Nationalrat Axel Kassegger an die Spitze der krisengeschüttelten Partei gehievt worden. Kassegger soll nun, so wird gemunkelt, die Partei alleine übernehmen. Kassegger kommt wie Eustacchio und Sippel aus der burschenschaftlichen Fraktion, was gewisse Affinitäten zu den Zurückgetretenen vermuten lässt, zumal diverse Korporationen vom Geldabfluss aus der Partei profitiert haben sollen.
Schönbacher war in am Wochenende unter „fpoegrazwatch“ verschickten Mails beschuldigt worden, sie sei mit ihrem Ehemann „über jahre hinweg selbst eine der großen profiteure des spesensumpfes rund um Eustacchio und Sippel“ gewesen. Denn der Gatte habe um mindestens 7.000 Euro Prosecco an die Grazer FPÖ vertickert, „zu einem ‚freundschaftspreis‘ (also höher als üblich)“, wie der Mailabsender behauptet. Das wiederum bestreitet die im anonymen Mail als „Prosecco-Claudia“ titulierte Schönbacher.
„Mein Mann ist ein Geschäftsmann. Wenn sich jemand für seine Ware interessiert, dann verkauft er sie natürlich. Wenn man Prosecco-Rechnungen im Wert von 4.000 Euro innerhalb von drei Jahren als Spesen- oder Prosecco-Skandal bezeichnen möchte, dann kann ich nur darüber lachen“, erklärt Schönbacher. (steiermark.orf.at , 27.9.22)
Ebenfalls unter Beschuss steht Astrid Schleicher, Gemeinderätin seit 2013 und im noch verbliebenen Klub-Quartett Gesundheitssprecherin ihrer Fraktion. Sie habe, so in einem bereits vor einigen Wochen verschickten anonymen Mail, „zum engsten Kreis rund um Eustacchio“ gehört, habe jedoch, als die Malversationen bekannt wurden, schnell die Seiten gewechselt und deshalb gegen Eustacchio und Sippel Verleumdungsaktionen gestartet, weswegen sie „letzte Woche anonym bei der Staatsanwaltschaft Graz wegen Verdacht auf Verleumdung angezeigt“ worden sei. Dem Mail beiliegend fand sich tatsächlich eine gegen Schleicher gerichtete Sachverhaltsdarstellung.
Für weiteren Wirbel ist gesorgt, und der wird beim kommenden außerordentlichen Parteitag quasi auf offener Bühne ausgetragen werden. Aber vielleicht kann bis dahin Gesundheitssprecherin Schleicher die Parteitroubles ja wegmeditieren, wiewohl sie beim Versuch, das Corona-Virus im März 2020 mittels einer Massenmeditation zum Verschwinden zu bringen, gescheitert ist. Sollte eine kollektive Meditation nicht helfen, kann sich die Truppe noch immer bei einem gemeinschaftlichen Prosecco-Gelage einen blauen Fetzen antrinken. Das hilft zumindest für einige Stunden.