Wenn Wotan whatsappt

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Der Pro­zess, der da am 10. August am Wie­ner Lan­des­ge­richt statt­fand, war ein Abfall­pro­dukt der Aus­wer­tung von Wotans Han­dy. A.L., der im Juni drei Jah­re für NS-Wie­der­be­tä­ti­gung (nicht rechts­kräf­tig) aus­ge­fasst hat, nann­te sich so auf Face­book: „Andre­as Wotan“. Jetzt muss­te sich R. H., der auf Wotans Han­dy mit eini­gen Nazi-Bild­chen aus­ge­le­sen wur­de, wegen Wie­der­be­tä­ti­gung ver­ant­wor­ten. „Stoppt die Rech­ten“ war mit einer star­ken Dele­ga­ti­on beim Pro­zess prä­sent. Ein Prozessbericht.

Auch A.L. ali­as Wotan war vor Ort, wan­der­te vor dem Saal 203 auf und ab und war­te­te auf sei­nen Ein­satz als Zeu­ge, der ihm schließ­lich erspart blieb, wäh­rend wir im Saal der Ver­hand­lung folg­ten. R.H. (61), der seit eini­gen Jah­ren in Pen­si­on ist, hat im glei­chen Betrieb gear­bei­tet, in dem auch Wotan tätig war. Sie kann­ten sich also, wobei der Ange­klag­te das Ver­hält­nis zu Wotan zunächst als ziem­lich distan­ziert beschrieb.

Kurz bevor der Ange­klag­te im Jahr 2016 den Betrieb ver­ließ, tausch­te er über meh­re­re Mona­te hin­weg eini­ge Nazi-Bild­chen über Whats­App mit Wotan aus. War­um schickt man einem Arbeits­kol­le­gen, mit dem man nicht wirk­lich viel kom­mu­ni­ziert – zumeist nur beruf­lich –, Nazi-Bild­chen? Ein Foto vom Adolf-Hit­ler-Platz in Wien. Eines, das Hit­ler zeigt mit dem Text „Völ­ki­scher Beob­ach­ter“, eines mit NS-Flag­ge, Reich­ad­ler und Haken­kreuz usw.. Das Foto vom sei­ner­zei­ti­gen Adolf-Hit­ler-Platz in Wien will er übri­gens im Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­um gemacht haben.

R.H. beton­te, dass er eine Fami­li­en­ge­schich­te habe, in der der Natio­nal­so­zia­lis­mus nicht glo­ri­fi­ziert wor­den sei. Sein Groß­va­ter sei von der Gesta­po abge­holt und erschos­sen wor­den, sei­ne Mut­ter habe sich des­halb ein Leben lang gefürch­tet, wenn sie Schrit­te vor der Woh­nungs­tür gehört habe. Er selbst sei sein gan­zes Leben lang bei kei­nem ein­zi­gen Ver­ein, bei kei­ner ein­zi­gen Demo gewe­sen. Über sei­ne Whats­App-Nach­rich­ten an A.L. sag­te er: „Es war der größ­te Feh­ler mei­nes Lebens.“

Wie der Staats­an­walt in sei­nem Plä­doy­er fest­stell­te, sei vie­les von dem, was der Ange­klag­te dem Gericht da erzähl­te, für ihn durch­aus glaub­wür­dig, aber sicher nicht, dass er nicht mit­ge­kriegt habe, wie A.L. wirk­lich tickt. Es stell­te sich näm­lich im Ver­lauf der Ver­hand­lung her­aus, dass sein Ver­hält­nis zu des­sen Fami­lie durch­aus ein „rela­tiv inni­ges“ war. L. schick­te ihm gele­gent­lich auch Fotos von sei­nen Kin­dern, vom Urlaub, in der Fami­lie war der Ange­klag­te immer willkommen.

Aus dem Pro­zess gegen L., der fest in der Neo­na­zi-Sze­ne um „Unwi­der­steh­lich“ ver­an­kert war, wis­sen wir, dass der sei­ne Woh­nung durch­aus mit ein­schlä­gi­gen Insi­gni­en aus­ge­stat­tet hat­te. Aber dem Ange­klag­ten will nie etwas an Wotan auf­ge­fal­len sein: „Ich wär nie auf die Idee gekom­men, dass er in die­se Sachen ver­strickt ist.“ Aber war­um schick­te er dann dem Wotan die Nazi- Bil­der? Ein Geschwo­re­ner hält ihm vor, dass er die Fotos und L.s Gesin­nung auch hät­te igno­rie­ren kön­nen. Die­ses Mys­te­ri­um konn­te der Ange­klag­te nicht klä­ren. „Ja, war­um habe ich das gemacht“, mein­te er nur dazu.

Andreas "Wotan" postet Propagandafoto aus dem NS (Ballgymnastik 1933), Wolfgang L. antwortet mit Hitler-Foto. (Screenshot FB 2016)

Andre­as „Wotan” pos­tet Pro­pa­gan­da­fo­to aus dem NS (Ball­gym­nas­tik), Wolf­gang L. ant­wor­tet mit Hit­ler-Foto. (Screen­shot FB 2016)

Der Staats­an­walt hat­te eine pas­sen­de Ant­wort. Wenn einer dem Neo­na­zi L. sol­che Sachen schickt, dann will er den ja in sei­ner Gesin­nung bestär­ken: „Der bil­li­ge Gag war ihm wich­ti­ger!“ Des­halb plä­dier­te er aus Prin­zip für eine Sank­ti­on, auch wenn dabei durch­aus außer­or­dent­li­che Mil­de­rungs­grün­de zur Anwen­dung kom­men soll­ten: „Wir wol­len nicht dem Herrn H. den Kopf abreißen!“

Die Geschwo­re­nen, die mit fünf Fra­gen (eine zu jedem Bild­chen) in die Bera­tung geschickt wor­den waren, sahen es anders und ent­schie­den in allen Punk­ten gegen eine Schuld des Ange­klag­ten: Frei­spruch. Der ist auch schon rechtskräftig.